Die Schillerstadt unterstützt die Initiative „Seebrücke“, verweist aber auf die begrenzte Zahl an Plätzen. Deshalb wird die Entscheidung über eine Mitgliedschaft noch aufgehoben.
Marbach - Einig waren sich die Stadträte am Donnerstag, dass man die Menschen, die auf der Flucht nach Europa in Not geraten, nicht im Regen stehen lassen darf. Deshalb sprachen sie sich einmütig dafür aus, dem Vorschlag der Gruppe Puls zu folgen und die Initiative „Seebrücke“ zu unterstützen, die gegen das Sterben im Mittelmeer protestiert und sich dafür einsetzt, dass sich Kommunen zu so genannten sicheren Häfen erklären. Allerdings konnte sich die Mehrheit der Runde nicht dazu durchringen, dem Antrag von Puls vollumfänglich zu folgen und sich auf alle Konsequenzen einzulassen, die mit der Ausrufung zum sicheren Hafen eigentlich verbunden wären – wie speziell die Bereitschaft, über die gesetzliche Quote hinaus Flüchtlinge aufzunehmen. Dazu fehlten derzeit die Kapazitäten, betonte der Ordnungsamtsleiter Andreas Seiberling. Der Gemeinderat stimmte deshalb dafür, über diesen Punkt und die offizielle Mitgliedschaft im Bündnis „Städte sicherer Häfen“ erst in einem halben Jahr abzustimmen.
Die Hoffnung ist, dass spätestens bis dahin auf europäischer Ebene doch noch ein Durchbruch erzielt wird und sich die Regierungen darauf verständigen, wie die hilfesuchenden Menschen auf die einzelnen Staaten verteilt werden sollen. „Wir sollten uns das halbe Jahr Zeit einräumen. Dann wissen wir, ob wir weiteren Druck ausüben müssen, indem wir die Aufnahme über die Quote hinaus beschließen, oder ob wir sagen können: Okay, es läuft in geregelten Bahnen“, erklärte Seiberling.
Hendrik Lüdke von Puls hielt hingegen wenig davon, den Beschluss zu vertagen. „Es geht um Menschen in höchster Not, und insoweit müssen wir eben enger zusammenrücken und an die Bürgerschaft appellieren, Wohnraum zu vermieten, gegebenenfalls Wohncontainer anmieten oder diese hilfsbedürftigen Menschen in Gasthöfen unterbringen“, erklärte er. Außerdem seien es nur wenige Geflüchtete, die die Stadt zusätzlich aufnehmen müsste. „Wir sprechen von einer Zahl von unter zehn Menschen“, pflichtete Sebastian Engelmann von den Grünen bei. Man müsse auch keine Angst haben, dass irgendein Mensch in Not urplötzlich in der Stadt auftauche. Jeder Flüchtling müsse ein rechtsstaatliches Asylverfahren durchlaufen. Engelmann plädierte dafür, dem Puls-Antrag zu folgen. „Wir können damit als Stadt Marbach ein Zeichen setzen, welche Werte uns wichtig sind.“
Für Dr. Michael Herzog von den Freien Wählern wäre es hingegen genau das falsche Signal, jetzt als Kommune über das gesetzliche Kontingent hinaus Flüchtlingen ein Obdach zu bieten. „Wir könnten dann doch Gefahr laufen, den Druck auf die Politik abzubauen“, sagte er. Davon abgesehen sei man gerade nicht einmal in der Lage, die gesetzliche Quote zu erfüllen, weil die Unterkunft in der Heckenstraße nach einem Brand nicht bewohnbar ist. Man möge also der Erklärung zustimmen, aber die Entscheidung über den Beitritt zu dem Bündnis zurückstellen, „bis wir erstens überhaupt dazu wieder in der Lage sind und zweitens, bis die Fronten in Europa hierzu klar abgesteckt sind“.
Heike Breitenbücher von der CDU appellierte ebenfalls an die Ratskollegen, eine europäische Lösung abzuwarten, „danach wissen wir vielleicht, ob wir über zehn Personen reden und ob vielleicht noch mehr auf uns zukommt. Wir müssen einfach wissen, wie wir reagieren müssen und was das auch baulich bedeutet.“ Die Christdemokratin zeigte sich zwar zuversichtlich, dass die Stadt es wie bislang auch schaffen würde, die in Not geratenen Flüchtlinge ad hoc unterzubringen. „Aber im Moment würden wir gerne abwarten.“
Letztlich setzte sich dieser Kurs dann auch durch – was die Verantwortlichen im Rathaus vermutlich durchatmen ließ. Denn Andreas Seiberling verdeutlichte mit Zahlen, wie angespannt die Lage derzeit schon ist. Man habe summa summarum bis 2020 einen Bedarf von 55 Plätzen und selbst inklusive des Heims in der Heckenstraße lediglich 41 frei. Es fehlten also 14 Betten, durch eine natürliche Fluktuation vielleicht auch nur vier. „Das ist die Realität“, sagte Andreas Seiberling. Über kurz oder lang müssten neue Unterkünfte errichtet werden.