Magier Thimon von Berlepsch: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Foto: Bernd Brundert

Er ist Zauberer, Gedankenleser, Hypnotiseur und ein famoser Geschichtenerzähler: Zum letzten Mal gastiert Thimon von Berlepsch mit seiner Show „Der Magier“ in Stuttgart. Im Interview erklärt er, was Hypnose mit Kino zu tun hat.

Stuttgart - Die Inspiration für seine Zauber-Shows holt sich der Magier Thimon von Berlepsch oft bei Rucksackreisen um den Globus.

Herr von Berlepsch, es ist jetzt zehn Uhr morgens. Zu früh für einen Magier?
Nein, ich bin längst auf den Beinen und tüftle an neuen magischen Kostbarkeiten.
Sie sind Frühaufsteher?
Eher weniger, doch in letzter Zeit hilft mir der Wecker dabei. Ich möchte nämlich meine Morgenroutine einhalten, bevor die ersten Anrufe kommen: ein bisschen Yoga, eine kurze Meditation, Lesen.
Meditation ist wichtig, um in den Tag reinzukommen?
Es stellt auf jeden Fall schon mal die Weichen für den Tag. Meditation klingt für viele sehr östlich, so nach: Setz dich hin und sei Buddha! Es geht aber auch weniger dramatisch: Setz dich, schließe die Augen, atme bewusst und stimme dich auf deinen Tag ein. Das kann schon sehr viel beeinflussen.
Es scheint, Sie haben Indien nicht nur bereist, sondern auch was mitgebracht.
Ja, wobei der Nutzen von Meditation auch bei uns schon längst wissenschaftlich bewiesen ist. Neurowissenschaftler zeigen auf, was im Kopf passiert, wenn die Aufmerksamkeit nach innen geht. Die Gehirnwellenfrequenz verlangsamt sich, die Vorstellungskraft nimmt zu und damit auch die Fähigkeit, auf sein Unterbewusstsein einzuwirken. Außerdem sind die Gehirnareale, die fürs Glücksgefühl zuständig sind, höchst aktiv. Wir sind gelassener und empathischer. Was braucht man mehr?
Weiß die Wissenschaft auch, was im Körper passiert, wenn man hypnotisiert ist?
Derselbe Vorgang wie bei der Meditation: der innere Kritiker fährt fast vollständig herunter und wir bewerten und hinterfragen weniger. Deswegen macht man unter Hypnose auch Dinge, die man sich sonst nicht trauen würde oder für albern hält. Es ist ein sehr spielerischer Zustand.
Eine Kollegin hat sich hypnotisieren lassen – und konnte die Hand nicht mehr vom Kopf nehmen. Sie sagte, sie sei dabei bei vollem Bewusstsein gewesen.
Hypnose hat nichts mit schlafen zu tun, auch wenn das Wort vom griechischen hypnos/Schlaf abstammt. Es sieht nur von außen so aus, weil der Körper sich sehr tief entspannt. Wir sind aber trotzdem wach. Es ist wie Tagträumen oder ins Kino gehen.
Kino ist wie Hypnose?
Genau. Wenn Sie völlig in den Film abtauchen, hält irgendwann das Gehirn das Gesehene für real und reagiert darauf. Bei der Kollegin hat der Hypnotiseur ihr bestimmt gesagt, sie habe Sekundenkleber auf dem Kopf – und weil sie sich dieses Bild dazu intensiv vorgestellt hat, wurde es real.
Und was passiert, wenn ein Mensch sich unter Hypnose steif wie ein Brett macht, so dass nur noch Kopf und Beine auf Stühlen liegen?
Das könnte er auch im normalen Zustand, nur traut sich das niemand wirklich zu. Unter Hypnose können Sie keinen LKW hochheben. Sie verleiht uns keine übermenschlichen Kräfte. Aber in Trance lösen sich limitierende Glaubenssätze für eine gewisse Dauer in Luft auf.
Welche Rolle spielt eigentlich Hypnose in Ihrer Show?
Im zweiten Teil ist sie ein wichtiger Programmpunkt. Durch Hypnose zeige ich meinem Publikum, wie mächtig unsere Vorstellungskraft wirklich ist und auch, wie die meisten von uns diese Macht leider jeden Tag unbewusst gegen sich verwenden.
Unter Magiern gibt es grob gesprochen zwei Gruppen: Typen wie einst Uri Geller, die uns weismachen wollen, sie hätten übersinnliche Fähigkeiten. Und solche, die ihre Tricks mit einem Augenzwinkern präsentieren. Wo gehören Sie dazu?
Ich sehe mich genau dazwischen. Ich will den Leuten nicht weismachen, dass ich übersinnliche Kräfte habe. Mir geht es darum, die Menschen zu unterhalten – und sie zu inspirieren. Sobald sich jedoch der Vorhang im Theater hebt, beginnt das Spiel und jede Behauptung ist erlaubt. Ich würde niemals in der Show sagen: „Hey, Sie wissen ja, dass alles nur ein Trick ist.“ Das wäre so, als würde der Regisseur mitten in der Vorstellung den Film anhalten und sagen: „Übrigens, ich will nochmal daran erinnern: das ist alles nicht echt.“ Damit würde er jedes Gefühl kaputt machen.
Ist Ihr Programm „Der Magier“ nicht eigentlich schon abgespielt?
Das stimmt, doch dann hat mich der Friedrichsbau angefragt – und weil mir dieses Programm so sehr am Herzen liegt, spiele ich es nun nochmal exklusiv in Stuttgart.
Und dann ist Schluss mit der Zauberei?
Natürlich nicht, nur öffentlich gebe ich vorerst keine Vorführungen. Die neue Show braucht noch etwas Zeit. Es gibt aber die Möglichkeit, an meinen Hypnoseseminaren in Berlin teilzunehmen.
Haben Sie eine Botschaft?
Jeder erschafft seine eigene Realität. Und deswegen können wir uns unabhängig von äußeren Umständen oder anderen Menschen machen. Unsere Überzeugungen und Erwartungen bestimmen, wie wir das Leben erfahren. Wir können uns also entscheiden, wie wir fühlen und leben wollen.
Ein interessanter Gedanke – und ein krasser Gegensatz zu der These, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt.
Wenn Menschen abhängig von ihren Umständen wären, wie konnte dann Nelson Mandela Jahrzehnte im Gefängnis überstehen, ohne gebrochen oder gewalttätig zu werden? Er hat seine Aufmerksamkeit auf seine Werte und Ziele gerichtet, die sich dann auch manifestiert haben. Leid hat keinen Platz, wenn Dankbarkeit mein Fokus ist.
Im Grunde ein optimistischer Lebensansatz.
Genau! Es geht natürlich nicht darum, sich laufend einzureden: „Es geht mir ganz toll!“ Sondern sich bewusst zu machen, dass die Bewertung der Ereignisse und unsere Reaktionen darauf entscheiden, wie wir uns fühlen. Man sagt ja so dahin „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Doch darin steckt ganz viel Wahrheit.
Sie sagten mal, Sie wollten die Menschen zum Staunen bringen. Über was staunen Sie?
Über Ästhetik. Beeindruckende Bühnenbilder im Theater, schöne Architektur, faszinierende Landschaften – sowas zieht mich an. Und ich staune über die Leichtigkeit von Kindern. Wie sie die Welt entdecken oder was sie glücklich macht. Davon lasse ich mich gern anstecken.
Reisen Sie eigentlich immer noch etliche Monate im Jahr mit dem Rucksack durch die Welt?
Na klar, solange ich noch keine Kinder habe, nutze ich die Zeit. Dieses Jahr geht’s wieder zum Burning Man, einem Musik- und Kunstfestival in der Wüste von Nevada. 70 000 Menschen kommen da zusammen. Das ist wahnsinnig aufregend. Es gibt kein Geld, alle Menschen beschenken sich gegenseitig und gehen achtsam miteinander um. Eine Woche zelten in der Staubwüste, mit bis zu 40 Grad und gelegentlichen Sandstürmen. Das ist zwar nicht bequem, aber solche Erfahrungen erweitern meinen Horizont.
Thimon von Berlepsch gastiert mit „Der Magier“ vom 2. bis 4. August im Friedrichbau Varieté. Beginn. 20 Uhr. Karten unter Telefon 0711/225 70-70.