Das freitragende Gitterschalendach Foto: Immanuel Giel

Der einzigartige Leichtbau mit einem filigranen Holzdach des berühmten Stuttgarter Architekten gilt als Kulturdenkmal. Er müsste dringend saniert werden – doch der Stadt sind die Kosten von fast zwölf Millionen Euro zu hoch

Mannheim - Für Fachleute war die Multihalle, die 1975 im Mannheimer Herzogenriedpark anlässlich der damaligen Bundesgartenschau errichtet worden ist, von Anfang an eine architektonische Sensation. Ursprünglich nur als temporäres Bauwerk gedacht, ließ man die luftig-leichte Halle mit dem schwungvollen freitragenden Gitterschalendach des Stuttgarter Architekten und Pritzker-Preisträgers Frei Otto nach der Schau gerne stehen, um sie weiter für Veranstaltungen und Aktivitäten aller Art zu nutzen. 1998 wurde die Halle dann als weltweit größte Konstruktion ihrer Art und wichtiges Beispiel für die Epoche des Leichtbaus in den Rang eines Kulturdenkmals erhoben.

Dessen ungeachtet hat die Stadt Mannheim nicht allzu viel für deren Unterhalt getan und sich nie ernsthaft um eine tragfähige Nutzung der in Fachkreisen als „Wunder von Mannheim“ gerühmten Halle bemüht. Seit Jahren mehren sich die altersbedingten Schäden an der filigranen Konstruktion. Durch die poröser werdende Dachhaut gelangt Feuchtigkeit in die Holzgitter; weil davon längst auch tragenden Teile betroffen sind, musste die Halle 2011 aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Seither besteht, wie der Oberbürgermeister Peter Kurz schon vor vier Jahren erklärte, „akuter Handlungsbedarf“.

Die Instandsetzung soll fast zwölf Millionen Euro kosten

Tatsächlich voran geht es aber nur langsam. Noch vor zwei Jahren rechnete man im Rathaus mit einem Sanierungsaufwand von etwa fünf Millionen Euro und fasste einen Grundsatzbeschluss für die Erhaltung. Inzwischen hat ein Ingenieurbüro aber deutlich höhere Kosten ermittelt. Mindestens 11,6 Millionen Euro sollen demnach die Instandsetzung und eine für nötig erachtete technische Aufrüstung kosten. Angesichts dieser Summe hat die Verwaltungsspitze dem Gemeinderat nun den Abriss des Bauwerks nahegelegt.

Eine Generalsanierung sei angesichts der Kosten-Nutzenverhältnisse nur „von privater Seite und ergänzend von Bund und Land zu finanzieren“, für die Stadt sei die Erhaltung der Halle „wirtschaftlich nicht zumutbar“, heißt es in einer Vorlage für den Gemeinderat. Dem Mannheimer Steuerzahler seien Kosten dieser Dimension nicht zu vermitteln, erklärte Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD).

Am Dienstag, 14. Juni, soll der Gemeinderat eine Entscheidung treffen. Bereits die vorbereitende Ausschusssitzung machte deutlich, dass die große Mehrheit der Meinung der Verwaltung ist, wonach die Erhaltung der Halle „aus architekturhistorischen Gründen“ nicht Aufgabe der Stadt sei und man sich – wenn sich keine privaten oder staatlichen Geldgeber fänden – von ihr trennen müsse. Bis Ende des kommenden Jahres, so der Vorschlag, woll man sich noch eine Art Gnadenfrist für die Suche nach „alternativen Finanzierungskonzepte“ einräumen. „Lässt sich dies bis dahin nicht realisieren, bleiben nur Dokumentation und Rückbau“, heißt es in der Vorlage.

Die Architekten erwägen einen Antrag bei der Unesco

Demgegenüber hat sich die Mannheimer Architektenschaft klar für den Erhaltung der Multihalle ausgesprochen. Die Stadt habe eines ihrer wenigen international bekannten Gebäude „zu lange sträflich vernachlässigt“, meinte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Architekten (BDA). Der Verein der Architekten und Ingenieure Rhein-Neckar hat dem OB seine Unterstützung angeboten und empfohlen, für die Multihalle und gleichzeitig für das Münchner Olympiadach von Frei Otto einen Antrag auf Anerkennung als Weltkulturerbe bei der Unesco zu stellen. Für die Nutzung der Halle gebe es ein „großes Potenzial“, heißt es in einem offenen Brief des Vereins. Möglich seien zahlreiche witterungsgeschützte Sport- und Spielaktivitäten. Die Stadt könnte sich dort aber auch mit einer Mobilitätsausstellung - von der Kutsche bis zum Automobil und vom Aufzug bis zu verschiedenen Landmaschinen – als Erfinderstadt präsentieren.

„Auch wenn die Sanierung aus dem Stadtbudget nur schwer vorstellbar ist, kann die Alternative nur sein, den Bestand zu sichern und den weiteren Verfall stoppen, um Zeit für die Suche einer Lösung zu gewinnen – nicht aber der Abriss, der einzigartigen Halle“, erklärte auch Lothar Stöckbauer, der Vorsitzende des Vereins Stadtbild, der sich seit Jahren ideell und finanziell stark für den Denkmalschutz in Mannheim einsetzt. Ein Zeitraum von 15 Monaten sei aber viel zu kurz für ein Konzept und die Investorensuche, meint er. „Allein die Fristsetzung bis Ende 2017 zeigt, dass die Stadt in Wahrheit nur den Abriss will“, sagt er.