Die Synästhetikerin Jana Elzenbeck versucht ihren Mitmenschen „mittels Fehlfarben ihre eigene Wahrnehmung an die Seite zu stellen“. Foto:  

Gudrun Bernhardt rückt Büchern zu Leibe, Jana Elzenbeck hat ihre ganz eigenen Farben parat.

Marbach - Gudrun Bernhardt zeigt sich als neues Gesicht bei dem abendlichen Kunst-Marathon in der Schillerstadt. Die Diplomarchivarin, die im Deutschen Literaturarchiv in Marbach berufsmäßig mit literarischen Raritäten arbeitet, hat ihre Liebe zum Buch weiter entwickelt und sich dabei künstlerisch nun weniger kostbaren und seltenen Einzelstücken zugewandt. Diesen aber rückt sie finger- und kunstfertig mit der Schere zu Leibe und schneidet aus den einzelnen Papierseiten Motive heraus, die mitunter sogar an Landschaften erinnern. Ob Bäume, Blumen oder Figuren – die schnittige Vielfalt, die das einzelne Buch zum Kunstwerk macht, ist beim Antiquariat Friedrich in der Niklastorstraße 34 als sogenanntes „Diorama“ zu bestaunen und zu kaufen. Ladenbesitzer Birger Laing erinnern die von der Schere beeinflussten Bücher an jene als Dioramen bezeichnete Schaukästen, in denen Szenen mit Modellfiguren und -landschaften vor einem oft bemalten Hintergrund dargestellt werden.

Im Bücherregal des Geschäfts präsentieren sich an diesem Abend die Werke von Gudrun Bernhardt als dreidimensionales Gebilde, die die gesamte Buchtiefe ausnutzen. Sie fungieren dort als einladender und nicht zu übersehender Eyecatcher.

Die Synästhetikerin Jana Elzenbeck versucht ihren Mitmenschen „mittels Fehlfarben ihre eigene Wahrnehmung an die Seite zu stellen“. Soll heißen, die Bilder der Künstlerin sind einerseits, was nämlich die Perspektive und Proportion betrifft, sehr naturnah und keineswegs stilisiert; andererseits erfährt der Betrachter eine neue farbliche Dimension durch den eigenbetonten Pinselstrich Elzenbecks. Denn die syn-ästhetische Künstlerin hat eine zusätzliche neuronale Verbindung zwischen den einzelnen Sinnen und somit auch für Musik, Zahlen oder etwa Monate, ihre ganz eigenen Farben parat, die sie jeweils dafür im Geiste sieht. Deshalb wählt Jana Elzenbeck auch Farbaufträge für ihre Kunstwerke, die andere Betrachter möglicherweise zunächst verblüffen. Und sie weiß, dass ihre Bilder häufig an „verfremdete Fotografien“ erinnern. Solche jedoch, die gleichzeitig ihre eigene Gefühlslage und die Gedanken beim Malprozess aufgreifen und dabei auch Raum für die Interpretationsfreude des Betrachters lassen.

Jana Elzenbeck hat ungemein Spaß „am willkürlichen Tanz der Farben“. Und sie übt damit auch einen Spagat aus: Denn die Malerin will mit ihren unterschiedlich großen Öl- und Acrylbildern, so etwa ein 100 mal 210 Zentimeter großes Triptychon, das Vertrauen in die Sehgewohnheiten ihrer Ausstellungsbesucher aufrecht erhalten und dennoch zu Neuem hinführen. Im Rahmen der Nachtschicht Kunst tut sie das nun mittlerweile schon zum zweiten Mal.

Jana Elzenbecks Bruder Stephen Elzenbeck wird im Schlosskeller mit seiner Gruppe „Batterien Gottes“ ein faszinierendes Gesamtkunstwerk aus Klang und Farbe zu der Veranstaltung beisteuern.