Der Prozess gegen einen 22-Jährigen aus Murr ist eingestellt worden. Foto: imago images/Jan Huebner/Blatterspiel via www.imago-images.de

Der Vorwurf war schwerwiegend: Wegen Landfriedensbruch musste sich ein junger Eishockey-Fan aus Murr vor Gericht verantworten. Er hatte vor einem Spiel in Heilbronn randaliert.

Der Mann auf der Anklagebank des Marbacher Amtsgerichts macht einen seriösen Eindruck. Schwarzer Pulli über einem weißen Hemd, nachdenklicher Blick durch eine modische Brille. Man mag es kaum glauben, dass dieser junge Mann Teil einer Horde wild gewordener Fans der Bietigheim Steelers war, die vor einem Zweitligaspiel im Januar 2020 in Heilbronn einen Angriff auf Anhänger des Liga-Rivalen Heilbronner Falken gestartet hatte. Doch genau das wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, die Anklage lautet auf Landfriedensbruch.

Fans der Steelers waren teils maskiert

Danach zogen am 19. Januar 2020 knapp 50 Steelers-Fans drei Stunden vor Spielbeginn zur damaligen Gaststätte Doppelpass in Heilbronn, wo sich üblicherweise Anhänger der Heilbronner Falken aufhalten. Die zum Teil maskierten Bietigheimer provozierten die gegnerischen Fans mit Geschrei und warfen Klappstühle auf die Gaststätte, wobei ein Fenster, einiges an Mobiliar und Gläser zu Bruch gingen. Nur durch das besonnene Verhalten der Heilbronner Fans und der Gaststätten-Mitarbeiter wurde eine Eskalation verhindert. Der Schaden betrug nach Angaben der Gaststätten-Betreiberin 5000 Euro.

Die Steelers-Fans zogen dann weiter zu einer anderen Kneipe, wo die Polizei ihre Personalien feststellte. So kam auch der 22-Jährige aus Murr ins Visier der Ermittlungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, einen Stuhl auf ein Fenster geworfen zu haben, das dabei zu Bruch ging.

Vor Gericht gibt sich der Angeklagte demütig

Vor Amtsrichter Ulf Hiestermann gab sich der junge Mann demütig. Unumwunden räumt er über seinen Anwalt ein, bei dem Geschehen dabei gewesen zu sein. „Er hat sich zu dieser Aktion, die ziemlich daneben war, hinreißen lassen“, erklärte sein Verteidiger Ralf Peisl. Er legte aber Wert darauf, dass er nicht vorhatte, jemanden zu verletzen, sondern nur Lärm machen wollte. Auch habe er mit seinem Stuhlwurf kein Fenster zerstört, das sei schon kaputt gewesen. Sein Stuhl sei auf Tische vor der Gaststätte geflogen.

„Aus heutiger Sicht würde ich die Sache gern ungeschehen machen“, sagte der 22-Jährige. Diese Aktion sei ihm eine Lehrstunde gewesen, meinte der junge Mann, der mittlerweile ein Studium zum technischen Betriebswirt abgeschlossen hat. Er habe sich von einem Gruppengefühl mitreißen lassen.

Die Gaststätten-Betreiberin zeigte sich im Zeugenstand versöhnlich und nahm die Entschuldigung des Angeklagten an. „Das sind alles junge Leute“, sagte die Frau. Sie habe die Gaststätte damals zwar schließen müssen, weil die Gäste Angst gehabt hätten. Da in der Folge aber die Corona-Pandemie ohnehin zu längeren Schließungen geführt hatte, habe sie die Räume renoviert und mittlerweile unter neuem Namen eröffnet.

Der Richter schlug daher vor, das Verfahren einzustellen, sofern der Angeklagte innerhalb von drei Monaten 1000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich an die Gaststättenbetreiberin zahlt. „Es war eine jugendtypische Episode, der Angeklagte hat sich von seinem schlechten Freundeskreis getrennt“, erkannte die Staatsanwältin an. Eines gab Hiestermann dem Murrer mit auf den Weg: „Bei der Schwere der Tat wäre der Prozess nicht eingestellt worden, wenn das Geschehen nicht schon fast drei Jahre zurückliegen würde und Sie sich so gut entwickelt hätten.“