An diesem Mittwoch will das Landgericht Heilbronn das Urteil im Fall der vier jungen Männer fällen. Sie sollen einen Polizisten in Marbach verprügelt haben. Foto:  

Beim Prozess gegen die Männer, die im vergangenen Jahr in Marbach einen Polizisten zusammengeschlagen haben sollen, sind die Plädoyers gehalten worden. Der Staatsanwalt wertete die Tat als versuchten Totschlag.

Marbach - Geht es nach Michael Koch, muss der 22-jährige Hauptangeklagte wegen versuchten Totschlags für fünf Jahre ins Gefängnis. Das hat der Staatsanwalt am Montag im Prozess vor dem Landgericht Heilbronn gefordert. Angeklagt sind vier junge Männer. Sie sollen in der Nacht auf den 1. Juli vorigen Jahres in unterschiedlicher Weise daran beteiligt gewesen sein, einen Polizisten schwer verletzt zu haben. Der Beamte war mit einer Kollegin gegen 1.40 Uhr in der Marbacher Fußgängerzone erschienen, um die nächtliche Ruhestörung zu beenden, die durch eine größere Gruppe junger Leute entstanden war.

Der siebte Verhandlungstag stand im Zeichen der Plädoyers. Staatsanwalt Michael Koch sah es als erwiesen an, dass der damals 21-Jährige weglief, als der Polizist die Personalien feststellen wollte, und sich dabei unter anderem mit Kopfstößen der Festnahme widersetzte. Ein 28-jähriger Mitangeklagter verpasste dem Polizisten zwei Faustschläge. Kurz darauf nahm der damals 21-Jährige den Schlagstock des Polizisten und schlug auf ihn ein. „Dabei nahm er tödliche Verletzungen in Kauf – seine Schläge waren hart“, sagte Michael Koch, der sich auf Aussagen einer medizinischen Sachverständigen bezog. Die Gruppe junger Leute habe sich während des Vorgangs „solidarisiert“ und den am Boden liegenden Beamten mit Tritten und Schlägen zusätzlich verletzt. Weil sie direkt hinter dem Haupttäter gestanden haben sollen, sind zwei Männer im Alter von 21 Jahren mit angeklagt.

Die Kopfstöße seien gezielt gewesen, sagte der Polizist

Das hohe Strafmaß von fünf Jahren begründete Staatsanwalt Koch mit dem Tötungsvorsatz, dem der Hauptangeklagte gefolgt sein soll. „Der Schlagstock war ausgezogen, er konnte seine volle Wucht entfalten.“ Koch hält es wegen der Verletzungen an Kopf und Hand für wahrscheinlich, dass der 22-Jährige mehrfach zuschlug – und nicht nur einmal, wie er behauptete. Schon seine Kopfstöße seien gezielt gewesen, habe der Polizist ausgesagt. Koch erinnerte auch an die Todesängste, die der Beamte ausstand, bevor seine Kollegin mit dem Griff zur Dienstwaffe die Lage klärte. Beide hätten heute noch Probleme im Dienst. Der Staatsanwalt zweifelte auch die Aussagen von Zeugen an, die bei der Polizei die Vorgänge an dem Abend anders geschildert hatten und jetzt aus Angst „Schutzbehauptungen“ zugunsten der Angeklagten vorbrächten, um sie nicht zu „verraten“.

Eine ganz andere Sicht auf die Tat des Hauptangeklagten hat dessen Verteidiger Andreas Baier. „Wenn man ganz ehrlich ist, geht es bei dem Verfahren um Abschreckung“, sagte der Anwalt. Wäre das Opfer kein Polizist, wäre das Verfahren wohl keine Haftsache und man würde mit einer eineinhalbjährigen Bewährungsstrafe auseinandergehen. Baier warnte davor, einen Tötungsvorsatz abzuleiten, nur weil ein schwerer Gegenstand benutzt worden sei und sich die Gewalt gegen einen Polizeibeamten gerichtet habe. Auch habe sein Mandant nur einmal zugeschlagen. „Ich gehe davon aus, dass es nicht so wuchtig war“, sagte Baier mit Blick auf die Verletzungen. Überhaupt handele es sich um eine „absolute Spontantat“, bei der Angst, Wut und Alkohol im Spiel gewesen seien. Sein Mandant sei weggerannt und wollte „einfach nur aus der Situation raus“.

Der 28-Jährige hat vor zwei Jahren einen Polizisten geschlagen

Im Unterschied zum Staatsanwalt wertete Baier das Weglaufen nach der Körperverletzung nicht als „beendeten Totschlagversuch“, sondern als „jugendtypisches Verhalten“ und plädierte auf eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Für den 28-Jährigen, der den Polizisten zweimal ins Gesicht schlug, forderte Michael Koch eine Haftstrafe von zwei Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Der Angeklagte war mit mutmaßlich mindestens 1,8 Promille im Blut stark alkoholisiert, was strafmindernd wirke. Sein Rechtsanwalt Ulrich Frech räumte ein, dass die Schläge gegen einen Polizisten eine schwerwiegende Straftat darstellten. Sein Mandant sei einem „völlig falschen Impuls“ gefolgt und habe dem am Boden Liegenden „helfen“ wollen. Inzwischen habe der 28-jährige, der vor zwei Jahren schon einmal einen Polizisten angegangen hatte, seine Tat „tief bereut“ und mit einem frühen schriftlichen Geständnis zur Aufklärung beigetragen. Frech plädierte auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs oder acht Monaten.

Was bedeutet „eingriffsbereit“ dastehen?

Auf Freispruch plädierten die beiden Anwälte Ralf Steiner und Fritz Döringer, die jeweils einen der 21-Jährigen vertreten. Es sei nicht klar, wie sich die Gruppe „solidarisiert“ habe und was es heiße, dass sein Mandant „eingriffsbereit“ dagestanden habe, sagte Steiner. Es gebe Urteile, wonach das bloße Zugegensein noch keine Beihilfe bedeute. Wegen dieses Delikts hatte der Staatsanwalt eine einjährige Jugendstrafe auf Bewährung für den damals 20-Jährigen gefordert.

Von einer größeren Gruppe am Tatort geht der Anwalt Fritz Döringer aus. „Nicht alle aus der ganzen Gruppe haben geschlagen“, sagte er. Warum solle sein Mandant unter den Gewalttätigen gewesen sein? Sein Mandant sei von einem Zeugen belastet worden, der bei der Polizei unter Angst ausgesagt habe, ihn am Tatort gesehen zu haben, dies aber später widerrufen habe. Genau das hatte der Staatsanwalt als belastend ausgelegt, die Erstaussage für realistischer angesehen und unter anderem für den 21-Jährigen eine einjährige Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert.