Produktion bei Getrag am Standort Neuenstein (Hohenlohe) Foto: Rolf Schwarz

Die Fusionswelle bei den Automobilzulieferern rollt weiter: Jetzt erwischt es den Getriebespezialisten Getrag nahe Heilbronn. Magna zahlt nicht nur 1,75 Milliarden Euro für das 80 Jahre alte Familienunternehmen mit Hauptsitz in Untergruppenbach, sondern übernimmt auch Schulden in Höhe von 700 Millionen Euro.

Aurora/Untergruppenbach - Der globale Wettbewerb der Autokonzerne zwingt immer mehr Zulieferer, sich zusammenzuschließen. Jetzt hat der kanadisch-österreichische Konzern Magna den Getriebehersteller Getrag übernommen. „Wir bündeln unsere Kräfte mit einem zuverlässigen, erfahrenen und gut aufgestellten globalen Unternehmen“, sagte Getrag-Chef Mihir Kotecha am Donnerstag.

Mit einem der fünf größten Automobilzulieferer an der Seite stoße Getrag in eine neue Dimension vor. „Gleichzeitig erwirbt Magna ein erfolgreiches Unternehmen, das seinen Umsatz seit 2009 erheblich steigern konnte und im vergangenen Jahrzehnt rund eine Milliarde Euro in Standorte und globale Expansion investiert hat“, so Kotecha. Mit dem neuen Eigentümer werde Getrag noch robuster gegenüber Marktschwankungen. Der Trend zur Elektromobilität erfordere zudem hohe Investitionen.

Magna zahlt nicht nur 1,75 Milliarden Euro für das 80 Jahre alte Familienunternehmen mit Hauptsitz in Untergruppenbach bei Heilbronn, sondern übernimmt auch Schulden in Höhe von 700 Millionen Euro. Das Unternehmen war 2009 im Nachgang der Wirtschaftskrise in Turbulenzen geraten und musste mit einer Bürgschaft vom Land gestützt werden, damit die Arbeitsplätze erhalten werden konnten. Mittlerweile steht Getrag aber wieder gut da und hat volle Auftragsbücher.

Getrag stellte im vergangenen Jahr 3,9 Millionen Getriebe her

Der konsolidierte Umsatz betrug im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden Euro, hinzukommen weitere 1,6 Milliarden Euro an Erlösen aus Gemeinschaftsunternehmen. Getrag stellte im vergangenen Jahr 3,9 Millionen Getriebe her und beschäftigte weltweit an 23 Standorten in neun Ländern 13 500 Mitarbeiter, davon 4950 in Deutschland. Am Hauptsitz bei Heilbronn arbeiten 1000 Beschäftigte. Diese wurden am Donnerstagnachmittag über den Zusammenschluss informiert. Die Gründerfamilie um Tobias Hagenmeyer will sich mit dem Verkauf komplett aus dem Unternehmen zurückziehen.

In der Branche wird der Deal überwiegend positiv gesehen. Getrag stehe derzeit gut da, strategisch gesehen mache das Unternehmen mit Magna eine gute Partie, sagte ein Experte. Auf dem Gebiet der Getriebe ergänzten sich die beiden Zulieferer. Für Magna interessant sei vor allem das Doppelkupplungsgetriebe. Bei dieser Technologie, die starke Wachstumsraten verzeichnet, gilt Getrag als einer der weltweiten Spezialisten. Im globalen Wettbewerb komme es zudem immer mehr auf Größe an. Da die Zulieferer bei Entwicklungen für Automobilhersteller oft in Vorleistung gehen müssten und die Innovationen immer aufwendiger seien, steige auch das Risiko, am Ende viel Geld zu verlieren – etwa, wenn das Produkt nicht in Serie gehe. Mit einem starken Partner wie Magna könnten solche Ausfälle leichter verkraftet werden.

Die Gewerkschaft IG Metall beobachtet die Hochzeit der beiden Unternehmen, die bis Endes des Jahres abgeschlossen sein soll und von den Kartellbehörden genehmigt werden muss, mit gemischten Gefühlen. „Wir bedauern einerseits, dass ein baden-württembergisches Familienunternehmen von den Gründern verkauft wird. Andererseits begrüßen wir es, dass mit Magna ein strategischer Investor gefunden wurde, bei dem Getrag gut ins Portfolio passt“, sagte Roman Zitzelsberger, IG-Metall-Bezirksleiter für Baden-Württemberg. „Unsere klare Erwartung ist, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Standorte zukunftssicher gemacht werden.“ Darüber werde man zeitnah Gespräche mit der Unternehmensleitung führen.

Darauf hoffen auch die Mitarbeiter an den verschiedenen Standorten. „Bei den Beschäftigten gibt es Bauchweh und Bedenken“, sagte ein Arbeitnehmervertreter. Die Sorge um Jobs scheint nicht ganz unbegründet. Magna hat bei den zahlreichen Zukäufen in der Vergangenheit meist schnell die Strukturen gestrafft und auch Arbeitsplätze abgebaut. Vor allem in der Forschung und Entwicklung sehen Experten durchaus Überschneidungen.