Die deutsche Sportlerin Malaika Mihambo. Sie wird künftig von einem der größten Leichtathleten der Sportgeschichte trainiert - vom neunmaligen Olympiasieger und achtmaligen Weltmeister C. Lewis. Foto: dpa/Soeren Stache

Ausgerechnet jetzt in die USA: Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo will künftig in Houston trainieren. Zur Corona-Krise und den politischen Unruhen in den Staaten äußert sie sich nicht, aber zu ihrem künftigen Coach Carl Lewis.

Berlin/Oftersheim - Die „Sportlerin des Jahres“ Malaika Mihambo kehrt mitten in der Corona-Krise dem Deutschen Leichtathletik-Verband den Rücken und wird künftig bei Carl Lewis in den USA trainieren. Die Entscheidung der Weitsprung-Weltmeisterin ist für den DLV eine Ohrfeige. Auch Topläuferin Konstanze Klosterhalfen (Oregon) und Sprint-Ass Gina Lückenkemper (Florida) haben ihre Trainingscamps in den Staaten. Die zweifache Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler kann Mihambos Schritt hingegen nachvollziehen.

„Sie sucht die Besten der Welt, kann ich schon verstehen. Sie ist jung und sucht ihren eigenen Weg“, sagte die 55-Jährige am Montag der Deutschen Presse-Agentur. „Ich kenne jetzt auch nicht alle Gründe, was sie zu dieser Entscheidung geführt hat. Vielleicht muss sich auch der DLV etwas mehr anstrengen, um Athleten wie Maleika zu halten.“ Drechsler ist ein Vorbild für Mihambo. Sie habe sich vor Wettkämpfen mit Videos von „großen Momenten“ von Lewis, Drechsler und dem Weitsprung-Weltrekordler Mike Powell inspirieren lassen, sagte sie mal.

Mihambo begründet ihre Entscheidung

Die 26 Jahre alte Athletin von der LG Kurpfalz und der neunmalige Olympiasieger und achtmalige Weltmeister Lewis hatten sich vor einigen Wochen bei einem Online-Termin kennengelernt. Im August will die 7,30-Meter-Springerin nach Houston/Texas umziehen. „Er ist der Athlet des Jahrhunderts. Beim Verfolgen der Weitsprung-Historie habe ich gesehen, dass er auch ein guter Sprinter war. Es so weit zu schaffen auf zwei Sprint-Strecken, der Staffel, im Weitsprung, das bewundere ich“, sagte Mihambo. Sie trainiert künftig nicht nur beim 58-Jährigen Lewis, sondern auch beim früheren 100-Meter-Weltrekordler Leroy Burell, Chefcoach an der Universität von Houston.

„Ich möchte mich als Athletin und als Mensch weiterentwickeln. Das ist in diesem Umfeld gegeben. Carl Lewis und Leroy Burrell, der mein Sprint-Trainer wird, waren jahrelang in der Weltspitze. Ich kann sehr viel von ihnen lernen, da sie den gleichen Weg gegangen sind“, sagte Mihambo.

Dopinggerüchte begleitete Lewis-Karriere

Lewis hat allerdings bisher keine internationalen Erfolge als Coach vorzuweisen. Seine einzigartige Karriere war oft von Dopinggerüchten begleitet. So kam 2003 heraus, dass beim Superstar vor den Olympischen Spielen 1988 verbotene Substanzen gefunden worden waren. Das Olympische Komitee der USA (USOC) annullierte jedoch die Sperre mit der Begründung, die Einnahme sei unabsichtlich erfolgt.

„Wenn Athletinnen oder Athleten eine neue Herausforderung suchen, um sich persönlich und sportlich weiter zu entwickeln, können wir sie nicht aufhalten“, sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing. Mihambos Entwicklung und der WM-Triumph von Doha haben gezeigt, „dass unser Sprungtrainerteam ein international sehr hohes Niveau hat und Titelgewinne mit unserem Fördersystem absolut erreichbar sind“. Mit 11,21 Sekunden über 100 Meter hatte sie sich ebenfalls für die WM qualifiziert, verzichtete aber auf einen Sprintstart.

Erst am Freitag hatte Mihambo dem Verband nach DLV-Angaben ihre USA-Pläne angedeutet - und schon am Samstag per E-Mail Vollzug gemeldet. Zudem hatte ihr Coach Ralf Weber die erfolgreiche Zusammenarbeit dem Verband zufolge „aus persönlichen Gründen“ nach 15 Jahren beendet. Chefbundestrainerin Annett Stein „bedauert“ diesen Schritt. „Der DLV hatte Mihambo mehrere Betreuungsmöglichkeiten vorgeschlagen und das Risiko der deutlichen methodischen Veränderungen im Jahr vor den Olympischen Spielen beim Wechsel in die USA benannt“, sagte sie.

Gespräche mit Lewis „sehr inspirierend“

Für Mihambo sind die ersten Gespräche mit Lewis „sehr inspirierend“ gewesen. „Ich denke, ich werde auch als Mensch in meiner Entwicklung unterstützt. Die 16 Jahre in dem gewohnten Umfeld haben mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Dafür bin ich sehr dankbar, aber irgendwann ist es Zeit für was Neues“, meinte die Studentin aus Oftersheim. Sie werde in Houston leben und trainieren. „Wird die Corona-Lage besser, werde ich voraussichtlich im August nach Houston ziehen, aber während der Saison in Deutschland wohnen, auch um meine Familie zu sehen“, sagte Mihambo.

Anfang August will der DLV auch seine deutschen Meisterschaften - ohne Zuschauer - in Braunschweig nachholen. Die dunkelhäutige Mihambo sieht ihre Zukunft in einem Land, das in einer Dauerkrise steckt: Proteste erschüttern die USA, ausgelöst vom Tod des Schwarzen George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis. Das Land ist von der Corona-Pandemie besonders schwer getroffen und verzeichnet inzwischen mehr als 100 000 Tote. Mehr als 40 Millionen Menschen haben sich in den USA arbeitslos gemeldet, Präsident Donald Trump steht auch international massiv in der Kritik.