Wer sich beraten lässt, kommt oft um den Gang in eine Notunterkunft herum. Foto: dpa

Neues Programm soll Menschen im Raum Marbach helfen, denen der Verlust der Wohnung droht.

Marbach - Bis vor wenigen Jahren griff die Wohnungslosenhilfe im Landkreis Ludwigsburg Menschen dann unter die Arme, wenn diese bereits in die Obdachlosigkeit abgerutscht waren. Allerdings war es schon lange das Ziel der ökumenischen Initiative, früher anzusetzen, damit es gar nicht so weit kommt, sagte Geschäftsführer Heinrich Knodel am Montag bei einem Pressetermin. Dieser Wunsch ließ sich dank EU-Fördergeldern realisieren. Zur Einführung des Programms im April 2016 beriet man Frauen und Männer aus Ludwigsburg, Kornwestheim, Korntal-Münchingen und Besigheim, denen der Verlust der Wohnung drohte. Nun haben sich 19 weitere Kommunen eingeklinkt – darunter Marbach, Affalterbach, Benningen und Erdmannhausen als Mitglieder des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) der Schillerstadt.

„Die Wohnungslosenhilfe ist vor etwa einem Jahr auf uns zugekommen, ob wir auch hier in Marbach gemeinsam mit dem Gemeinderverwaltungsverband eine Beratungsstelle einrichten könnten. Das haben wir natürlich sofort aufgegriffen. Wenn damit die Obdachlosigkeit zu verhindern ist, muss man das Angebot annehmen“, erklärte Gerhard Heim, der Erste Beigeordnete der Stadt Marbach. Überdies handele es sich um einen sehr preisgünstigen Service. Wegen der hohen Fördersätze müsse der GVV aktuell nur 1100 Euro pro Jahr für das Projekt investieren, das zunächst bis Ende 2020 befristet ist. Würden die vier Kommunen das Ganze danach ohne Zuschüsse stemmen, wären es 20 000 Euro.

Das Geld dürfte gut angelegt sein. Denn die frühzeitige Intervention und Beratung verhindert oftmals den Gang in eine Obdachlosenunterkunft. Genau dort landen die Leute nämlich, wenn sie ihre bisherigen Wohnungen verlassen müssen und keine Alternative finden, erläuterte die Projektkoordinatorin Tamara Palmer. Es sei ein Irrglaube, dass man in Deutschland seine Wohnung nicht verlieren könne. Viele wissen aber auch nicht, was sie dagegen unternehmen können. Für all jene bietet die Wohnungslosenhilfe nun eine Anlaufstelle. Für den Raum Marbach ist Patric Krahl verantwortlich, der jeden Montag im Stadtinfoladen von 10 bis 12 Uhr besucht werden kann. Er steht aber auch außerhalb dieser Sprechzeiten für eine Kontaktaufnahme zur Verfügung. „Wir bieten auch an, nach Hause zu fahren, um die Hemmschwelle so niedrig wie möglich zu halten“, sagte Krahl. Die Betroffenen können selbst direkt auf ihn zugehen, werden aber ebenso über Rathäuser, Jobcenter oder Organisationen, die im Sozialbereich tätig sind, vermittelt.

Bislang wendeten sich die Personen, denen aus Zahlungsunfähigkeit, Kündigung wegen Eigenbedarfs oder anderen Gründen der Verlust der bisherigen vier Wände drohte, oft an die Kommunen selbst. „Wir haben dann versucht zu helfen, aber das ist nur sehr beschränkt möglich, wir können ja nicht als Wohnungs-Vermittler auftreten oder ein Bewerbungstraining machen, das heute dringend notwendig ist“, erklärte Steffen Döttinger, Bürgermeister von Affalterbach. In seiner Gemeinde gebe es rund zehn Anfragen pro Jahr in der Richtung. In Benningen bewegten sich die Zahlen auf einem ähnlichen Niveau, sagte Verena Wilhelm, die Ordnungsamtsleiterin der Neckargemeinde. In Erdmannhausen seien es vielleicht fünf Fälle, ergänzte Birgit Hannemann, die Bürgermeisterin der Brezelkommune. „Aber auch wenn wir kleinen Kommunen wenig Fälle haben: Wir haben sie trotzdem. Deshalb ist es gut, dass wir das über den Gemeindeverwaltungsverband gelöst und eine entsprechende Anlaufstelle haben“, betonte sie. Heim gab zudem zu bedenken, dass sich das Problem wohl verschärfen werde. Schließlich nehme der Druck auf dem Immobilienmarkt zu. Er schätzt, dass aktuell im gesamten GVV-Gebiet 50 bis 100 Aufträge pro Jahr auf die Wohnungslosenhilfe warten dürften – deren Lösungsquote in der Startphase außerordentlich gut war. Von 150 Personen oder Familien, um die sich die Einrichtung kümmerte, konnten 2018 mehr als 80 Prozent in ihrer Wohnung bleiben oder fanden eine andere Bleibe. Geholfen wird unter anderem durch Mediationsgespräche zwischen Mieter und Hausbesitzer, ein Coaching für einen Bewerbungstext, die Einigung auf einen Ratenzahlungsplan für säumige Beträge und eine Vermittlung an eine Schuldnerberatung.