Rainer Fettimg in Schloss Gottorf – von 19. Mai an auch für das Publikum geöffnet Foto: Stiftung SHL

Malerstar Rainer Fettings Retrospektive „Here are the Lemons“ auf Schloss Gottorf war als Großereignis geplant. Was bleibt davon? „Stuttgarter Nachrichten“-Autor Nikolai B. Forstbauer hat nachgefragt.

Stuttgart - Insgesamt vier Jahre hat Rainer Fetting auf die Ausstellung „Here are the lemons“ in den Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen hingearbeitet. International war die Gästeliste für die Eröffnung. Diese aber fiel nun aus. „Das tut schon weh“, sagt Fetting.

Zurück in Sylt

Rainer Fettings Stimmung könnte besser sein. „Auf der Insel habe ich gerade Stress mit Sturmschäden“, sagt er. Die „Insel“ – das ist Sylt. Anfang der 1970er Jahre kam er erstmals dorthin, längst ist dem Berliner die Insel zur zweiten Heimat geworden. Die rauen Tage mag er besonders.

Stellt er sich gerne in den Wind? „Ach“, sagt Fetting, „darum geht es doch gar nicht“. Sondern? „Um meine Bilder“. Ob die Straßen- und Clubszenen in Berlin und New York aus den 1970er und frühen 1980er Jahren, ob die immer wieder zentralen Porträts oder das Erleben der sich ständig verändernden Nordsee-Landschaften: Fetting zoomt alles und alle heran, nutzt das grelle Licht der Nacht wie das des Tages.

„Zu viele Wochen“ konnte Fetting nicht nach Sylt. „Ich habe mich“, sagt er, „in Berlin schon etwas zurückgezogen, weil ich ja nicht nach Sylt durfte. Was mir doch sehr schwer gefallen ist“. Der Maler reagiert darauf mit seinen eigenen Mitteln: „Zuletzt“, sagt er, „habe ich Pelikane gemalt, die für mich für Freiheit und Aufbruch stehen wie kaum ein anderer Vogel“.

Die Retrospektive

Im Ausstellungswesen sorgt das Wort Retrospektive für Glanz. Beansprucht wird die gültige Bestandsaufnahme eines Gesamtwerks. Vor vier Jahren formuliert Christian Walda, Kurator der Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen, ein Ziel: eine Fetting-Retrospektive auf Schloss Gottorf in Schleswig. Daten und Sachstände ändern sich. Das Projekt bleibt und nimmt, seit fast zwei Jahren unter Leitung von Uta Kuhl, mit internationalen Leihgaben Form an.

Zur geplanten Eröffnung am 24. April aber bleiben die Türen zu. In der Corona-Krise sind die Museen geschlossen. „Frustriert“, sagt Rainer Fetting, „war ich hauptsächlich, dass seit langem eingeladene Gäste wie Model Desmond Cadogan und alte Wegbegleiter aus den 1980er Jahren, Autoren und Redner Norman Rosenthal und Künstlerfreunde wie Demosthenes Davvetas, zur Eröffnung nicht kommen konnten, auch nicht Galeristen und Sammler. Auch deren Frust darüber geht mir nahe.“

Von 19. Mai an ist „Rainer Fetting – Here are the Lemons“ nun in Gottorfs großer Halle zu sehen. Medienvertreter waren am vergangenen Montag zu Gast. „Wäre ja super, wenn viele Menschen jetzt eine Sehnsucht nach Kunst entwickelt haben“, sagt Fetting beim Rundgang.

Uta Kuhl hat Dialogräume geschaffen, ruft Themen auf, in denen sich Fetting über Jahrzehnte hinweg bewegt. Ein Konzept, das durch den der Hygiene-Verordnung folgenden Aufruf zum linearen Ausstellungsbesuch konterkariert wird. Uta Kuhl aber rückt anderes in den Blick: „Wir alle leben seit Wochen in eigentümlicher Distanz. Umso mehr entwickeln gerade die Bilder von Rainer Fetting einen eigenen Sog.“

Kurs halten

Haben die Corona-Debatten um soziale Distanz, Freiheit und Beschränkung kurzfristig noch zu Veränderungen in der Werkauswahl geführt? „Nein“, sagt Fetting, „ausgetauscht wurden natürlich keine Bilder. Warum sollten sie auch? Ich reagiere nie plump auf Stimmungen, auch nicht in einer Krise. Meine Bilder ergeben sich aus konstanter Arbeit an meinen Bildern.“

Und am Montag präzisiert der Maler: „Vor langer Zeit habe ich mir angewöhnt, mich auf das nächste, ein neues Bild zu konzentrieren, wenn mir klar wurde, besser wird es nicht. Und perfekt wird dieses Bild auch nicht. Dann ist es fertig und macht Platz für die Arbeit an einem neuen Bild. An einem, das dann hoffentlich das perfekte Bild, das bessere Bild wird.“

Der Mann in der Badewanne

Mit gutem Grund bleibt der Maler Fetting in Gottorf im Mittelpunkt. Doch Uta Kuhl gelingt im Gegenüber der eindringlichen Desmond-Porträts mit der in New York entstandenen großen Bronze-Arbeit „Man in Bathtub (Desmond)“ (1986) eine Neubestimmung. Man erlebt eine Selbstverständlichkeit und eine Eindringlichkeit, die einem anhaltenden Echo gleich auch jene Bilder weit in die erste Reihe der Gegenwartskunst rückt, die der Entschiedenheit des ersten Strichs vertrauen – einem Bild etwa wie „Skater (Venice Beach)“, das die Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs aktuell in ihrer Schau „Fernweh“ präsentiert.

Zeiten und Preise

„Rainer Fetting – Here are the Lemons“ ist von 19. Mai bis 18. Oktober in den Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen/Schloss Gottorf zu sehen (Di-Fr 10-17, Sa und So 10-18 Uhr). Im Anschluss bei den Dortmunder Kulturbetrieben. Eintritt: 9 Euro (ermäßigt 7 Euro). Der Katalog (Michael Imhof Verlag) kostet 29,90 Euro .

„Fernweh“ mit Werken von Rainer Fetting, Ruprecht von Kaufmann und Jan De Vliegher ist in der Galerie Thomas Fuchs in Stuttgart (Reinsburgstraße 68A) zu sehen.