Totò Riina, einer der brutalsten Bosse in der Geschichte der Mafia, stand bis zu seiner Festnahme 1993 für den sogenannten militärischen Arm der Cosa Nostra. „Den gibt es noch“, sagen Siziliens ranghöchste Mafia-Jäger. Ob ihm ein Feuerüberfall am 27. Mai im baden-württembergischen Hüfingen zuzurechnen ist, ist noch unklar. Deutsche Ermittler gehen davon aus, den Hauptverantwortlichen vergangene Woche gefasst zu haben. Foto:  

Innenminister Strobl setzt im Kampf gegen die Mafia ganz auf die enge Zusammenarbeit mit italienischen Behörden. Den jüngsten Zugriff im Land wertet er als Musterbeispiel.

Tuttlingen/Stuttgart/Palermo. - Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl baut im Kampf gegen die Mafia ganz auf die Zusammenarbeit mit italienischen Behörden. Mit Blick auf die Verhaftung von insgesamt 17 mutmaßlichen Mafiosi am 21. Juni sagte Strobl unserer Zeitung: „Das ist die Grundlage, um die italienische Organisierte Kriminalität effektiv zu bekämpfen. Wir brauchen einen sofortigen und direkten Informationsaustausch mit den italienischen Strafverfolgungsbehörden, auch zur Vorbereitung eines gezielten, sich anschließenden offiziellen Rechtshilfeverkehrs. Dadurch gelingen uns Schläge gegen die unterschiedlichen mafiaähnlichen Organisationen Italiens. Der Erfolg in der vergangenen Woche ist dafür ein gutes Beispiel.“

Den in diesem Jahr bisher schwersten Schlag gegen die Mafia auf deutschem Boden hatten am Mittwoch vergangener Woche rund 300 Polizeibeamte aus Deutschland und Italien geführt. Im Landkreis Schwarzwald-Baar, in Stuttgart sowie in den Landkreisen Esslingen, Konstanz und Rottweil nahmen sie zur selben Zeit 15 Beschuldigte fest und durchsuchten zahlreiche Gebäude.

Südwesten als Aktionsraum

„Es gehört zur Wahrheit, dass kriminelle Organisationen nach Art der italienischen Mafia die wirtschaftlich und geografisch günstige Lage Baden-Württembergs nutzen – und zwar nicht nur als Rückzugs-, sondern auch als Aktionsraum“, sagte Strobl. Dabei machten sie sich auch die Kontakte zu Landsleuten zunutze, „um flüchtige, gesuchte Personen zu unterstützen“. Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen sagte, handelte es sich bei dem Zugriff vergangene Woche um einen Einsatz der Spezialeinsatzkommandos der baden-württembergischen und der bayerischen Polizei. Auch Mobile Einsatzkommandos und Beweis- und Festnahmeeinheiten beteiligten sich an dieser Operation. Vier Verbindungsbeamte der italienischen Polizei und Hundeführer kamen ebenso zum Einsatz.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dazu: „Aufgrund der finanziellen Verflechtungen und vielfach unkontrollierten Geldströme ist bei den Ermittlungen im Bereich der italienischen Organisierten Kriminalität die Geldwäschebekämpfung von zentraler Bedeutung.“ Deshalb seien auch in dieser seit Sommer 2016 vorbereiteten Aktion „frühzeitig Finanzermittler eingesetzt und Zoll und Steuerfahndung in die Ermittlungen eingebunden“ worden.

Strobl lobte den Stand der Zusammenarbeit mit den Italienern: „Unsere Polizei verfügt über eine Vielzahl gewachsener Kontakte nach Italien – insbesondere das Landeskriminalamt hat ein dichtes Netz an Verbindungen zu Vertretern von Polizei und Justiz.“ In dem konkreten Fall war die Zusammenarbeit mit der dem deutschen Zoll ähnlichen italienischen Finanzpolizei (Guardia di Finanza) im sizilianischen Palermo besonders eng. Außerdem gab es ein abgestimmtes Zusammenwirken mit der Kriminalpolizei. „Der Leiter unserer Kriminalinspektion 4 hat sich ans Telefon gesetzt und mit seinem Pendant auf Sizilien Kontakt aufgenommen. Über das Landeskriminalamt hatte er erfahren, dass die italienische Polizei in derselben Angelegenheit ermittelt. Das war der Beginn einer gedeihlichen Zusammenarbeit und wertvollen Freundschaft“, so der Polizeisprecher in Tuttlingen.

13 Italiener und zwei Deutsche festgenommen

Bei den Festgenommenen handelt es sich um 13 Italiener und zwei Deutsche. Gegen sie ergingen inzwischen Haftbefehle. Am Tag des Zugriffs nahm die italienische Polizei zwei weitere Italiener fest, für die im selben Zusammenhang deutsche Haftbefehle vorliegen. Die Staatsanwaltschaft Konstanz geht von einer Auslieferung aus.

Die Polizei rechnet die Beschuldigten der sizilianischen Cosa Nostra zu. Sie sollen einem Rauschgifthändlerring angehören. Bei ihrem Zugriff stellten die Beamten Drogen, Waffen, teure Autos sowie Vermögenswerte in Höhe von mehreren hunderttausend Euro sicher. Konkret werfen die Staatsanwälte den Verhafteten auch versuchten Mord, Raub und Erpressung vor.

Die Polizei geht außerdem davon aus, dass sie den Hauptverdächtigen des Überfalls auf eine Hüfinger Gaststätte dingfest gemacht hat. Am 27. Mai waren mehrere Schüsse in das Restaurant gefeuert worden. „Offenbar gab es bei der Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen unterschiedliche Auffassungen“, sagte ein Sprecher über die Hintergründe.

Der Vorfall in Hüfingen widerspricht der aktuellen Mafia-Strategie, sich unsichtbar zu machen und mit kriminell erworbenen Vermögen in Ländern wie Deutschland in legale Wirtschaftskreisläufe einzusickern. Das heißt allerdings nicht, dass sie auf Gewalt verzichtet. „Der militärische Arm der Cosa Nostra existiert noch. Aber auf den greift man nur in Extremsituationen zurück“, sagte dazu Antonio Amoroso, Direktor der Antimafia-Direktion in Palermo.