Wie geht die evangelische Landeskirche in Württemberg mit homosexuellen Paaren um? Wir haben mit Ekkehard Graf, dem Dekan des Evangelischen Kirchenbezirk Marbach gesprochen.
Marbach - Wie geht die evangelische Landeskirche in Württemberg mit homosexuellen Paaren um? Diese Frage gehört für Ekkehard Graf eigentlich nicht zu den wichtigen. Dennoch hat der Dekan des Evangelischen Kirchenbezirk Marbachs seinen Namen für eine Stellungnahme hergegeben – und ist prompt in die Kritik geraten. Graf gehört zu den rund 300 Pfarrern, die schon im Jahr 2017 Nein zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gesagt haben.
Im Frühjahr hatte die Landessynode mit einer Zweidrittelmehrheit die alten Vorgaben gekippt. Pfarrer dürfen jetzt homosexuelle Paare segnen. Allerdings müssen protestantische Seelsorger dies nicht tun, wenn sie das mit ihrem Gewissen nicht für vereinbar halten. Diese, so wird Graf in der Pressemitteilung zitiert, „theologisch äußerst fragwürdige“ Entscheidung brauche „klare Signale aus der Pfarrerschaft, dass sehr viele Theologen die Bibel in der Weise ernst nehmen, dass sie für eine vom Wort Gottes nicht gedeckte Segnung nicht zur Verfügung stehen.“
Die Stellungnahme hatten rund 50 Pfarrer nach einem Treffen vor Ostern in Korntal-Münchingen verfasst. Sie erinnern damit daran, dass sich aktuell rund 335 von 2000 Pfarrer der Landeskirche weigern, Homo-Paare zu segnen.
Verärgert über den neuerlichen Vorstoß ist Klaus Pantle, Pfarrer im Ruhestand aus Stuttgart. Pantle, der sich als Homosexueller seit Jahrzehnten in der Landeskirche für schwul-lesbische Kollegen und Kirchenangehörige einsetzt, hält die Stellungnahme für „heuchlerisch“. Die Gegner positionierten sich auf Kosten der Homosexuellen. Das halte er nach dem Synodalbeschluss für unnötig. „Glauben Sie und Ihre Kollegen im Ernst, dass ein schwules oder lesbisches Paar Sie darum bittet, sie zu segnen?“, fragt er in einem offenen Brief an Dekan Ekkehard Graf, um die Antwort mit einem klar herauslesbaren Nein selbst zu geben: „Wir haben ein sehr gutes Gespür für Menschen, die uns respektieren und solche, die uns verachten, und entsprechend wählen wir auch Kolleginnen und Kollegen aus, die wir um etwas bitten.“
Weil der Dekan zitiert wird, wendet sich Klaus Pantle, der in Marbach aufgewachsen ist und am Friedrich-Schiller-Gymnasium sein Abitur gemacht hatte, direkt an ihn. Die Haltung Grafs hält er für unvereinbar mit dem Geist der Schillerstadt. „Die Deutsche Schillergesellschaft ist seit langer Zeit tief im urprotestantischen Bürgertum der Stadt verankert“, schreibt Pantle und führt aus: „Die von ihr getragenen Marbacher Institutionen bieten permanent Kultur und intellektuellen Diskurs auf allerhöchstem Niveau. Und jetzt präsentiert der noch ziemlich neue evangelische Dekan in Marbach seine Kirche öffentlichkeitswirksam als homophoben Laden. Das, sehr geehrter Herr Kollege Graf, finde ich erbärmlich.“
In seiner Reaktion bezeichnet Ekkehard Graf das Schreiben Pantles als „unflätig“. Graf gibt an, er habe einen „Shitstorm“ mit Aggressionen und bösartigen Unterstellungen erlebt, nachdem Zeitungen die Pressemitteilung „verkürzt“ und „verschärft“ veröffentlicht hätten. Er sei in dieser Frage kein „Aktivist“. Vielmehr sehe er es als positiv an, dass es in der Landeskirche die beiden „widersprüchlichen“ Positionen gebe, „die wir miteinander aushalten und die beide ihre Existenzberechtigung haben“. Allerdings sei zu befürchten, dass die liberalen Kreise der Offenen Kirche „weiterbohren“. Es gehe darum, andersdenkende Pfarrer zu ermutigen, weiter von ihrer Gewissensfreiheit Gebrauch zu machen und auf der Liste anonym unterschreiben zu können. Die Initiative betone zudem „das große Ja Gottes zu allen Menschen“, unabhängig von deren sexuellen Orientierungen.
Genau diese Unterscheidung hält Klaus Pantle für „verlogen“. Er sieht Homosexuelle dadurch diskriminiert. „Man spricht uns die Existenzberechtigung ab“, sagt er und verweist auf die natürliche Gegebenheit der Homosexualität, die letztlich auf Gottes Schöpfung zurückzuführen sei.
Eine solche Begründung lässt hingegen Ekkehard Graf nicht gelten. Er bezweifelt, dass Homosexualität gottgewollt ist und verweist vor allem auf Paulus, der von „Formen der gefallenen Schöpfung“ spricht, wenn er im Brief an die Römer schreibt, dass „die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen“ haben und „in Begierde zueinander entbrannt“ seien „und haben Mann mit Mann Schande getrieben“ (Röm 1,27). Graf sieht im paulinischen Begriff der „Porneia“, der Unzucht, einen Abfall von Gott. Es sei für ihn unvereinbar, eine Verbindung zu segnen, die anhaltend im Zustand der Sünde verhaftet bleibe.
Dass der Staat die „Ehe für alle“ gutheiße, habe tiefe Verunsicherung bei Christen ausgelöst, heißt es in dem Pressetext der 335 Pfarrer. Zumal die Ehe biblisch eindeutig als „lebenslängliche Partnerschaft zwischen Mann und Frau inklusive einer sexuellen Gemeinschaft“ definiert sei, erklärt Ekkehard Graf im Gespräch mit dieser Zeitung. Den gesellschaftlichen Konsens zur „Ehe für alle“ lässt der Dekan als Argument nicht gelten: „Nicht alles, was unser Staat auf demokratischem Weg in Gesetzesform gießt, muss eins zu eins von einer Glaubensgemeinschaft übernommen werden.“ Ekkehard Graf verweist auf die Religionsfreiheit und darauf, dass beispielsweise Schulen großzügig mit islamischen Mädchen verfahren, wenn diese aus religiös-kulturellen Gründen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen.