Die Mailänder Börse verweist seit Jahren fast alle anderen Börsenindices in Europa klar auf die Plätze. Foto: imago/Italy Photo Press

Außer Kultur, Natur, Stränden und gutem Essen hat das Bel Paese auch attraktive Anlagen zu bieten.

Italien ist nach Spanien das beliebteste Auslandsziel der Deutschen. Weniger bekannt ist, dass das Bel Paese auch bei Anlegern erheblich an Attraktivität gewonnen hat. Das gilt nicht nur für die Mailänder Börse, die seit Jahren fast alle anderen Börsenindices in Europa klar auf die Plätze verweist. Staats- und Unternehmensanleihen werfen ebenfalls attraktive Renditen ab: Bei der jüngsten Finanzierungsrunde im September etwa für dreijährige Anleihen im Volumen von 3,25 Milliarden Euro wurde ein Zinssatz von 2,35 Prozent gezahlt. Bei den siebenjährigen Anleihen zahlte Rom vier Prozent Zinsen. Was den zweitgrößten Exporteur der Eurozone in den Augen vieler Investoren so attraktiv macht, ist die ungewohnt stabile Regierung. Regierungschefin Giorgia Meloni hat eine klare Mehrheit hinter sich. Ihre Beliebtheit ist ungebrochen. Angesichts einer zerstrittenen Opposition spricht viel dafür, dass sie 2027 wiedergewählt wird.

 

Meloni betreibt eine vergleichsweise solide Haushaltspolitik

Rom hat die Verschuldung seit dem Coronakrisenjahr 2020 zeitweise um 20 Prozentpunkte auf 135 Prozent reduziert. Inzwischen steigen die Schulden und werden in diesem Jahr um die 137 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Trotz einer zuletzt schrumpfenden Wirtschaft betreibt Meloni eine vergleichsweise solide Haushaltspolitik. Das Budgetdefizit soll in diesem Jahr auf unter drei Prozent sinken. Damit wäre das eingeleitete Defizitverfahren vom Tisch. Bei zehnjährigen Staatsanleihen refinanziert sich Rom inzwischen mit 3,58 Prozent und damit günstiger als Paris. Bei fünfjährigen Anleihen zahlt Italien schon länger niedrigere Zinsen als Frankreich und nur knapp 85 Basispunkte mehr als Deutschland. Bei Investitionen aus dem Ausland oder Unternehmensneugründungen hinkt Italien vielen Ländern weit hinterher. Und die Produktivität stagniert seit 20 Jahren.

Regierungschefin Meloni betreibt eine vergleichsweise solide Haushaltspolitik. Foto: AFP/Alberto Pizzoli

Doch der Aktienindex FTSE MIB, der die 40 größten Werte abbildet, stellt mit einem Plus von mehr als 26 Prozent seit Jahresanfang mit Ausnahme des spanischen alle anderen Aktienmärkte in den Schatten. Anders als der deutsche Dax beinhaltet der Mailänder Index die Dividenden nicht. Das macht das Plus noch beeindruckender. Der FTSE MIB steht für fast 90 Prozent der Gesamtkapitalisierung des Börsenplatzes von mehr als 1000 Milliarden Euro.

Finanzwerte gehören zu den großen Gewinnern

Zu den großen Gewinnern zählen Finanzwerte, allen voran die HVB-Mutter Unicredit, die inzwischen direkt und indirekt fast 30 Prozent der Commerzbank kontrolliert. Sie kommt auf ein Plus von 64 Prozent seit Jahresanfang und ist mit einer Kapitalisierung von 98 Milliarden Euro der teuerste Wert im Mailänder Börsenindex. Die Intesa Sanpaolo erreicht mit einem Plus 43 Prozent den selben Börsenwert. Beide zusammen repräsentieren annähernd ein Viertel der FTSE Kapitalisierung.

Ähnlich hohe beziehungsweise höhere Kurssteigerungen verzeichneten die Versicherung Unipol, die Mediobanca, BPER, die Volksbank von Sondrio, die BPM, Mediolanum und die mehrheitlich staatliche Post. Viele Institute profitierten von Übernahmekämpfen, aber auch ihrer sehr positiven Geschäftsentwicklung: Insgesamt kamen die Banken des Landes 2024 auf Gesamt-Nettogewinne von mehr als 46 Milliarden Euro. Die Anleger wurden mit üppigen Dividenden und Aktienrückkäufen belohnt.

Autoproduzent Stellantis gehört zu den größten Verlierern

Noch positiver entwickelten sich Rüstungswerte wie Leonardo (plus 212 Prozent), Fincantieri (plus 379 Prozent) oder Iveco mit der Tochter Iveco Defence Vehicles (plus 95 Prozent). Der Sektor profitierte von den stark steigenden Rüstungsausgaben und engeren Kooperationen. Das trifft etwa auf Leonardo zu, das zusammen mit Rheinmetall Panzer sowie mit Mitsubishi und Bae Systems Kampfflugzeuge bauen will oder Fincantieri, das eng mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und anderen Partnern zusammenarbeitet. Eine Sonderentwicklung kam Telecom Italia (TIM) mit einem Anstieg von 97 Prozent zugute. TIM stabilisierte nach vielen Verlustjahren das Geschäft, verkaufte die Festnetzsparte und bekam mit der teilstaatlichen Post (Poste Italiane) einen neuen Großaktionär. Zu den größten Verlierern gehören der Autoproduzent Stellantis (minus 26 Prozent), der tiefrote Zahlen schreibt, und die Hörgerätekette Amplifon (minus 40 Prozent).

Beobachter sehen keine Anzeichen für ein Abflauen der positiven Entwicklung am Mailänder Aktienmarkt. Bestrebungen der Regierung, die Banken für die Finanzierung von Steuersenkungen mit Sonderabgaben zur Kasse zu bitten, ließen die Bankenkurse zuletzt jedoch etwas zurückgehen. Es gibt auch Alternativen zum Aktienmarkt. Neben den bereits genannten Staatstiteln setzt Giorgio Bensa vom italienischen Vermögensverwalter Ersel AM vor allem auf Unternehmensanleihen mit guten Ratings. Er denkt dabei insbesondere an Finanztitel, die bis zu sieben Prozent und mehr abwerfen können.

Stabilitätsanker der EU

Regierung
Mit einer ungewohnt stabilen Regierung und einem sinkenden Defizit ist Italien zu einem Stabilitätsanker der EU geworden.

Rating-Agenturen
Das hat sich zuletzt auch in besseren Bewertungen der Rating-Agenturen niedergeschlagen. Heute gilt vielfach nicht mehr Italien sondern Frankreich als kranker Mann Europas.