Jeden Abend Party: In der Dämmerung strömen Tausende Besucher zum berühmten Djemaa El Fna in der Altstadt von Marrakesch. Foto: Sweetpix

Marrakesch, schon im Klang dieses Namens liegt die Verheißung des Orients.

"Es ist würzig in den Souks, es ist kühl und farbig. Der Geruch, der immer angenehm ist, ändert sich allmählich, je nach der Natur der Waren. Es gibt keine Namen und Schilder, es gibt kein Glas. Alles, was zu verkaufen ist, ist ausgestellt. Man weiß nie, was die Gegenstände kosten werden, weder sind sie an ihren Preisen aufgespießt, noch sind die Preise fest." Was Literaturnobelpreisträger Elias Canetti Mitte der fünfziger Jahre in Marrakesch erlebt und wahrgenommen hat, ist heute nur ein bisschen anders. Bei der Lektüre seines Klassikers "Die Stimmen von Marrakesch" drängen sich Bilder von Eselskarren, akkurat aufgetürmten Gewürzen, Berberteppichen, laut feilschenden Händlern, Moscheen, wilder arabischer Musik und exotischen Gerüchen auf – wunderbares Kopfkino.

Die "Perle des Südens" genannte bald 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt bietet dies alles komprimiert auf einem einzigen Platz, dem Djemaa El Fna, dem Platz der Geköpften in der Medina, der Altstadt. Allein dieser Ort, den alle nur La Place nennen und der seit 2001 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, ist die Reise wert. Das Treiben beginnt um die Mittagszeit, wenn die Touristen anrücken, gierig nach Andersartigem, Anregendem, aber auch nach Abschreckendem, Abartigem.

In der Dämmerung dann, wenn die liegende Mondsichel hinter dem Minarett der Koutoubia-Moschee sichtbar wird und auch die Einheimischen strömen, beginnt dieser Ort zu brodeln. Die Massen schwappen von den Schlangenbeschwörern, die vor ihren schwarzen Kobras sitzen, Vorübergehenden überfallartig eine Natter um den Hals legen und das meiste Geld von allen Schaustellern für ein Foto kassieren, zu den wild gestikulierenden Geschichtenerzählern, von den Wahrsagerinnen und Hennamalerinnen zu den Obstverkäufern. Viele Besucher setzen sich zu einer der Garküchen auf Rädern, in denen lachende Männer Garnelen und Fleischspieße grillen und mit meist schmutzigen Fingern aus einer großen Schüssel Pommes auf die Teller häufen; zu jedem Gericht wird ein Schüsselchen würziger Oliven gereicht.