Verheirateter 55-Jähriger aus Esslingen soll Männer an Schwulen-Treffs erschossen haben.
Böblingen - Die sogenannten Parkplatzmorde in Magstadt und im hessischen Mörfelden-Walldorf sind offenbar geklärt. Die Polizei hat als mutmaßlichen Täter einen 55-Jährigen aus Esslingen festgenommen. Die Mordwaffe, eine Pistole, wurde im BMW des verheirateten Mannes gefunden. Das Motiv ist noch offen.
"Wir sind froh und erleichtert, dass die Festnahme dieses Tatverdächtigen gelungen ist", sagt Rudi Denzer, der Chef der Polizeidirektion Böblingen. Für ihn ist der Erfolg so wichtig wie für seine Kollegen in Hessen. Beide Sonderkommissionen hatten zunächst nämlich die Falschen erwischt. Den Durchbruch bei den Ermittlungen brachte erst ein drittes Verbrechen. Der Überfall auf einen Belgier in Freudenstadt wurde dem Esslinger zum Verhängnis.
Der Verdächtige ist Beamte im Ruhestand
Polizeivertreter aus Böblingen, Freudenstadt und Südhessen sowie zwei Stuttgarter Staatsanwälte haben am Dienstag in Böblingen erklärt, wie sie dem mutmaßlichen Doppelmörder auf die Spur gekommen sind. Der 55-Jährige ist bereits am Wochenende festgenommen worden und sitzt seit Sonntag in Untersuchungshaft. Laut dem Böblinger Kripo-Chef Rüdiger Winter ist der Verdächtige ein Ruheständler. Er sei Beamter gewesen und lebe seit rund 30 Jahren im Großraum Stuttgart. Nach Informationen unserer Zeitung hat er bei der Deutschen Post gearbeitet. Bei der Festnahme sei der 55-Jährige in sich zusammengesackt. Winter: "Wir hatten den Eindruck, dass er wusste, weshalb wir gekommen sind."
Der erste Mord, der dem Esslinger zur Last gelegt wird, geschah am späten Abend des 8. Mai. Das Opfer war der 30-jährige Heiko S. aus Magstadt (Kreis Böblingen). Der frühere Bundeswehrsoldat wurde auf einem Parkplatz zwischen Magstadt und Stuttgart-Büsnau durch einen Kopfschuss aus kurzer Entfernung getötet. Heiko S. saß in einem Peugeot 106, als ihn die Kugel traf. Der Parkplatz ist als Treffpunkt von Homosexuellen und Strichern bekannt.
Die Polizei fand eine DNA-Spur des Täters. Und einem am Tatort vorbeifahrenden Ehepaar war eine dunkle Limousine mit Esslinger Kennzeichen aufgefallen. Weitergebracht hat dieser Hinweis die Ermittler damals nicht. Sie verhafteten einen 33-Jährigen aus Sindelfingen. Der Arbeiter saß 53 Tage unschuldig hinter Gitter - bis der wirkliche Täter zum zweiten Mal zuschlug.
Waffe und seltene Munition im Kofferraum
Am 2. Juli wurde der 70-jährige Hans Friedrich L. aus dem Main-Taunus-Kreis ermordet. Seine nackte Leiche lag neben einem Parkplatz an der A5 bei Mörfelden-Walldorf. Auch er wurde durch einen Kopfschuss getötet, auch dieser Parkplatz ist als Treffpunkt Homosexueller bekannt. Die Polizei nahm zwei Männer fest, ließ sie aber wenig später frei. Der Grund: Ballistiker hatten herausgefunden, dass Hans Friedrich L. und Heiko S. mit derselben Waffe und der gleichen Munition umgebracht wurden.
Diese Waffe, eine Schweizer Pistole des Herstellers Hämmerli, fanden Ermittler jetzt im Kofferraum des schwarzen 7er-BMW des mutmaßlichen Doppelmörders. Dazu die seit 14 Jahren nicht mehr hergestellte und deshalb seltene Munition des Kalibers .32 Wadcutter, die beide Opfer tötete. Doch wie waren die Ermittler Monate nach den Morden auf den BMW gestoßen?
Verdächtiger "ein unbeschriebenes Blatt"
Jetzt kommt der Überfall in Freudenstadt ins Spiel. Der geschah zwar schon am 6. Juni, doch erst seit zwei Wochen ist bekannt, dass der Mann, der auf dem Marktplatz einen 62-jährigen Autofahrer aus Belgien überfallen und mit einem Messer verletzt hatte, derselbe ist, der Heiko S. getötet hat. Der DNA-Abgleich - in Freudenstadt hatte der Täter Zigarettenkippen hinterlassen - hatte einen Treffer gebracht.
Seither lief die Ermittlungsmaschinerie auf Hochtouren. Die DNA führte nicht direkt zum wahrscheinlichen Täter, weil der Esslinger bisher laut Polizei "ein unbeschriebenes Blatt" ist. Doch die Freudenstädter Kripo hatte neben Phantombildern vom Täter auch Fotos von seinem Fluchtweg gemacht. Diese Bilder nahmen sie sich jetzt noch einmal vor und stießen auf den in der Nähe des Marktplatzes geparkten BMW mit Esslinger Kennzeichen - eine dunkle Limousine wie im Magstadter Mordfall.
Der Mann schweigt zu den Mordvorwürfen
Im Kofferraum des in einer Esslinger Tiefgarage geparkten Autos lagen neben Waffe und Munition auch ein Elektroschocker, eine Wollmütze, Handschuhe und ein Zettel mit dem Satz "Das ist in Überfall". Möglicherweise hat der 55-Jährige weitere Straftaten begangen oder geplant.
Der Mann, so Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag, schweige zu den Mordvorwürfen. Über sein Motiv kann nur spekuliert werden. Im Magstadter Fall fehlt die Geldbörse des Opfers, in Hessen ist die Kleidung des Erschossenen verschwunden. Ob der Esslinger Kontakte zur homosexuellen Szene hat, müsse noch ermittelt werden.