Nadja Uhl in der Rolle der Mutter des "Dschungelkinds". Foto: 2010 Ufa Cinema

Für viele ein Traumziel, Sabine Kuegler wuchs im Dschungel auf. Ihr  Leben wird nun verfilmt.

Für viele ist er ein Traumziel, Sabine Kuegler ist im Dschungel aufgewachsen. Im Regenwald von Malaysia wird das Leben vom "Dschungelkind" verfilmt.

In einem knappen Lendenschurz aus braunem Leder hockt Häuptling Lavulu vor seiner Hütte. Ein breites Band aus Federn schimmert silbrig auf seinem Kopf, in der Hand hält er Pfeil und Bogen. Vom Holzbalken über ihm hängt eine Bananenstaude mit halbreifen Früchten, im Halbschatten daneben ein gruseliges Mobile aus Schädelknochen, aus der Ferne sind dumpfe Trommelklänge zu hören.

Plötzlich steigt weißer Rauch hinter der Hütte auf, es riecht kitschig süß nach Mottenpulver. Häuptling Lavulu verzieht das Gesicht, steht auf und zieht ein rotes T-Shirt über. "Dieser Theaterqualm riecht wirklich fürchterlich", sagt er. Dann holt er eine Cola light aus der Kühlbox, packt einen Müsliriegel aus und macht es sich auf dem Klappstuhl neben dem Ventilator bequem.

Umbaupause am Set von "Das Dschungelkind" im Urwald von Malaysia. Sechs Wochen lang verfilmt die Ufa Cinema den Bestseller von Sabine Kuegler. In der Biografie, die weltweit mehr als 1,2 Millionen Mal verkauft wurde, beschreibt die Münchener Autorin ihre Kindheit beim Stamm der Fayu in Indonesien. Im Alter von fünf Jahren zog sie mit ihren Eltern, die als Missionare arbeiteten, in den Dschungel von West Papua, fern der modernen Zivilisation.

In den abgelegenen Wäldern leben die Menschen noch wie vor 10000 Jahren. In der Welt der Fayu gibt es kein fließendes Wasser, kein Geld, keine Schrift. Das Essen wird mit allen geteilt, einfache Kleidung wird aus Baumrinde und Fellen hergestellt, wichtige Nachrichten von einem Horchposten zum nächsten durch den Wald gerufen und so über viele Kilometer hinweg verbreitet. Erst im Alter von 17 Jahren verlässt Sabine Kuegler den Dschungel und kehrt zurück in die Zivilisation. Später schreibt sie ihre Erinnerungen auf, die jetzt fürs Kino umgesetzt werden. Ende 2010 soll der Film zu sehen sein.

Aus logistischen Gründen wird nicht auf der indonesischen Insel im fernen Pazifik gedreht. Stattdessen wurde, vier Autostunden von Kuala Lumpur entfernt, im weitgehend malariafreien Taman Negara National Park, das Dorf der Ureinwohner nachgebaut. Doch auch hier lässt sich erahnen, was für ein Abenteuer das Leben des "Dschungelkinds" war. Morgens, wenn die Sonne noch niedrig steht und der Nebel aus dem Regenwald emporsteigt, werden die Schauspieler und die Crew mit Langbooten vom Hotel abgeholt und den breiten, braunen Fluss hinauf zum Drehort gefahren. Nadja Uhl und Thomas Kretschmann, die die Eltern von Sabine (Stella Kunkat) spielen, sitzen verschlafen auf den schmalen Holzlatten und tuckern vorbei am grünen Dickicht des eineinhalb Millionen Jahre alten Waldes. Urwaldriesen ragen majestätisch in den Himmel, Affen schwingen durch die Wipfel, Vögel kreischen. An einer Lichtung, nach der nächsten Flussbiegung, kommt ein Dorf in Sicht. Auch in Taman Negara gibt es Ureinwohnerstämme, die Orangaslis. Während die Männer im Wald jagen gehen, die Frauen Früchte sammeln und sich um den Haushalt kümmern, planschen die Kinder nackt im Fluss und winken aufgeregt den Booten zu.

Kein gestelltes Bild für die Kamera. Nadja Uhl winkt zurück. Zwar ist die Region touristisch gut erschlossen, aber von den großen Massen ist dieser verträumte Ort noch verschont geblieben. Wenn die Dreharbeiten beendet sind, bleiben die Filmhütten stehen, und die Orangaslis werden hier einziehen, so wurde es zwischen dem Stammeshäuptling und dem Regisseur Roland Suso-Richter vereinbart. In Zukunft sollen auch Tagestouristen hier an Land gehen, um die Traditionen der Ureinwohner kennenzulernen.

Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 80 Prozent. Trotz des Fahrtwinds beginnen die Kleider am Körper zu kleben, jeder Schritt ist anstrengend. "Man darf hier wirklich nicht zimperlich sein", sagt Nadja Uhl und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Wir haben hier alle mehrere Kilo abgenommen. Aber indem man an seine Grenzen geht, lernt man sich viel besser kennen. Doch nach einer Weile dominieren ganz andere Eindrücke: die Begegnung mit den Papuas, die Ruhe oder die gewaltigen Naturschauspiele."

Um möglichst viel indonesisches Flair nach Malaysia zu bringen und die Szenen so authentisch wie möglich darzustellen, wurden die 85 Eingeborenendarsteller in Papua gecastet. Sabine Kuegler ist als Beraterin beim Dreh dabei und studiert mit den Laienschauspielern die alten Kriegstänze der Fayu ein. Sie stampft auf den Boden, wirft die Arme in die Höhe, dreht sich ekstatisch im Kreis.

"Unsere Schauspieler aus Papua kennen und pflegen zwar die alten Traditionen ihrer Stämme", erklärt sie, nimmt einen Tausendfüßler vom Boden auf und lässt ihn den Arm hochmarschieren. Aber echte Kinder des Dschungels, das seien sie eben nicht mehr. "Die meisten leben in der Stadt. Das hat den Vorteil, dass alle fließend Englisch sprechen und wir uns gut verständigen können."

Die heute 37-Jährige genießt den Ausflug in den Urwald. "In Pagua ist der Regenwald dunkler und niedriger als hier", erklärt sie. "Hier ist die Artenvielfalt größer, und ich staune über diese herrlichen Urwaldriesen – außerdem gibt es hier nicht so viele Mücken. Das ist eine Wohltat." Voller Eifer erklärt Sabine Kuegler den Maskenbildnerinnen, dass der graue Schlamm aus dem Fluss viel besser zur Bemalung taugt als die teure Schminke aus den Tuben und Tiegelchen. In den Pausen trinkt sie lauwarmes Grass Jelly – ein sehr beliebtes Getränk mit glibberigen Geleestückchen, das nach Zucker, Erde und etwas Kokosnuss schmeckt. Für den europäischen Gaumen eine echte Herausforderung.

Viele Jahre, nachdem sie dem Dschungel den Rücken gekehrt hat, ist es für Sabine Kuegler immer noch nicht einfach, sich den Lebensweisen der westlichen Welt anzupassen. Oft fühlt sie sich wie eine Außenseiterin. Sie lebt mit ihren drei Kindern, einem Freund und dessen Mutter im bayrischen Freising. "Ich musste so viel lernen", sagt Sabine Kuegler. Als junge Frau hatte sie panische Angst vor Autos, wusste nicht, wie man Zug fährt, und war überfordert vom reichhaltigen Angebot im Supermarkt. "Obwohl ich mir viel Mühe gebe, so zu sein wie alle anderen, ecke ich dennoch an. In Deutschland wird großer Wert auf Individualität gelegt – ich dagegen bin eher ein Herdentier. Ich bin es gewohnt, alles zu teilen, und Distanz zu Menschen, die ich mag, ist mir fremd."

Keine Frage, Sabine Kuegler ist das "Dschungelkind" geblieben. Während des Drehs ist sie in ihrem Element. Barfuß, ohne Angst vor Schlangen, Insekten und den zahlreichen Blutegeln, läuft Sabine Kuegler unbeschwert durch das Laub. Als es gegen Mittag zu regnen beginnt, stellt sie sich mit ausgebreiteten Armen auf die Lichtung. "Das ist wunderbar erfrischend", ruft sie. Häuptling Lavulu lächelt und drückt den Knopf am Ventilator – Maximum Power.

Weiter Infos

Preise
In Malaysia ist der Lebensstandard im Vergleich zu vielen anderen südostasiatischen Länden sehr hoch. Die Straßen sind gut ausgebaut, das Verkehrssystem funktioniert besser als an vielen anderen Orten. Überall gibt es Bankautomaten, an denen Sie – wie in Deutschland – am besten mit der EC-Karte Geld abheben können.

Übernachtung 10 bis 250 Euro
Saté-Spieß mit Erdnusssoße 0,50 Euro
Kleines Bier 1,30 bis 2 Euro

Reisezeit
Ganzjährig – auch in der Regenzeit (Mitte November bis Mitte Mai) regnet es nie den ganzen Tag, nach heftigen Schauern scheint schnell wieder die Sonne. Nur die Inseln an der Ostküste der Halbinsel sollte man in dieser Zeit meiden. Der Seegang ist zu hoch, so dass man nicht baden kann; die meisten Hotels sind geschlossen.

Unterkunft
Im Regenwald: Im Dschungel, dreieinhalb Stunden Fahrt von der Hauptstadt Kuala Lumpur entfernt, liegt das Mutiara Taman Negara Hotel. Von der Straße setzt man mit einem kleinen Motorboot über auf das Hotel-Areal. Die kleinen, komfortablen Holzhütten liegen mitten im Regenwald. Eine Übernachtung kostet für 2 Personen ab 75 Euro. www.malaysiaforestresorts.com
Weitere Infos: www.tourismmalaysia.de. Bei der Hotelsuche hilft www.tourism.gov.my

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten Sie eine Dschungeltour machen. Der Urwald des Taman Negara National Park ist 130 Millionen Jahre alt und das Zuhause von mehr als 10000 Spezies. Ein Abenteuer ist der Lauf über die langen Hängebrücken des canopy walkways – dort schwebt man in den Wipfeln der Urwaldriesen und hat einen gigantischen Blick über den Wald. Auf keinen Fall sollten Sie in der Nähe von Sehenswürdigkeiten mit Fremden mitgehen, die vorgeben, gerade von Bruder, Tante oder Cousin versetzt worden zu sein. Eine beliebte Masche, um Touristen anschließend in überteuerte Souvenirläden zu schleppen und hinterher Geld für die Tour zu verlangen. Und Sie sollten Durian, eine in Asien sehr beliebte, aber schlimm stinkende Frucht, nicht auf dem Hotelzimmer essen. An den Geschmack muss sich der europäische Gaumen erst gewöhnen – den Geruch finden selbst Asiaten nur schwer erträglich.