Letzte Worte als Skispringer: Martin Schmitt (re.) mit Bundestrainer Werner Schuster Foto: dpa

Zum Karriereende gibt’s viel Lob für Martin Schmitt. Der Schwarzwälder plant nun eine zweite Laufbahn als Trainer.

Zum Karriereende gibt’s viel Lob für Martin Schmitt. Der Schwarzwälder plant nun eine zweite Laufbahn als Trainer.

Willingen/Stuttgart - Es war ein Wintertag, der damals, im Jahr 2005, traumhafter kaum hätte sein können. Die Landschaft schneebedeckt, der Himmel strahlend blau, und die Skisprungschanze in Lillehammer bestens präpariert. Doch Martin Schmitt setzte erst einmal seinen misstrauischen Blick auf. Aber das war ja auch kein Wunder.

Es lief nicht gut in dieser Saison für den Skispringer aus Furtwangen, die Heim-WM in Oberstdorf drohte zum Fiasko zu werden, es musste was passieren. Schmitt verließ das Weltcup-Team, er flog nach Oslo – Rolf Schilli auch. Der Schwarzwälder, damals Trainer im C-Kader, sollte Schmitt wieder in die Spur bringen. „Martin“, erinnert sich der Coach, „war damals weit weg, seine körperliche und psychische Verfassung alles andere als gut.“ Also baute er eine Kinderschanze.

Nicht Großschanze, nicht Normalschanze, auch nicht eine 70-Meter-Schanze – der große Martin Schmitt, damals schon viermal Weltmeister, sollte mit Alpin-Ski an den Füßen auf einer Zehn-Meter-Schanze üben. „Natürlich hat er komisch geschaut“, sagt Schilli, „aber er hat schnell verstanden, was ich von ihm will.“ Und sich darauf eingelassen. Es ging damals wieder bergauf mit dem Schwarzwälder, später auch wieder bergab, wieder nach oben und am Ende in die zweite Liga. Schmitt sprang zuletzt fast ausschließlich im Continental-Cup, bei der Tournee durfte er noch zweimal ran, die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele in Sotschi hat er aber verpasst. Am Freitag dann zog er einen Schlussstrich: Im Alter von 36 Jahren erklärte er seinen Rücktritt vom Leistungssport. „Jetzt ist das Ganze ausgereizt“, sagt er, als in Willingen Kameras auf ihn gerichtet sind. Und: „Es geht mir gut dabei.“ Was kaum einer bezweifelt.

Vielmehr hat sich in den vergangenen Monaten die öffentliche Meinung verfestigt, ein Karriereende müsse für Schmitt eine Erlösung sein. Die Zahl der öffentlichen Ratschläge hierzu war immens – Schmitt waren sie egal. Und Menschen, die dem Team-Olympiasieger nahestehen, sagen: Zu Recht.

„Ein Athlet wie Martin muss selbst entscheiden dürfen, wann er aufhört“, sagt Wolfgang Steiert, der Schmitt während dessen erfolgreichster Zeit trainierte. Rolf Schilli versichert: „Ich hatte immer das Gefühl, dass er bis zuletzt gebrannt hat wie ein junger Springer.“ Und Alexander Herr weiß: „Skispringen ist so, dass man im Training oft merkt: Es fehlt nicht viel. Ich glaube, dass er immer wieder in dieser Situation war.“ Und sie so nüchtern und sachlich analysiert hat, wie er das immer tat in seiner Karriere.

Herr kennt Schmitt von Kindesbeinen an, gemeinsam haben sie den Weg von den kleinen Schanzen im Schwarzwald auf die großen Bakken im Weltcup-Zirkus geschafft. Sie waren Zimmerkollegen, haben im Trainingslager in Finnland einst immer wieder denselben (und einzig verfügbaren) Videofilm („American Pie“) geschaut und „schöne Zeiten“ erlebt. „Auch wenn es nach außen oft anders wirkte“, sagt Herr, „Martin lacht viel und gern, und trotz seiner großen Erfolge ist er immer bodenständig geblieben.“

Sicher, sie haben ihm im Deutschen Skiverband (DSV) Sonderrechte eingeräumt. „Eingefordert“, erinnert sich Herr, „hat er sie aber nie.“ Obwohl ihn seine Erfolge dazu hätten verleiten können. 1997 hat der sagenhafte Aufstieg begonnen, als 18-Jähriger flog Schmitt beim Weltcup-Debüt in die Punkteränge, zwei Jahre später war er Weltmeister im Einzel und mit dem Team und begründete noch vor Sven Hannawald den deutschen Skisprung-Boom, der den Athleten zu Popstarstatus, der Sportart zu einem Hype und dem Verband zu satten Einnahmen verhalf. Vier WM-Goldmedaillen hat er gesammelt, 28 Weltcup-Siege errungen, dazu Team-Gold bei den Spielen von Salt Lake City gewonnen. „Ich denke jetzt immer öfter zurück“, sagt Schmitt in der Stunde des Abschieds. Aber nicht nur an seine beste Zeit, „auch an 2009“. Denn womöglich bewertet er dieses Jahr noch viel höher.

Nach schwierigen Jahren mit Formschwächen, zahlreichen technischen Umstellungen und großen Verletzungssorgen sprang Schmitt noch einmal aufs Podest, wurde Vierter der Vierschanzentournee, Sechster im Gesamtweltcup und Vizeweltmeister. „Ich hatte immer die Motivation, mich neu zu erfinden“, sagt er rückblickend. Zudem half er fortan tatkräftig mit, den Generationswechsel im deutschen Skisprunglager zu gestalten. „Auch wenn er vieles vielleicht unbewusst gemacht hat, war das ein großes Plus für das ganze Team“, sagt Schilli. Und Steiert weiß: „Bis zuletzt war Martin einer, der nach seiner Meinung gefragt worden ist.“ Und sie gerne geäußert hat. Intern, sachlich, ohne großes Theater.

Früher, als junger Springer, da konnte Schmitt auch mal „giftig“ (Steiert) werden, wenn etwas nicht klappte wie erhofft. Ausgerastet ist der Schwarzwälder aber nie, er bevorzugte die akribische Suche nach einer Lösung. „Einen so erfolgreichen Sportler mit solch einer weißen Weste gibt es selten“, lobt Steiert und sagt: „Er ist einer der Größten dieses Sports.“ Und bald womöglich ein Kollege seiner früheren Trainer.

In Köln bastelt Schmitt bis 2015 an seinem Trainerdiplom, der DSV hält ihm die Türen offen, um vom Renommee und vom Wissen des Mannes mit dem lila Helm zu profitieren. „Durch die 20 Jahre Erfahrung und seinen persönlichen Reifeprozess ist er richtig gut aufgestellt“, findet Steiert. Und selbst für knifflige Fälle scheint Schmitt gerüstet.

Mit dem Bau von Kinderschanzen ist er jedenfalls bestens vertraut.