Die Gebetshalle der Hassan-II-Moschee bietet 25 000 Gläubigen Platz: Feinste marokkanische Handwerkskunst, Lüster aus Murano-Glas - und auch eine Fußbodenheizung. Foto: Weller

In den Königsstädten Marokkos kann man eintauchen in eine ferne, fremde, vergangene Welt.

Casablanca/Marrakesch - „Was, du warst in Casablanca? Auch in Rick’s Café?“ Die Verknüpfung zwischen dem Kinoklassiker mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in den Hauptrollen und der größten Stadt Marokkos ist selbst 60 Jahre nach dem deutschen Filmstart nicht auszurotten. Hartnäckig hält sich die Vorstellung, „Casablanca“ sei in Marokko gedreht worden - doch nein, dem ist nicht so. Nicht eine einzige Szene wurde dort aufgenommen. Und „Rick’s Café“? Das ist nicht mehr als die clevere Marketing-Idee der US-Diplomatin Kathy Kriger, die die Filmkulisse aus Hollywood als „echtes“ Lokal in Casablanca hat wiederauferstehen lassen.

Der Mythos lebt auch fort in den Antiquitätenlädchen in der Medina (Altstadt), wo Sammler alte „Casablanca“-Plakate ergattern können, angeblich original. Was tut man also als Tourist hier in dieser riesigen Industrie- und Hafenstadt, in deren Dunstkreis aktuell rund fünf Millionen Menschen auf unterschiedlichstem gesellschaftlichen und sozialen Niveau leben? Man wandelt zwischen den Zeiten. Und trifft auf krasse Gegensätze. Natürlich muss man die Moschee Hassan II., eine der größten Moscheen der Welt und das Gotteshaus mit dem höchsten Minarett (210 Meter), besuchen - 25 000 Gläubige können im Innenraum beten, weitere 80 000 auf dem riesigen Vorplatz direkt am Meer - sie kann auch von Nichtgläubigen, auch Frauen, besichtigt werden. Die Moschee ist ein unübersehbares Zeichen des Islam, gigantisch in jeder Hinsicht. Ist man durch die haushohen Titan-Türen in den monumentalen Bau vorgedrungen (und hat seine Schuhe ausgezogen und fein säuberlich am Eingang stehen gelassen), wird man in der rund 20 000 Quadratmeter großen Gebetshalle vom Anblick des italienischen Marmors, der farbigen Mosaiken, der granitverkleideten Säulen fast eingeschüchtert.

„In Casablanca herrscht ein Durcheinander“

Das 100 Meter lange und 1100 Tonnen schwere Schiebedach der reich verzierten Zedernholzdecke lässt sich in knapp fünf Minuten hydraulisch öffnen - kaum ist der Himmel zu sehen, fliegen Tauben ins Innere. Ganz fertiggestellt ist der Bau immer noch nicht, der Hamam (öffentliches Badehaus) im Untergeschoss soll nächstes Jahr eröffnet werden, aber: „Inschallah“, sagt Fremdenführer Abdul, „wer weiß das schon so genau.“ Neben der Moschee seien Kultur- und Architekturinteressierten zudem der frühere muslimische Gerichtshof, heute eine der Präfekturen Casablancas, ans Herz gelegt - auch dieses Gebäude mit Innenhof, holzgeschnitzten Decken, Stuck, Fliesen und Eisengeländern (der maurische Stil ist unverkennbar) - und das Art-déco-Viertel im Osten der Medina mit seinen kleinen und kleinsten Läden. „Aber die Marokkaner, die nach Casablanca kommen, wollen nicht in die Altstadt, sondern in die modernen Geschäfte der neuen Morocco Mall“, erzählt Abdul, der einen Master in Englisch hat, „das ist das größte Einkaufszentrum Afrikas, Anfang 2012 eröffnet.“

Auf 250 000 Quadratmeter Fläche verteilen sich die unvermeidlichen Shops von H+M bis zu Fendi und Dior. Hier sieht man auch junge Frauen ohne Kopftuch und ohne männliche Begleitung, im Landesinneren ein seltener Anblick. Dass hinter der Mall Slums wachsen, scheint niemanden zu stören. „In Casablanca herrscht ein Durcheinander“, urteilt der Fremdenführer und meint vor allem das Verkehrschaos, das bald durch eine Straßenbahn (überall Baustellen!) entschärft werden soll. Wer von A nach B möchte, nimmt am besten eines der 17 000 Taxis - „kleine“ rote oder „große“ weiße. In letztere, meist alte Daimler, quetschen sich sechs Fahrgäste, zwei auf dem Beifahrersitz, vier hinten. „Jellah, jellah, los geht’s“, treibt der Fahrer seine Gäste zum raschen Einsteigen an.

Der Fahrstil ist weit jenseits deutscher Gepflogenheiten. „Wer in Casablanca einen Führerschein besitzt, der kann überall auf der Welt Auto fahren“, sagt Abdul schmunzelnd und stimmt in das Dauerhupkonzert ein. In Rabat, der eleganten Hauptstadt des Königreichs, geht es auf den Straßen gesitteter zu - und die Straßenbahn ist bereits seit einem Jahr in Betrieb. Auch hier findet man beim Stadtrundgang Orientalisches in Hülle und Fülle: den Hassan-Turm etwa und das königliche Mausoleum, von einem vietnamesischen Architekten entworfen und in arabisch-andalusischem Stil erbaut. Vorm Eingang sitzen Wächter in weißen Umhängen regungslos auf Pferden, 1001-mal geknipst. Auch Rabat hat ein Altstadtviertel, ein ganz besonderes obendrein: die Kasbah der Oudayas, eine ehemalige Festungsanlage, hinter deren rötlichen Mauern sich verwinkelte, ansteigende Gassen mit weiß-blau gekalkten Häuschen und ein üppig blühender andalusischer Park verbergen.

Blick in die Zukunft: Wahrsagerinnen und Tümpel mit Aalen als Orakel

Am höchsten Punkt öffnet sich dem Besucher der Blick zum Meer: ganz unten der Stadtstrand, wo viele Menschen, hauptsächlich Jungs und Männer, sich in die Fluten wagen. Noch älter als die Kasbah ist Chellah, eine vor 2300 Jahren erbaute Siedlung etwas außerhalb von Rabat - jetzt nisten zig Störche in den Ruinen. Die kleine Quelle auf dem Gelände mündet in einen schattigen, grünlichen Tümpel, in dem Aale schwimmen. Hierher kommen viele einheimische Frauen mit Kinderwunsch und werfen hartgekochte Eier ins Wasser. Wenn die Aale die Eier fressen, sei das ein gutes Omen für eine baldige Schwangerschaft, sagt man. Auf dem Jemaa el-Fna, dem Platz der Geköpften, ist es dagegen meist eine der vielen Wahrsagerinnen, die einen Blick in die Zukunft gewähren. Am Abend wandelt sich der Haupttreffpunkt Marrakeschs im Schatten des 77 Meter hohen Minaretts der Koutubia-Moschee in eine bunte orientalische Wunderwelt. Dann beißt der Rauch der Garküchen in die Augen, buhlen verwegene Schlangenbeschwörer, zahnlose Affendompteure, geheimnisvolle Geschichtenerzähler, stolze Wasserverkäufer oder Gnaoua-Musiker um Kundschaft - stets auf dem Sprung, Touristen energisch zu einer kleinen Foto-Gebühr (um die zehn Dirham, etwa ein Euro) zu drängen.

Marrakesch, die Stadt, in der der Modeschöpfer Yves Saint-Laurent im Jardin Majorelle seine Asche verstreuen ließ, ist Orient pur - und immer mehr ein Treff für die Reichen und Schönen dieser Welt. Die steigen in einem der Luxushotels wie dem La Mamounia ab - wo alle Träume wahr werden. Die Garküchen auf dem Jemaa el-Fna und die Sterne-Restaurants in dem weltberühmten Luxus-Hotel, Ricks’ Café in Casablanca, die Paläste von Rabat - Marokko verzaubert.

Infos zu Marokko

Anreise
Direktflüge nach Casablanca mit Royal Air Maroc, www.royalairmaroc.com , ab Frankfurt oder mit Lufthansa, www.lufthansa.com , ab München.

Allgemeine Informationen
Marokkanisches Fremdenverkehrsamt, Graf-Adolf-Straße 59, 40210 Düsseldorf, Telefon 02 11 / 37 05 51 / 52, www.visitmorocco.com .

Unterkunft
Luxuriös: Hotel Royal Mansur, Casablanca, www.leroyalmansourmeridien.com ;
Hotel Sofitel Jardin des Roses, Rabat, über www.sofitel.com ;
Hotel La Mamounia, Marrakesch, www.mamounia.com .

Mittelklasse: Hotel Maamoura (2 Sterne), Casablanca, www.hotelmaamoura.com ;
Hotel Ibis Moussafir (3 Sterne), Rabat, über www.ibishotel.com ;
Riad Kniza (4 Sterne), Marrakesch, www.riadkniza.com .

Essen und Trinken
Casablanca: Restaurant La Mer, Phare d’El Hank, lamer@menara.ma, Fisch mit Blick auf Meer und Leuchtturm;
Rabat: Restaurant Ziryab, www.restaurantleziryab.com , traditionelle Küche (Tajine-Gerichte) in einem wunderschönen Riad in der Altstadt.

Ausflüge
Wer sich länger in Casablanca aufhält, für den lohnt ein Trip ins knapp 250 Kilometer entfernte Marrakesch - vom Zentralbahnhof (Casa voyageurs) aus gibt es eine gute Zugverbindung; man sieht viel während der rund dreieinviertelstündigen Fahrt, www.oncf.ma . Einfache Fahrt ca. 9 Euro.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollte man stark gesüßten Tee aus frischen Minzeblättern (Thé de menthe) probieren. Datteln oder Gewürze sind neben kunsthandwerklichen Artikeln wie Lederwaren oder Silberschmuck beliebte Mitbringsel. Es schadet auch nicht, sich vor der Reise ein paar Brocken Französisch anzueignen, nicht überall versteht man Englisch.

Auf keinen Fall sollte man die landestypische Kleiderordnung missachten - in der Öffentlichkeit also besser keine entblößten Schultern oder Beine.