Die Schüler der Anne-Frank-Realschule Foto: Werner Kuhnle

Die Gedenkfeier an der Realschule zeigt nicht nur den Fünftklässlern: Stärke und Mut sind nie umsonst.

Marbach - Als Anne Frank so alt war wie wir, war sie ein lebenslustiges Mädchen“, sagt die Achtklässlerin Sophia zu Beginn der Gedenkfeier am Mittwoch an der gleichnamigen Marbacher Realschule. Ihren 16. Geburtstag am 12. Juni 1945 hat das jüdische Mädchen nicht mehr erlebt: Anne Frank ist im April, nur wenige Tage vor Kriegsende, im KZ Bergen-Belsen an Typhus gestorben.

Nachdenklich wurde die 13-Jährige durch das zwei Jahre andauernde Leben im Versteck. In ihrem Tagebuch hielt sie ihre Gedanken und Träume fest. Mia, David und Pia lesen in der Gedenkfeier Passagen vor. So erfahren die Fünftklässler von „alltäglichen Schikanen“ durch die Nazis: Juden durften etwa nicht mit der Straßenbahn fahren und konnten nur an zwei Stunden am Nachmittag einkaufen. Als es zu schlimm wird, taucht die Familie unter. „Sie kann keine Freundinnen besuchen, nicht in die Schule gehen, nicht mal an die frische Luft“, erklären die Moderatorinnen Lilly und Sophia die Lage des Mädchens. Im Versteck „durften sie nicht mal husten“, allmählich wird das Leben unerträglich. „Sie muss still sitzen, obwohl sie laufen will, sie muss stumm bleiben, obwohl sie reden will.“

Dennoch verliert Anne Frank nicht den Mut. In ihrem Tagebuch hält sie ihre Träume von Spaziergängen in der Natur fest, sie liest viele Bücher und fängt an, Geschichten zu schreiben. „Ich finde, dass bei jedem Kummer noch etwas Schönes übrig bleibt“, schreibt Anne Frank. Das Mädchen reift schnell zur jungen Frau „mit innerer Stärke und viel Mut“, finden die Schülerinnen. „Sie macht sich viele Gedanken, schärfer und klüger gedacht als von vielen Erwachsenen.“ Annes Geschichte berührt noch heute, das ist das Fazit, das die Achtklässler ihren jungen Schulkameraden mitgeben wollen. Das Tagebuch, das die Fünftklässler von ihren Klassenlehrern überreicht bekommen, ist „ein Schatz an Lebensweisheiten, ein Nachdenken über die Menschheit“.

Ein Wunder ist, es dass das im Versteck geschriebene Tagebuch gerettet werden konnte. Anne Frank war im KZ in den Tod gegangen mit der Befürchtung, dass ihre Aufzeichnungen verloren waren. Dennoch verlor sie nicht den Mut und glaubte bis zuletzt an das Gute im Menschen. Ihr Vater Otto, der einzige Überlebende der Familie, hatte zunächst nicht die Kraft, die Aufzeichnungen zu lesen, war aber später von den tiefen Gedanken und Gefühlen seiner Tochter so überrascht, dass er beschloss das Tagebuch doch noch zu veröffentlichen. „Heute ist es eines der meist gelesenen Bücher der Welt“, stellen Lilly und Sophia fest.

Auch die Fünftklässler der Anne-Frank-Realschule werden das Tagebuch lesen. „Wir versuchen die Ideale der Anne Frank an unserer Schule zu leben“, stellt Lehrer Marcel Strack fest, der die Gedenkfeier organisiert hat. Enroco Lo Bello umspielte die Lesungen und Gedanken sehr gefühlvoll am Flügel. In der „Schule ohne Rassismus“ soll jeder einen Platz haben und sich wohlfühlen. „Wir wünschen uns sehr, dass ihr mitnehmt, dass alle Menschen gleich sind und die gleiche Würde und die gleiche Lebenschance haben“, appelliert Rektorin Monika Mayer-Schumacher an die Schülerinnen und Schüler. Mit der gemeinsam gelesenen Widmung versprechen die Fünftklässler, sich für Verständigung und Frieden in ihrer Schule und in der Welt einzusetzen.