Maximilian ist ein sehr ausgeglichenes Baby, was für Extremfrühchen eher ungewöhnlich ist. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Maximilian hat die ersten vier Monate seines Lebens auf der Intensivstation verbracht – nun rückt die Entlassung näher. Doch es gibt ein Problem: die Einzimmerwohnung der Eltern ist viel zu klein. Eine Entlassung dorthin sei nicht möglich, heißt es im Olgäle.

Stuttgart - Friedlich liegt Maximilian in seinem Bettchen, saugt leicht an einem mit Milch getränkten Wattestäbchen. Das macht ihn zwar nicht satt, aber schon der Geschmack hat eine beruhigende Wirkung. Der Junge wurde vor zwei Tagen am Darm operiert, deshalb erhält er gerade kaum Nahrung. Aber den Stress der OP hat Maximilian erstaunlich gut weggesteckt. Er sei schon immer sehr ausgeglichen, sagt seine Mutter Awais H.. Sie ist stolz auf ihren kleinen Kämpfer, der alles so gut meistert.

Maximilian kam am 11. September mitten in der 24. Woche, also viel zu früh, auf die Welt. Er wog nur 475 Gramm. Seither liegt er auf der Neugeborenenintensivstation des Olgahospitals. Weil sich der Junge so gut entwickelt hat – er gehört nun zu den größten auf der Station – , war die Entlassung für Ende Januar geplant. Aufgrund der akuten Darmprobleme verzögere sie sich nun um ein bis zwei Monate, berichtet Mutter Awais. Eigentlich wünschen sie und ihr Mann Rayan nichts sehnlicher, als ihren Sohn endlich mit nach Hause zu nehmen. Doch wie soll das nur gehen? Diese Frage stellen sich nicht nur die Eltern.

Vater arbeitet nachts und muss tagsüber schlafen können

Das Ehepaar wohnt in einer Einzimmerwohnung – 15 Quadratmeter plus ein kleines Bad. Dorthin sei eine Entlassung nicht vertretbar, das machen die für die Familie zuständige Entlassmanagerin Sonja Hamm und auch die Psychologin Bärbel Bodenheimer, die auf der Intensivstation ihr Büro hat, deutlich. Schon mit einem gesunden Baby wäre ein Leben zu dritt auf so engem Raum schwierig – aber mit krankem Kind? „Das ist eigentlich unmöglich“, sagt Bärbel Bodenheimer.

Der kleine Max habe wie vieleExtremfrühchen noch eine schwache Lunge. Er werde auch nach der Entlassung zumindest nachts Sauerstoff benötigen und per Monitor überwacht werden müssen, erklärt Sonja Hamm, die von Haus aus Fachkinderkrankenschwester ist. Für die Geräte und das medizinische Material sei in der Wohnung kein Platz. Maximilian wird über eine Sonde ernährt. „Magensonden kann man nur im Hunderterpack bestellen“, das könnten die Eltern nicht lagern.

Abgesehen davon: Die Familie habe Anspruch auf eine ambulante Kinderkrankenpflege, die die Mutter entlastet. Doch in so beengten Verhältnissen funktioniere das nicht, auch die Hilfe brauche Raum. Zumal Vater Rayan nachts arbeitet – in Vollzeit im Sicherheitsgewerbe. Er muss tagsüber schlafen können. Es helfe nur eine größere Wohnung, meinen die Psychologin sowie die Entlassmanagerin.

Bleibt nur Verlegung in eine Reha-Klinik?

Sie suchten schon länger eine größere Wohnung, berichtet Awais H.. Sie hat vor der Geburt als Verkäuferin gearbeitet, stammt wie ihr Mann aus dem Irak, beide sind Christen. Sie beziehen keine Sozialleistungen. 1000 Euro warm könnten sie zahlen, vielleicht auch 100 Euro mehr, sagt Rayan, der einen deutschen Pass hat. Doch der Wohnungsmarkt in Stuttgart ist bekanntlich umkämpft. Und seit Maximilians Geburt fehlen den beiden Zeit und Energie für die Wohnungssuche. „Ich muss doch bei meinem Kind sein“, sagt die 23-jährige Mutter. Von früh bis spät ist sie im Olgäle. Sie gibt ihrem Sohn Medikamente, redet mit ihm, lässt ihn ihre Wärme spüren. Sonja Hamm bezeichnet die Eltern als „engagiert bis unter die Wurzelspitzen“. Auch Rayan hat trotz seiner Nachtarbeit noch kein Arztgespräch verpasst. „Das muss sein“, sagt der 38-Jährige.

Das Amt für Stadtplanung und Wohnen wurde vom Olgäle informiert, auch über die medizinische Dringlichkeit in dem Fall. Bisher sei nichts in Aussicht, so Hamm. Zwei Jahre Wartezeit soll man ihr gegenüber als Richtschnur genannt haben. In der Kinderklinik, das sei klar, könne Maximilian nicht auf Dauer bleiben, so die Entlassmanagerin. „Wir sind ein Akutkrankenhaus und haben ohnehin einen Platzmangel“, sagt auch Bärbel Bodenheimer. Bliebe erst mal nur die Verlegung von Mutter und Sohn in eine Rehaklinik außerhalb der Region. Für die Entwicklung des Kindes wäre es aber besser, wenn er nicht mehr in einem Krankenhaus sein müsste – zumal die Familie dadurch getrennt würde, betont Hamm.

Die Familie ist der Entlassmanagerin ans Herz gewachsen

„Er ist so ein süßer Kerl, ich habe selten ein Frühchen erlebt, das so entspannt und ausgeglichen wirkt“, sagt sie über Maximilian. Der Kleine ist ihr ans Herz gewachsen – seine Eltern auch. Manche Eltern mache die Sorge um ihr Kind aggressiv, doch bei den beiden sei das anders. Sie vergriffen sich nie im Ton. „Sie sind immer so ruhig, ich bewundere sie wirklich“, sagt die frühere Kinderkrankenschwester. Sie hofft, dass die Entlassung noch ein gutes Ende nimmt und anders verläuft als im Fall einer Familie mit Zwillingen. Deren Wohnung war zwar größer als die der H.s, aber völlig verschimmelt. Dabei sei der eine Säugling ausgerechnet lungenkrank. Die Familie, so hat sie es gehört, habe bis heute keine neue Bleibe.