Die Bewegung Maria 2.0 entstand im Jahr 2019. Foto: privat

Fürs Kirche-Schmücken sind Frauen gut genug, für die Predigt nicht? Immer mehr wehren sich gegen dieses Diktum der katholischen Kirche. Anlässlich Christi Geburt, bei der Maria maßgeblich beteiligt war, erzählt Gabriele Greiner-Jopp von Grenzüberschreitungen in Filderstadt.

Filderstadt/Filder - Sie hat an Weihnachten schon etwas Verbotenes getan. Sogar in der Kirche, oder besser gesagt: gerade dort. Vor einigen Jahren hat Gabriele Greiner-Jopp bei der weihnachtlichen Eucharistiefeier gepredigt. Wer sich mit der Katholischen Kirche und ihren hierarchischen Geschlechtergepflogenheiten nicht näher auskennt, versteht in den 2020er Jahren die Brisanz dahinter sicher erst einmal nicht. Aber: Dass eine Frau in der Eucharistiefeier predigt, „das ist bis heute verboten“, sagt sie. Der damalige Filderstädter Pfarrer habe sie in den 1990ern gelassen. Bei seinem Nachfolger, einem jungen Mann, war damit wieder Schluss.

Gabriele Greiner-Jopp ist 68 Jahre alt und wohnt heute in Wendlingen. Sie lebte allerdings von 1979 bis 2003 in Filderstadt und hat sich dort für die Katholische Kirche engagiert – nicht nur ehrenamtlich. Sie ist gut ausgebildet, hat unter anderem als Religionspädagogin und Dekanatsreferentin gearbeitet, ist aber auch geistliche Begleiterin und Supervisorin. Und trotzdem gab und gibt es Aufgaben, die unerreichbar bleiben. „Alles, was Frauen tun dürfen, ist nicht daraus abgeleitet, was sie können, sondern was ihnen die Männer zugestehen“, sagt Gabriele Greiner-Jopp und spricht aus eigener Erfahrung. In der Ausbildung hatte sie gefordert, Frauen stärker an der Eucharistiefeier zu beteiligen. Die Reaktion eines Mannes: „Und dann wollt ihr womöglich noch Priesterinnen werden?“ Weil sie die Zustände leid ist, macht die 68-Jährige bei Maria 2.0 mit.

Reformbewegung von der Basis

Die Graswurzelbewegung, 2019 aus einem Lesekreis einiger Frauen in Münster entstanden, rückt mit dem Titel Maria 2.0 jene Frau in den Vordergrund, die maßgeblich an der Geburt Jesu beteiligt war. In ganz Deutschland engagieren sich seither Frauen und Männer für die Reformbewegung an der Basis. Auch auf den Fildern haben sich gleich zu Beginn Gruppen gebildet, so zum Beispiel in Filderstadt und in Stuttgart-Hohenheim. Sie verschickten zum Beispiel überraschend Massenpostkarten an den Bischof, sie plakatierten im Februar 2021 über Nacht sieben Thesen an die Kirchentüren.

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Angefangen hatte 2019 alles mit einem Streik der Ehrenamtlichen in der Kirche. Eine Woche lang wurden die Kirchen nicht mit Gestecken aufgehübscht, keine Kirchenblättchen verteilt, die Frauen ließen ihre freiwilligen Aufgaben ruhen. „Frauen schmücken nicht nur die Kirche, sie werden sichtbar“, sagt Gabriele Greiner-Jopp. Dass der Bischof damals gleich darauf hingewiesen habe, dass unter den Streiks letztlich die Menschen leiden, bei denen kein Besuchsdienst mehr vorbei kommt, „das fand ich unverschämt“, sagt Gabriele Greiner-Jopp. Denn natürlich sei der Besuchsdienst weitergelaufen, man habe niemandem im Stich gelassen. „Das sollte Frauen nur in ein schlechtes Licht stellen“, sagt sie. „So werden Frauen klein gemacht.“ Damals, als sie noch jung war und mit der Ausbildung begonnen hatte, dachte sie: Vielleicht ändert sich das ja noch in den nächsten Jahren, – die Ungerechtigkeiten, der Machtmissbrauch, wie Gabriele Greiner-Jopp das nennt, was ihre Kirche strukturell prägt.

Katholische Kirche hat einen Mitgliederschwund erlebt

Dass Männer nach wie vor Posten wie selbstverständlich allein für ihr Geschlecht reservieren können, das verstehen immer weniger Menschen. Und die Kritiker dürften sowohl Frauen als auch Männer sein. Die Katholische Kirche hat einen Aderlass erlebt. Hatte sie 1990 mit 28,3 Millionen Mitgliedern den höchsten Stand seit 1950, gab es in Deutschland im Jahr 2020 noch 22,2 Millionen Euro. Die meisten Austritte gab es im Jahr 2019: nämlich 272 771.

Das sagt eine der Gründerinnen von Maria 2.0

Die Mitglieder flüchten, könnte man meinen. Freilich auch wegen der bedrückenden Missbrauchsskandale und der Art, wie die Kirchenoberen damit umgegangen sind und umgeht, aber eben auch wegen der Dominanz der Männer. Lisa Kötter, Mitbegründerin der Graswurzelbewegung „Maria 2.0“, zum Beispiel, erläuterte jüngst in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, warum sie aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. „Ich bin inzwischen zutiefst davon überzeugt, dass sich die römische Kirche nicht reformieren lässt“, sagte Lisa Kötter in dem Interview. „Weil sie auf Machtgenerierung und Machterhalt aufgebaut ist.“