Die Menschenfotografin Lena Reiner stellt ihre Fotos im Rahmen von Kunst im MZ-Treppenhaus aus. Am Samstag ist Vernissage.
Marbach - Lena Reiner hat eine Devise. Sie lautet: „Jeder Mensch ist schön.“ Natürlichkeit und Nähe, das hat sie sich auf die Fahne geschrieben. Und so sind sie auch, ihre Fotos. Schonungslos, ehrlich, offen und vor allem eines: menschlich schön.
Die frühere Marbacherin stellt von morgen an ihre Bilder bei Kunst im MZ-Treppenhaus aus. Geboren ist die Fotografin in Filderstadt, aufgewachsen in Marbach. Nach dem Abi begann sie das Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Kultur in Friedrichshafen. Doch schnell merkte sie „es ist doch nicht meins“ und hörte nach fünf Semestern auf.
Eigentlich ist Lena Reiner schon früh zur Fotografie gekommen. Noch immer müsse sie sich anhören, dass sie im Alter von zehn, elf Jahren eine Phase gehabt habe, in der sie vorzugsweise die Spiegelreflexkamera von ihrer Mutter nahm. „Sie hat viel fotografiert, bis die alte Kamera kaputt gegangen ist“, erzählt die 25-Jährige. Sie selbst war allgemein schon immer sehr kreativ, betätigte sich als Bildhauerin in der Karlskaserne in Ludwigsburg. „Ich habe meine komplette Kindheit dort verbracht“, erinnert sich die Fotografin. In die Fotografie ist sie dann „reingestolpert“. Eine Modelagentur in Ehreskirch hat eine Fotografin gesucht. „Über die Agentur ging es schnell.“
Auf der Suche nach einer Bezeichnung für ihre Art zu fotografieren hat sie verschiedene Schwerpunkte gelegt. „Es sollte keine Fremdsprache sein.“ Stattdessen ein Begriff, der klar und deutlich ist, verständlich und ihr Anliegen gezielt auf den Punkt bringt. Nämlich Menschen zu fotografieren. Und deshalb nennt sie sich „Menschenfotografin“. Ihr ist es wichtig, „dass ich das Gefühl habe, dass die Leute sie selbst sind und sein können“. Deshalb versucht sie auch, bei Porträtfotos keine Anweisungen zu geben. „Ich gebe vielleicht noch den Ort vor“, berichtet Lena Reiner mit einem Lachen. Sie macht zudem einen deutlichen Unterschied bei der Bezeichnung Porträtfoto. Denn gemeint ist nicht das Passfoto für den nächsten Reisepass. Die Menschenfotografin zeigt den Charakter eines Menschen, schränkt das Foto nicht durch einen Bildausschnitt ein.
Für ihre persönliche Art, Menschen zu fotografieren, gibt oft positive Rückmeldungen. Ein Model habe neulich zu ihr Kontakt aufgenommen. „Sie hat gemerkt, dass sie inzwischen viel mehr zu sich steht‘“, erzählt Lena Reiner. Und sich auch ungeschminkt zeigt. Eine besonders eindrückliche Erfahrung war eine andere Begegnung. Eine Frau war auf Lena Reiner zugekommen. „Sie meinte, dass sie nach einer Nahtoderfahrung gerne Fotos hätte von ihrer neuen Persönlichkeit“, berichtet Reiner. Zunächst wusste sie gar nicht, wie sie damit umgehen sollte, gibt sie ehrlich zu. „Es ist so schön, was die Frau für eine Lebensfreude entwickelt hat.“ Zwei Monate habe die Frau im Koma gelegen und es sei nicht sicher gewesen, ob sie jemals wieder aufwache. „Es war eine der besonderen Begegnungen“, meint Reiner.
Ein dauerhaftes Thema ist für Lena Reiner die Nähe. Man müsse auch die Grenzen einer Person respektieren. Je nach Bild muss man als Fotograf näher ran. Deshalb gilt es zu beachten: „Was ist möglich, was geht nicht?“ Außerdem: „Man kann niemanden zu Authentizität auffordern. Das geht in die falsche Richtung.“
Einige ihrer „Models“ geben offen und ehrlich zu, dass sie nervös sind. Aber je mehr sie über ihre Beklemmungen und die Nervosität reden, desto natürlicher werden sie, und die Scheu fällt ab.
Viele ihrer Bilder zeigen ungeschminkte Frauen, komplett ohne Hautretusche. Eine etwas kleinere Serie ist das Pendant – nämlich Männer. Es ist eine verdeckte Akt-Serie, „bei der es mir um das Schutzlose geht“. Dabei geht es Lena Reiner nicht um Bloßstellung, sondern um Darstellung. Nicht nur im MZ-Treppenhaus, auch im Nachbargebäude des Impuls sind Bilder zu sehen. Hier präsentiert Lena Reiner Ganzkörperbilder. Eine weitere Serie befasst sich mit Straßenmusik. Zwei Wochen lang begleitete sie Musiker auf La Gomera. Zwei der Musiker, Alex Tod und Mia Luz, gestalten den musikalischen Teil der Vernissage in Form einer Art Jazz mit Gypsy .
Das Tollste an der Fotografie ist für Lena Reiner der Punkt, „das Recht zu haben, Leute genau zu beobachten“. Denn genau dieses uneingeschränkt Beobachtende sei schön. Bildbearbeitung macht ihr keinen Spaß. „Alles, was länger als fünf Minuten dauert, lasse ich.“ Schließlich entspricht eine zu intensive Bearbeitung auch nicht ihrem Credo: den Menschen, so wie er ist, darzustellen.