Sandra Maischberger fragte nach der Laufzeit der Großen Koalition. Foto: dpa

Sandra Maischberger hat in der ARD nach dem Ende der Groko gefragt: deren Vertreter Stephan Weil (SPD) und Ralph Brinkhaus (CDU) lockte nichts aus der Reserve – emotionale Journalisten ließen sie abblitzen.

Stuttgart - Journalisten wissen es ja gerne besser als Politiker – und können auch emotionaler sein. Bei Maischberger am Mittwochabend in der ARD – wo es um die Restlaufzeit der Groko ging – saßen die angriffslustigen Jan Fleischhauer („Spiegel“) und Hans-Ulrich Jörges („Stern“) drei eher blassen und nüchternen Politikvertretern gegenüber: dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), dem Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und der Grünen-Fraktionschef Katrin Göring Eckardt. Und um es vorwegzunehmen, die Gesandten der Groko ließen die Medienvertreter ziemlich kalt auflaufen. Da war einerseits Fleischhauer, der sich nicht entblödete, seine politische Analyse über den angeblich gar nicht so stark ausgeprägten Wunsch der Deutschen nach mehr Klimaschutz mit persönlichen Beobachtungen aus der Berliner U-Bahn zu belegen: Er habe da mal gesehen, wie ein wirklich nach Grünen-Wähler aussehender Fahrgast „einen Flug nach Tansania gegoogelt hat“ – und die Deutschen wollten weder ihren Fleischkonsum radikal ändern noch das Fernreisen einstellen.

Oder dann Jörges: Der machte aus seinem Wunsch nach Neuwahlen jetzt und sofort keinen Hehl, denn die Kanzlerin sei „erschöpft, von ihr kommen keine Impulse mehr“, die Union sei beispielsweise in der Frage der CO2-Steuer heillos zerstritten. Aber dann stellte der „Stern“-Mann zu Recht fest, dass weder SPD noch Union („die kleben an der Groko“) derzeit ein Interesse an Neuwahlen haben, da die CDU/CSU von der Angst gepackt seien, von den Grünen überholt zu werden und die SPD ins Bodenlose sinken könnte. Kurzum – Jorges Wunsch stößt sich an der Faktenlage. Dann appellierte Jorges mehr oder weniger direkt an den chronisch besonnenen Ex-Staatsanwalt und Richter Stephan Weil, er möge doch bitte den Parteivorsitz der SPD übernehmen: „Es geht nicht ohne Führungspersönlichkeiten in einer Partei. Am Ende werden Sie sich dem nicht entziehen können!“

„Scheißjob“ bei der SPD zu vergeben, titelte die TAZ

Schon zuvor war von der ARD eine Überschrift der Tageszeitung (Taz) – „Scheißjob zu vergeben“, gemünzt auf den SPD-Vorsitz – eingeblendet worden, und Stephan Weil ließ sich von Jorges flehendem Appell natürlich nicht aus der Reserve locken: Die SPD dürfe jetzt „nicht das nächste Kaninchen aus dem Hut zaubern“, sagte Weil. „Wir werden klären, wer ist die richtige Person für uns, was ist die richtige Politik für uns.“

Weiterwursteln, weitermachen, die Groko spielt auf Zeit. Auch das scheint ein Politikmodell zu sein und Ralph Brinkhaus erläuterte den politischen Faktor namens Geduld: Die Regierung sei doch erst seit März 2018 im Amt, und auch die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer – die in der Talkrunde heftig attackiert wurde, unter anderem wegen „der Beleidigung des dritten Geschlechts“ (Fleischhauer) – sei doch erst seit fünf Monaten in dieser Position. Also bitte Geduld haben.

Wann er den Stecker ziehe, wird der SPD-Mann gefragt

Aber wie geht’s denn nun weiter mit der Groko? Es war die Journalistin Maischberger, die dann klare Fragen an Weil stellte: „Wann ziehen Sie den Stecker?“ Der Sozialdemokrat konnte sich da nicht wegducken, im vierten Quartal des Jahres werde die SPD eine politische Bilanz der Groko ziehen und Personalentscheidungen treffen. „Entscheidend ist, ob wir eine gute Klimaschutzbilanz hinkriegen.“ Leider stünden die Unions-Minister Altmaier (Wirtschaft) und Scheuer (Verkehr) da „noch voll auf der Bremse“ – hatte Weil Minuten zuvor noch kritisch angemerkt. „Wir werden beim Klimaschutz was Gutes hinkriegen“, hat Ralph Brinkhaus dann den Schulterschluss mit dem Koalitionspartner geübt. Von Göring-Eckardt ist das stark angezweifelt worden: beim Klimaschutz sei die Groko völlig „blank“, sie „hat Ziele formuliert aber null Handlungen zu bieten“.

Einen lautstarken Einspruch der Grünen-Frau zur sich später entbrennenden Debatte um einen „grünen Kanzler“ hätte man sich gewünscht: Göring-Eckardt hätte auf der möglichen Option einer grünen Kanzlerin beharren müssen – tat sie aber nicht. Journalist Jörges legte Wert darauf, ein aus seinem Munde stammendes, bewunderndes Zitat für Grünen-Chef Robert Habeck zu korrigieren: Er habe nicht gesagt, der sei wie Willy Brandt, er habe gesagt, der habe eine Wirkung auf seine Partei wie damals der junge Brandt auf die SPD. „Sind Sie einer Massenhypnose erlegen“, fragte Maischberger da zurück. Und mit wem denn der Kanzler Habeck regieren solle? „Mutmaßlich mit der Union“, entgegnete Jörges. Da regt sich dann doch eine kleine Emotion bei CDU-Mann Brinkhaus: der berichtete von einem Besuch bei einem Unternehmen, das bei einer grünen Machtergreifung eine höhere Steuerlast und mehr Bürokratie erwarte und drohe, „mit 2000 Jobs in die USA“ abzuwandern. Das letzte Wort aber haben immer die Journalisten, und diesmal war es wieder Jörges: Wer keinen grünen Kanzler haben wolle, der müsse die Große Koalition jetzt auflösen.