Nicolas Schäfstoß, Bundestagskandidat der SPD im Wahlkreis Stuttgart II, war einer der Redner der Mai-Feier auf der Schlotwiese. Foto: Georg Linsenmann

Ein Hauch von Folklore umwehte die Maifeier der Zuffenhäuser SPD auf der Schlotwiese. Der Blick der Redner richtete sich jedoch auf die Bundestagswahl im Herbst.

Zuffenhausen - Tradition wird großgeschrieben, wenn der heimische Ortsverein der SPD am „Tag der Arbeit“ zur Mai-Feier ins Waldheim auf der Schlotwiese ruft. So nennen ältere Fahrensleute die traditionelle Mai-Kundgebung auf dem Waldheim-Gelände auch schon mal ein „Veteranentreffen“: in einer Mischung aus Stolz, Sorge und Selbstironie. Und so umweht die Veranstaltung im lauschigen Grün auch ein Hauch von Folklore. Musik, Ehrungen, Kaffee und Kuchen und Pony-Reiten inklusive: Alles da, auch dieses Jahr.

Und doch wirkte das nun mehr als nur eine Spur gegenwärtiger. Offensichtlich haben sich im Vorfeld der Bundestagswahl die Vorzeichen ein wenig geändert. Was lange und gerne als ein „Restbestand aus der sozialdemokratischen Klamottenkiste abgetan wurde“, wie ein „Alt-Soze“ zu Bockwurst und Kartoffelsalat grimmig anmerkte, das rückt nun wieder ins Zentrum der politischen Debatte: die „soziale Frage“. Entsprechend gespannt lauschte die knappe Hundertschaft der Zuhörer den Rednern des Tages.

Bezug zum aktuellen „Armutsbericht“

Dabei setzte schon Hans-Georg Kerler, Vorsitzender der hiesigen SPD, manche Ausrufezeichen. Denn spätestens als er die verheerenden Folgen von Niedriglohn, Leiharbeit und prekärer Beschäftigung beschrieb, wirkte seine Erinnerung an die 150 Jahre zurückliegende Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“ durch Ferdinand Lassalle wie ein Aha!-Erlebnis und eine historische Folie der Gegenwart. Jedenfalls in Teilen: miserable Arbeitsbedingungen, ungeregelte Arbeitszeiten, niedriges Einkommen und in der Folge eine „Altersvorsorge“, die den Namen nicht mehr verdient. Kerlers Resümee, speziell auch in Bezug zum aktuellen „Armutsbericht“: „Die Regierung spart nicht mit Eigenlob. Dafür an denen, die es am nötigsten hätten.“ Worauf der SPD’ler, eigentlich ein Mann der leisen Töne, mit Empörung ausrief: „Ja wo leben wir denn?!“

Das waren Steilvorlagen für Nicolas Schäfstoß, der im Wahlkreis Stuttgart II für den Bundestag kandidiert. Gut gelaunt und kämpferisch arbeitete der 30-Jährige seine Agenda für eine „neue, solidarische Gesellschaft“ ab. Übte Selbstkritik hinsichtlich des „Verrats an der Arbeit“, beschwor die Korrekturen „der Partei für soziale Gerechtigkeit“, warb um „neues Vertrauen“.

Kritik an der CDU-Konkurrentin

Für Nicolas Schäfstoß stellt sich nun wieder die „Verteilungsfrage“. So will er etwa einen höheren Spitzensteuersatz, Vermögenssteuer und eine Reform der Erbschaftssteuer. Er fordert ein „Ende des Riester-Wahnsinns und will zurück zur solidarischen Rente. Und nicht zuletzt: „Gute Arbeit und faire Löhne“. Dabei betont er den europäischen Horizont: „Ich will ein anderes Europa: Für Menschen, statt für Märkte!“ Von häufigem Zwischenapplaus befeuert, ging er auch seine CDU-Konkurrentin Karin Maag in Sachen Frauenquote direkt an: „Sie haben im Bundestag gekniffen!“

Der Auftritt des jungen Kandidaten hat dann auch durchaus Eindruck gemacht. Mit einem Küsschen ließ etwa Stadträtin Judith Vowinkel ihrer Begeisterung freien Lauf: „Nicolas Schäfstoß ist ein frisches Gesicht und eine kämpferische Stimme. Ohne Schere im Kopf. Das ist hier gut angekommen!“

„Die legen jetzt endlich wieder die Finger in die Wunden dieser Gesellschaft“, meinte ein Mai-Radler, der sich eigentlich nur ein bisschen stärken wollte, dann aber „bei den Sozen“ hängen blieb: „Ich will wissen, ob die es wirklich ernst meinen mit ihrer Korrektur der neoliberalen Irrwege.“

So wirkte dann auch der finale Akt, bei dem Herbert Steiner, Joachim Ramelow, Georg Müller und Siegfried Schreiber für 50, sowie Fritz Seitner für 40 Jahre SPD-Mitgliedschaft geehrt wurden, nicht mehr wie bloße Routine und Folklore, sondern ein wenig wie die Beschwörung „alter Zeiten“. Herbert Steiner etwa forderte, an den „Elan anzuknüpfen, mit dem die Genossen in der Vergangenheit für soziale Gerechtigkeit gekämpft haben“. Da passte dann auch der launige Satz, mit dem „Querbeet“-Gitarrist Peter Dietz-Vowinkel mit Blick zum Himmel den Auftritt der Band angestimmt hatte: „Durch die Wolken, zur Sonne, zur Freiheit“: Fast eine Art Revival von Mut, Kampfbereitschaft und Selbstvertrauen in der „alten Dame“ SPD.