Die Schülerinnen Ida Rogel, Lea Liberto und Lina Felix, Zeitzeugin Yvonne Koch und der Konrektor Oliver Stotz (von links) haben die Gedenkfeier mitgestaltet. Foto:  

Die Schüler und Lehrer haben der jüdischen Namensgeberin der Schule gedacht.

Marbach - Es ist seit mehr als zehn Jahren gute Tradition: Marbachs Realschule hält stets am Geburtstag ihrer Namensgeberin eine Gedenkfeier ab. Dieses Jahr hätte Anne Frank am 12. Juni schon 90 Jahre alt werden können – hätten sie die Nationalsozialisten nicht schon als 15-Jährige ermordet. Da der Geburtstag in die Ferienzeit fiel, wurde die Feier verlegt.

Bei schweißtreibenden Temperaturen hat Zeitzeugin Yvonne Koch am Mittwoch die Fahrt von Düsseldorf nach Marbach unternommen und für ihren Einsatz viel Applaus erhalten. Wie schon seit Jahren haben sie und ihr Mann es sich nämlich nicht nehmen lassen, anzureisen, damit Koch einen Tag nach der Gedenkfeier mit den Schülern der neunten Realschul-Klassen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse spricht. Die heute 85-Jährige ist nur wenig jünger als Anne Frank und war zur selben Zeit wie diese im KZ Bergen-Belsen.

Es sollte „eine leise Feier sein“, die den jüngsten Schülern vor Augen führt, wer die junge Tagebuchschreiberin überhaupt war, die der Schule ihren berühmten Namen leiht und deren schriftlich fixierte Gedanken zur Weltliteratur gehören. Deshalb sollte auf Beifall verzichtet werden. Auch, als die drei Schülerinnen aus der neunten  Klasse, Lina Felix, Lea Liberto und Ida Rogel, auf anrührende Weise die vorbereiteten Texte sprachen. Sie nahmen die Zuhörer tief hinein in die damalige Welt einer Schülerin, die als extrem „verschwätzt“ galt. Wegen dieses Charakterzuges musste das Mädchen mehrfach Strafaufsätze, etwa zum Thema „Schwatzliese“, schreiben. Zeilen, die den Lehrer anscheinend belustigt hatten. Mit der Charakterisierung Annes, die „schärfer und klüger gedacht hat als manch ein Erwachsener“ wurde deutlich, dass Anne Frank unter manchen Eigenschaften wohl auch litt.

Sie regten das Mädchen anscheinend an, in ihrem Tagebuch „Gott zu bitten, mir eine andere Natur zu geben, die nicht alle Leute gegen mich aufbringt“. Aber auch die Zeit im holländischen Achterhuis, wo die Familie sich insgesamt zu acht vor den Nationalsozialisten versteckt hielt, lebte wieder auf. Das feinsinnige und von Musik untermalte Programm – unter der neuen Leitung von Eva-Maria Römhild – zeigte zahlreiche Fotografien, darunter die Räumlichkeiten jenes Hauses. Ebenso Aufnahmen aus einer Zeit, als die junge Anne noch unbeschwert war. Doch auch etliche Hassbotschaften, auf Plakaten und Schildern angebracht, die das jüdische Volk damals brandmarkten und schädigten, waren zu sehen. Aussagen wie: „Deutsche wehrt Euch, kauft nicht bei Juden“, oder „Ihr seid nicht erwünscht!“ sollte es niemals mehr geben dürfen, äußerten die Sprecherinnen. „Wir hoffen, dass sich so etwas nie mehr wiederholt. Gegen keinen Menschen, egal woher er kommt“.

Dass die Bilder, ob Hassbotschaften oder solche von brennenden Synagogen, die nur oberflächlich verheilten Wunden im Herzen von Yvonne Koch aufkratzten, war offensichtlich. Der Zeitzeugin ist es dennoch sehr wichtig, jungen Menschen vom eigenen Schicksal und dem der Juden zur damaligen Zeit hautnah zu berichten. Die Fünftklässler haben zudem auch heuer ein Exemplar des Tagebuchs von Anne Frank als Geschenk erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die Gedanken Annes in ihren Herzen fortleben. Ganz so, wie es sich die junge Schriftstellerin selbst immer gewünscht hat.