Martin Harnik wird am 10. Juni 1987 in Hamburg geboren. Sein Vater ist Österreicher und seine Mutter Deutsche. Foto: dpa

Vor dem Bundesligaauftakt am Sonntag (17.30 Uhr/Sky) gegen den 1.FC Köln versucht Angreifer Martin Harnik die Euphorie ein wenig zu dämpfen: „Wir hatten schon oft Aufbruchstimmung.“

Stuttgart - Herr Harnik, wie groß ist die Vorfreude?
Genug der Vorbereitung, ich kann es kaum erwarten!
Zu Hause gegen Köln – es gibt schlechtere Auftaktspiele.
Es ist schön, mit einem Heimspiel vor vollem Haus zu starten. Die Stärke des Gegners spielt in meinen Augen eine untergeordnete Rolle. Wir hatten schon starke Mannschaften zum Auftakt, da hieß es, das sei eine Chance. Jetzt haben wir Köln und Hamburg, da heißt es genauso, dies sei eine Chance. Ich gebe darauf nicht viel.
Dann sind Ihnen wahrscheinlich auch Statistiken egal.
Richtig, warum?
Weil die Heimbilanz des VfB gegen den FC bemerkenswert schlecht ist. Beim letzten Sieg 1996 waren Sie neun Jahre alt und kickten noch beim SC Vier- und Marschlande.
Ich habe davon gelesen. Aber glauben Sie mir: Das ist in den Köpfen der Spieler nicht drin. Es geht bei Null los. Aber wir wissen, dass Köln ein unangenehmer Gegner ist.
Über das neue System von Trainer Alexander Zorniger ist viel geredet worden. Was bedeutet das für Ihr Spiel?
Im Spiel mit dem Ball ändert sich für mich gar nicht so viel, da ich schon immer viel mit dem Ball gelaufen bin. Der große Unterschied ist, dass ich jetzt auch gegen den Ball mehr laufen muss.
Für Sie als Laufwunder sicher kein Problem. . .
Ich hoffe! In der Vorbereitung bin ich läuferisch aber das eine oder andere Mal an meine Grenzen gestoßen. Das kam in der Vergangenheit selten vor. Insofern muss ich aufpassen, dass ich nicht übersteuere.
Im Prinzip ist Ihnen das neue System wie auf den Leib geschneidert. Nährt das die Hoffnung auf mehr Konstanz in Ihren oft schwankenden Leistungen?
Konstanz ist das, wodurch sich große Fußballer von eher durchschnittlichen wie mir unterscheiden. Konstant gut zu spielen, ist die hohe Kunst. Ich würde es mir wünschen, aber versprechen kann ich es nicht.
Ist die Mannschaft von dem überzeugt, was der Trainer vorgibt?
Am Anfang waren wir schon auch skeptisch und haben vieles hinterfragt. Aber das ist vorbei. Wir stehen voll hinter dem neuen System und vertrauen dem Trainer.
Inwiefern waren Sie anfangs skeptisch?
Wir haben schwierige Jahre hinter uns. Gegen Ende der letzten Saison hatten wir uns endlich gefunden. Und dann kommt ein neuer Trainer und bringt sehr viel Neues mit. Das war für einige nicht ganz einfach.
Hat die Mannschaft ihre Bedenken gegenüber Alexander Zorniger geäußert?
Wir haben Dinge hinterfragt, wir haben uns ausgetauscht, na klar. Anders bekommst Du keine Sicherheit. Und du brauchst Spieler mit Eigeninitiative – die haben wir.
Worin sehen Sie immer noch die Gefahren?
Wenn die Hälfte der Mannschaft attackiert und die andere Hälfte abwartet, kann es passieren, dass du auseinandergerissen wirst. Unser Bestreben wird sein, dass wir alle zur gleichen Zeit denselben Plan verfolgen. Das ist nicht immer leicht. Der Eine hat vielleicht mal Luftprobleme, der andere beurteilt die Situation anders als sein Nebenmann. Man muss sich sehr aufeinander verlassen können.
Vor der vergangenen Saison haben Sie ordentlich auf den Putz gehauen und Missstände im Verein angesprochen. Warum blieben Sie dieses Mal ruhig?
Weil klar war, dass sich einiges ändert. Ich hatte schon im Laufe der Rückrunde das Gefühl, dass sich vieles in die richtige Richtung entwickelt. Die entscheidenden Punkte hat Sportvorstand Robin Dutt in der Sommerpause angesprochen.
Es herrscht endlich Aufbruchstimmung – und ausgerechnet jetzt zieht es Sie weg.
Wer sagt das?
Ihr Zögern bei der Vertragsverlängerung deutet darauf hin.
Wir hatten in Stuttgart schon oft Aufbruchstimmung, um dann doch wieder eine enttäuschende Saison zu spielen. Wozu ich meinen Teil natürlich beigetragen habe. Aber das hat mich vorsichtig werden lassen. Ich will mir die Situation jetzt genau anschauen: Wie starten wir in die Saison, wie geht die Mannschaft mit möglichen Rückschlägen um? Die nächsten Wochen werden für die Zukunft des Vereins sehr wichtig sein. Deshalb will ich erst einmal abwarten – auch weil mir der nächste Vertrag sehr wichtig ist.
Robin Dutt hat Ihnen ein Ultimatum bis September gesetzt – wie sieht Ihr Zeitplan aus?
Den Zeitplan haben wir gemeinsam abgesteckt.
Gab es Angebote von anderen Vereinen?
Es gab Gespräche mit meinem Berater. Aber ich bin nicht auf der Suche. Wir fühlen uns sehr wohl hier.
Aber?
Der Spaß blieb zuletzt eben ein wenig auf der Strecke. Der ständige Kampf gegen den Abstieg ist auf dem Platz gar nicht mal so schlimm. Anders sieht es aus, wenn er sich ins Privatleben ausdehnt. Das frustet einen dann schon.
Wie meinen Sie das?
Es können einem zehn Leute auf die Schulter klopfen und Mut zusprechen – der eine Typ, der dir Feuer gibt, bleibt hängen.
Welche Ziele hat man noch mit 28?
Konkret: Die EM-Teilnahme mit Österreich. Ansonsten: Wieder Spaß am Fußball haben. Da sind nach oben keine Grenzen gesetzt.
Können Sie sich auch das Ausland vorstellen?
Alles kann, nichts muss. Ich kann mir auch nach wie vor gut vorstellen, meine Karriere beim VfB zu beenden.
Wann wäre die Saison eine gute für den VfB?
Wenn nicht nur wir wieder Spaß haben, sondern auch die Leute an uns. Dass jeder wieder gerne ins Stadion kommt – und nicht, weil er in der Euphorie eine Dauerkarte gekauft hat