Kultur in Stuttgart besteht nicht nur aus dem Programm im Staatstheater. Dazu zählen auch die kunterbunten Veranstaltungen weiterer Kulturschaffender in der ganzen Stadt. Foto: Imago//Markus Mainka

Stuttgarts Bürgerinnen und Bürger zeigen sich in unserer Umfrage Heimat-Check zufrieden mit dem Kultur- und Freizeitangebot. Was könnte noch besser werden? Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner gibt Antworten.

Folgt man unserer Umfrage zum Lebensgefühl in Stuttgart, sind die Bürgerinnen und Bürger mit dem Kultur- und Freizeitangebot zufrieden. Nicht nur in Stadtteilen wie Mühlhausen oder Zuffenhausen zeigt sich aber: Vieles kann man noch besser machen. Stuttgarts Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner setzt auf ein gutes Angebot in der Breite.

 

Herr Gegenfurtner, die Menschen in Stuttgart zeigen sich zufrieden mit dem Kulturangebot – auch und gerade stadtteilbezogen. Wirkt Kultur im Stadtgefüge vielleicht also eher „von unten“ als über die Leuchttürme?

Kultur wirkt am besten dort, wo sie sich vielfältig zeigt. Exzellenz ist genau so wichtig für eine kulturelle Orientierung wie der Zugang aller Menschen in der Stadtgesellschaft zu kulturellen und künstlerischen Angeboten, auch im eigenen Stadtbezirk. Denn wenn der Einstieg langfristig fehlt, dann leuchtet irgendwann auch nichts mehr. Deswegen ist eine Oper ebenso wichtig wie ein soziokulturelles Zentrum oder eine Stadtteilbibliothek. Nicht ganz unentscheidend für die Wirkkräfte sind natürlich auch die entsprechenden Ressourcen, personell wie finanziell.

Marc Gegenfurtner: Stuttgarts Kulturamtsleiter setzt auf Vielfalt in der Breite des Kulturangebotes. Foto: Stadt Stuttgar/t

Auffallend sind die Bedeutung von Bibliotheken. Sicher auch als freier sozialer Ort. Wie sehen Sie die Zukunft der Stadtteilbibliotheken grundsätzlich?

Eine offene und gut ausgestattete Stadtteilbibliothek ist der optimale kulturelle Identifikationspunkt. Längst sind diese Einrichtungen keine reinen Lesestuben mehr, in denen geflüstert werden muss, sondern lebendige Treffpunkte für alle Altersgruppen und Erfahrungsebenen. Hier finden alle etwas für jeden Geschmack und jeden Bedarf. Erlebnisräume zum Entdecken des guten alten Kinderbuchs für Eltern mit ihren Kindern, gemeinsam Hausaufgaben machen und auf Klassenarbeiten lernen, über Zugänge zu digitalen Zeitschriften und Zeitungen Nachrichten aus aller Welt lesen sind Angebote, die so sonst nirgendwo unter einem Dach zu finden sind, und die natürlich auch breit angenommen werden. Bei solch einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz ist mir um unsere Stadtteilbibliotheken nicht bange.

Ein Thema sind auch Kinos. Auch diese scheinen als soziale Orte zu sein. Kommt hier vielleicht ein Thema auf die Stadt zu – in den Stadtteilen Orte zu fördern oder gar mit zu gründen, die Treff, Café, Kino und Bibliothek in einem sind?

Ein inhaberbetriebenes Kino mit einem breit gefächerten Angebot und der Offenheit für Neues ist immer noch das Nonplusultra für einen angemessenen Filmgenuss. Dass man dies in der Regel zusammen mit anderen Menschen tut, macht natürlich auch ein Filmtheater zum Kulturzentrum. Das klassische Abspielen von Filmen ist dabei nur ein Baustein dessen, was Kinos als Orte der Begegnung anbieten. Verschiedene Festivals, begleitende Diskussionsveranstaltungen und Gaming-Sessions gehören mittlerweile zum Standardrepertoire von Kinos, das teilweise auch städtische Unterstützung erfährt.

Mit welchen Zielen?

All das wird eine lernende Stadt ebenso zu begleiten und zu stärken wissen wie deren Menschen auch neue kulturelle Formen dafür finden und erfinden werden, wenn sie tatsächlich gebraucht sind. Und beispielsweise das Haus für Film und Medien wird genau so ein zentraler Meilenstein werden: die zeitgemäße und zukunftsfähige Fortschreibung dessen, was früher ein kommunales Kino wollte – nur mit deutlichem Mehrwert in vielerlei Hinsicht.

Die schon angesprochenen Leuchttürme stehen ja keineswegs für sich, sie haben inzwischen viele Satelliten, sind weit vernetzt bis in die Schulen. Reicht das – oder sollte die Entwicklung aus Ihrer Sicht noch weiter gehen?

Der Aspekt dessen, was wir kulturelle Bildung nennen, also das sinnliche Erlernen und bewusste Erfahren kultureller Techniken und Ausprägungen kann von der Wiege bis zur Bahre erfolgen. Und oft sind die Erfahrungsebenen von Musik, Literatur, Darstellender Kunst oder Film im Laufe eines Lebens ohnehin vielfältig und verändern sich. Wir als Kommune sollten vor allem darauf achten, dass es auch für alle Menschen zur Regel werden kann, unterschiedlichen Kulturformen zu begegnen.

Was wünschen Sie sich eigentlich, wenn Sie an Stuttgart und Kultur denken?

Im Grunde wünsche ich der Stadt, dass alles so bleibt wie es ist, damit sich alles ändern kann. Wir haben in Stuttgart eine einzigartige politische und gesellschaftliche Übereinstimmung hinsichtlich der Notwendigkeit eines vielfältigen Kulturangebots und damit eine grundsolide Basis, um den zahlreichen Herausforderungen konstruktiv begegnen zu können, die die Zukunft unweigerlich mit sich bringt. Ich persönlich bin daher wunschlos glücklich.

Das ist Marc Gegenfurtner

In der Region aufgewachsen
Marc Gegenfurtner wurde 1971 in Böblingen geboren. Zum Literaturwissenschaftsstudium ging er nach München. Danach war er unter anderem Geschäftsführender Dramaturg am Schauspielhaus Bochum. 2007 kam er als Büroleiter und Assistent von Münchens damals neuem Kulturreferenten Hans-Georg Küppers an die Isar. 2014 übernahm Gegenfurtner im Kulturreferat die Leitung der Hauptabteilung 1, die für die Bereiche Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Film, Literatur, Musik, Stadtgeschichte und Wissenschaft zuständig ist.

 

Seit 2019 in Stuttgart
Als Leiter des Kulturamtes Stuttgart ist Marc Gegenfurtner für 780 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich, darunter die Angestellten von Archiv und Stadtmuseum. Geschätzt wird Gegenfurtner für seine sachorientierte Arbeit und seine ausgleichende Art. Zur Verkehrswende hat Gegenfurtner indes eine klare Position: In der Innenstadt, sagt Gegenfurtner, gebe es auch bei schlechtem Wetter keine Alternative zum Rad und den öffentlichen Verkehrsmitteln.