Das Landgericht in Heilbronn hat weitere Zeugen im Prozess gegen einen mutmaßlichen Gewalttäter vernommen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Ihm spritzte das Blut aus der Nase, und er hatte sich mit dem Messer in den Bauch gestochen – trotzdem kämpfte der 26-Jährige aus Marbach in der Wohnung mit Polizisten. Das Landgericht Heilbronn arbeitet den Fall auf.

Marbach/Heilbronn - Was ist am 31. Mai im Detail vorgefallen? Dieser Frage ging das Landgericht Heilbronn am Freitag beim Prozess gegen den 26-Jährigen aus Marbach nach. Die Richter vernahmen am dritten Verhandlungstag weitere Zeugen. So sagten zunächst die Mitarbeiterinnen des Marbacher Rathauses aus. Sie hatte der Angeklagte beschimpft und dabei vier Scheiben zertrümmert.

 

Der 26-jährige Sozialhilfeempfänger wollte an dem Freitag vormittags sein Taschengeld in Höhe von etwa 300 Euro im Rathaus abholen. Er geriet in Rage, als eine der Mitarbeiterinnen erklärte, das er zu früh und dies nicht möglich sei. „Er hat geschrien und hat mit dem Ellbogen Scheiben am Fahrstuhl und im Eingang kaputt gemacht“, sagte eine Mitarbeiterin. Der Aufzug war nach Tritten gegen die Türe nicht mehr benutzbar. Die Stadt Marbach bezifferte den Schaden insgesamt auf 3320 Euro.

Die Verwaltungsbeamtin brachte sich mit ihrer Kollegin in einem Raum in Sicherheit. „Ich hatte Angst“, sagte diese auf Nachfrage des Richters. Es sei das erste Mal, dass der Mann, der seit Jahren sein Geld abhole, rabiat geworden sei. „Er wirkte aggressiv, aber auch abwesend, so als ob er nicht ganz bei sich gewesen wäre.“ Am Montag danach sei er wiedergekommen, und da habe es keine Schwierigkeiten gegeben. Das Hausverbot gegen ihn sei da noch nicht ausgesprochen worden – so habe man ihm das Geld gegeben.

Was ihn denn an dem Tag so mitgenommen habe, wollte der Richter von dem Angeklagten wissen. „Ich habe dringend Geld gebraucht, um bei dem Dealer Schulden zurückzuzahlen“, erklärte der 26-Jährige, der in den Tagen zuvor in der Weinsberger Psychiatrie einem Arzt Faustschläge ins Gesicht verpasst hatte (wir berichteten). Offenbar reichen leichte unangenehme Einflüsse, um den jungen Mann zu erregen. Das belegten auch die Aussagen der Polizisten, die am selben 31. Mai vom Vater des 26-Jährigen in dessen Wohnung gerufen worden waren. Dort hatte er sich mit einem Messer in den Bauch gestochen und sich leicht verletzt. Als zwei Polizisten eintrafen, habe sich der Angeklagte noch durch Zureden beruhigen lassen, sagte ein Polizeiobermeister aus. Die Situation eskalierte erst, als der Notarzt den Pullover des am Boden liegenden am Ärmel zerschnitt, um ihn behandeln zu können. „Da hat sich der Schalter bei ihm auf Rot gelegt und er ist auf den Arzt losgegangen“, sagte ein Polizist, der später eintraf. Offenbar war der Pullover das Geschenk der verstorbenen Mutter und bedeutete dem 26-Jährigen viel, wusste eine Polizistin.

Überhaupt habe sich die Aggression des jungen Mannes nicht gegen die Polizeibeamten gerichtet, sondern nur gegen die medizinischen Kräfte, sagte der Polizeiobermeister, der sich im weiteren Verlauf des Kampfes mit einem eigenen Körpergewicht von 100 Kilogramm auf den überaus kräftig gebauten Angeklagten warf. „Er war überhaupt nicht mehr zu beruhigen, die Rauferei wurde immer wilder.“ Der 26-Jährige habe wegen einer Nasenverletzung stark geblutet, aber die Verletzung durch einen Messerstich habe keine Rolle mehr gespielt. Als er die Waffe des Polizisten an sich nehmen wollte, brachte die Kollegin die Dienstpistole in Sicherheit. Vorher hatte er gerufen: „Gib mir deine Knarre, dann erschieße ich mich.“ Der Prozess wegen zehn Gewaltdelikten wird am 18. Februar mit der Anhörung des Gerichtspsychologen fortgesetzt.