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Die Mahnwache gegen Stuttgart 21 dauert ein Jahr, länger als alle Mahnwachen der Republik.

Stuttgart - Los ging es mit einem Karton Flugblätter vor einem Jahr. Am kommenden Sonntag hat die Mahnwache am Nordausgang des Hauptbahnhofs einjähriges Jubiläum. Und in Sachen Stuttgart 21 werden mittlerweile bis zu 40.000 Flugblätter pro Woche verteilt.

Jubiläen sind eigentlich ein Grund zur Freude. Freuen können sich die Stuttgart-21-Gegner, die die Mahnwache stellen, nur bedingt. Denn ob sich ihr Ziel, die Tieferlegung des Hauptbahnhofs zu stoppen, realisieren lässt, ist fraglich. Aber eins können sie fraglos: sich selbst feiern. Denn immerhin haben die Wächter, die aus dem Kreis der Parkschützer kommen, durchgehalten. In ihrem 18 Quadratmeter großen Zelt versorgen sie Passanten und Bahnreisende seit vergangenem Jahr rund um die Uhr mit Informationen, die gegen den Bau des Tiefbahnhofs sprechen.

"So viel Durchhaltevermögen hat uns niemand zugetraut. Unsere Recherchen haben sogar ergeben, dass unsere Mahnwache bereits am vergangenen Montag länger als alle anderen Mahnwachen in der Bundesrepublik andauerte", sagt Sabine Schmidt. Die 50-jährige Psychotherapeutin gehört zu den Initiatoren der Aktion und hat jetzt den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde beantragt. Eine ihrer Mitstreiterinnen ist überzeugt: "Sollte Stuttgart 21 doch nicht kommen, wird uns das Bundesverdienstkreuz verliehen."

Beschimpfungen nehmen zu

Papierfähnchen und Buttons mit dem Slogan "oben bleiben", Strohhüte - und natürlich das Info-Material, das die Bedenken gegen das Projekt Stuttgart 21 aufgreift: Die Bahnreisenden, die den Nordausgang passieren, müssen an der Mahnwache vorbei. "Manche fragen einfach nur, wo es zum Schlossplatz oder zu irgendeiner Straße geht. Andere, nicht nur Stuttgarter, sondern Reisende aus ganz Deutschland, wollen genau wissen, worum es geht. Denn viele, die aus dem Fernsehen von den Plänen der Bahn und dem Widerstand der Bürger erfahren haben, wollen genauere Informationen", sagt Thomas Neubrand. Der 64-jährige Rentner schiebt ebenfalls seit vergangenem September regelmäßig Wache im Zelt. Insgesamt beteiligen sich rund 250 Frauen und Männer an der Aktion. Und natürlich müssen sie auch einiges an Kritik einstecken. "Da schimpfen manche darüber, dass sie mit ihrem Rollkoffer nicht an unserem Zelt vorbeikommen. Andere pöbeln einfach nur rum", räumt Neubrand ein.

Obwohl die Beschimpfungen nachts, wenn der Hauptbahnhof Feierabend hat und bei Reisenden und Passanten Alkohol im Spiel ist, zunehmen, bleibt die Wache auf ihrem Posten. "Wenn man auf die Pöbeleien gelassen reagiert und vernünftig argumentiert, entwickelt sich manchmal doch eine Diskussion", sagt Rentner Manfred Ksienzyk (60). Die Mahnwache ist laut Sabine Schmidt vom Ordnungsamt genehmigt. Im Zelt herrschen strenge Regeln. Alkohol und Zigaretten sind verboten. "Wir wollen ein gutes Image haben", sagt Schmidt. Dass die Gruppe das zumindest bei ihm hat, bestätigt Jan van Aken (72) aus Mühlacker. Einmal pro Monat statten er und seine Frau dem Stand einen Besuch ab. "Hier erfahren wir alles Neue über die Entwicklung des Projekts", sagt er.

Am Sonntag, 17. Juli, feiert die Mahnwache mit viel Musik und Theater von 14 bis 22 Uhr Jubiläum am Kurt-Georg-Kiesinger-Platz.