Markus Lanz und Barack Obama Foto: ZDF und Bent Liebscher/Bent Liebscher

Markus Lanz hat Ex-US-Präsident Barack Obama interviewt: Der plaudert über die „Mädchenzimmer“ im Weißen Haus, die riskante Tötung Osama Bin Ladens und seinen Versuch, in Mailand spazieren zu gehen.

Washington - Wenn Leute neue Bücher geschrieben haben, sind sie oft gesprächig. ZDF-Moderator Markus Lanz ist nach Washington geflogen, um den früheren US-Präsidenten Barack Obama zu interviewen – und am Donnerstagabend stand dies im Mittelpunkt seiner Talkrunde – ein kleines, aber feines Gespräch von Journalist zu Politiker. Wie oft bei Lanz kann der seine harmlos-anbiedernde Ironie nie ganz lassen: Obamas neues Buch, „Ein verheißenes Land“, sei ja mit gut 1000 Seiten „ein bisschen kurz geworden“, meinte Lanz, und ob er jetzt im Wettbewerb mit den Büchern von Michelle Obama stehe. Den könne er natürlich nicht gewinnen, entgegnete Obama lachend, da habe er schon kapituliert. Aber manchmal hat Lanz auch politischen Biss – doch dazu später.

Im Weißen Haus wohnt man sozusagen „über dem Laden“

Obama plauderte darüber, wie das damals war, als er 2009 ins Weiße Haus einzog, und er bemerkte: „Das ist nicht mein Haus, sondern das des Volkes.“ Die Privatwohnung liegt dicht am Büro, man wohne sozusagen „über dem Laden“, sagte Obama. Seine Frau Michelle habe versucht, dem Amts- und Privatsitz etwas Flair einzuhauchen, aus den Kinderzimmern wirklich „Mädchenzimmer“ zu machen und sie nicht nach Tom Jefferson – dem dritten Präsidenten in der US-Historie – aussehen zu lassen. Mal abgesehen davon, dass der Weg ins Büro nicht weit sei und man niemand besuchen müsse, weil alle zu einem kämen, ändere sich das Leben radikal.

In Mailand standen 5000 Leute vor dem Hotel

Allein schon wegen der Security: komplette Abschirmung, sei man auf der Straße unterwegs, werde die frei geräumt von Autos und wenn man in der Stadt laufe, postierten Scharfschützen auf den Dächern: „Das normale menschliche Miteinander ändert sich. Manchmal träumte ich, ich gehe unerkannt durch eine Stadt.“ Aber auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt habe sich die Überwachung kaum geändert, die Anonymität kam nie zurück. Versuche, mal im Central Park zu joggen, habe er eingestellt und neulich war er in Mailand und dachte, er könne doch mal über den Domplatz schlendern: „Da standen dann aber 5000 Leute vor dem Hotel.“

Nach dem Ausscheiden aus dem Amt habe er zunächst sehr die „Kameradschaft“ seiner Mitarbeiter vermisst, sein Team, das auch unter großem Stress gut gearbeitet habe: „Das war für mich ein Verlust.“ Einiges, aber nicht alles sei in seiner Amtszeit gelungen, aber als persönlichen Gewinn verbucht Obama, dass seine Töchter Malia und Sasha sich heute „nicht als etwas besonders fühlen“, die arbeiteten hart und gingen ihren eigene Weg. „Darauf bin ich stolz.“

Ein US-Präsident fängt nie bei Null an

Von aktueller Politik überfrachtet war das Interview nicht, und die Person Donald Trump wurde eigentlich nur gestreift. Als besonders fragwürdig beschrieb Obama, dass Trump ausgerechnet in einer schwierigen außenpolitischen Lage – die Jagd auf Osama Bin Laden – eine Debatte über Obamas Geburtsort anzettelte, bei der zu seinem Entsetzen die Medien zum Teil mitspielten.

Allgemein stellte Obama fest, dass ein US-Präsident „nie von Null“ anfangen könne, er erbe immer die Entwicklungen, die sein Vorgänger hinterlassen habe, und so habe er den Irak- und den Afghanistan-Krieg vorgefunden. Länder, aus denen ein Rückzug enorm schwierig sei – im übrigen seien präsidiale Entscheidungen ja „nie perfekt“, ihre Erfolge hätten immer mit Wahrscheinlichkeiten zu tun – 55 Prozent Erfolgsaussicht? 45 Prozent?

Weiße Arbeiter verlieren an Boden

Da nun hakte Markus Lanz beherzt nach: „Hatten Sie eigentlich schlaflose Nächte wegen der Drohnen? Denn wenn Sie die eingesetzt haben, starben ja Menschen.“ Bevor Obama die Frage verneinte, er sei nach einem Arbeitstag immer sehr müde gewesen, drehte er eine Schleife der Rechtfertigung: Er habe auch als Präsident eine Verantwortung für junge US-Soldaten, er habe vielen Angehörigen von Gefallenen Briefe geschrieben oder Verwundete besucht. Der Anschlag 9/11 und die Folgen sowie das Vorgehen der Taliban rechtfertigten das Vorgehen. Eine sehr kritische und riskante Sache sei aber die Ausschaltung der Terrorführers Osama bin Laden 2011 in Pakistan gewesen: „Wir hatten keine Garantie dafür, dass er wirklich am Fundort war.“ Wäre der Angriff fehl geschlagen, hätte dies schwierige diplomatische und außenpolitische Folgewirkungen gehabt.

Schon als er vor vier Jahren einen Film in den USA gedreht habe, so Markus Lanz, sei ihm die Polarisierung im Land aufgefallen, einige Interviewte hätten den Namen von Obama aus Hass nicht aussprechen wollen und nur von 44 (dem 44. Präsidenten) gesprochen, andere vermieden den Namen Trumps und nannten ihn nur 45. Obama sagte, das in der ganzen ja auch von der Sklaverei geprägten US-Historie dieses Ringen von zwei Richtungen schon verankert sei, die einen mit dem großen Wir-Gefühl, die anderen mit der Ansicht, dass bestimmte Privilegien für bestimmte Leute reserviert seien. Trump habe diese „Reibungen“ versucht, für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Es gebe aber sicher weiße Arbeiterschichten in den ländlichen Gegenden, die der Ansicht seien, sie würden „an Boden verlieren“.

Am Schluss kommt dann die Frauenfrage

Die Fortschrittlichen im Land müssten daher nach guten Lösungen suchen, doch der Trend bei den jungen Leute stimme ihn hoffnungsvoll. So seien bei den schwarzen Protesten von „Black lives matter“ in der Folge der Ermordung von George Floyd sehr viele Weiße gewesen, die sagten, die Schwarzen hätten ein Recht auf Respekt: „Das ist die Zukunft der USA.“

Im Schlusskapitel befragte Lanz den Ex-Präsidenten zur Rolle von Frauen in seinem Leben, die eine tragende Rolle hatten und gezeigt wurde ein Foto von Obama als Kind mit seiner Mutter und Großmutter. „Sie waren stets von Frauen umgeben, hat das ihren Charakter geformt?“ Schon zuvor hatte Obama berichtet, dass seine Schwiegermutter ins Weiße Haus eingezogen sei und da eine stabilisierende Funktion inne gehabt habe. Es sei wichtig, so Obama, auf den Rat von „starken Frauen“ zu hören. Frauen hätten die Fähigkeit zu sehr klugen Entscheidungen, er habe den Eindruck, sie seien weniger von ihrem Ego getrieben als Männer. Und Angela Merkel, die deutsche Kanzlerin, sei seine „Lieblingspartnerin“ auf der weltpolitischen Bühne.