Serbiens Hauptstadt Belgrad: Seit Monaten wird der Balkanstaat von Mafia-Morden erschüttert. Foto: dpa

Seit Monaten wird der EU-Anwärter Serbien von einer Kette blutiger Abrechnungen unter Gangstern erschüttert. Die Polizei bleibt weitgehend tatenlos. Die Mafia hat den Balkanstaat weiter fest im Griff.

Belgrad - Selbst die Liebe erweist sich bei den blutigen Abrechnungen in Serbiens Unterwelt als lebensgefährlich. Noch keine 24 Stunden weilte die 20-jährige Spanierin Olatz Bilbao Gonzales am Wochenende in Belgrad, als die Explosion einer Autobombe die frühere Miss Malaga schwer verletzte. Unversehrt blieb hingegen ihr Freund, das eigentliche Ziel des Attentats: Der 28-jährige, polizeibekannte Mafioso Strahinja S. hatte kurz vor der Detonation das Fahrzeug verlassen, um noch etwas aus seiner Wohnung zu holen.

Seit Monaten wird der EU-Anwärter Serbien von einer endlosen Kette blutiger Mafia-Abrechnungen erschüttert. Nur wenige Stunden nachdem sich Innenminister Nebojsa Stefanovic auf einer Pressekonferenz Ende Juli vollmundig der vermeintlichen Verringerung der Gewaltdelikte gebrüstet hatte, wurde der Anwalt Dragoslav-Misa Ognjanovic vor seinem Wohnblock in Neu Belgrad von einem schwarz gekleideten Killer mit sieben Schüssen in den Rücken getötet.

Belgrad wird zum unfreiwilligen Schauplatz der Mafia-Morde

Empört rief Serbiens Anwaltskammer nach dem dritten Anwaltsmord in zwei Jahren zu einem einwöchigen Proteststreik auf. Doch auch zwei Wochen nach dem 19. Auftragsmord dieses Jahres fehlt vom Täter noch jede Spur. Es bestehe der Verdacht, dass der Mord von einer Gruppe der Organisierten Kriminalität begangen worden sei, lautet die karge Auskunft der Justizministerin Nela Kuburovic.

Laut der Zeitung „Blic“ ermittelt die rat- und hilflos wirkende Polizei in mehrere Richtungen. Hinter dem Mord an dem 56-jährigen Star-Anwalt des in Spanien inhaftierten Drogenclanchefs Luka Bojovic könnte einerseits der rivalisierende Saranovic-Clan stehen.

Doch es könnte sich auch um einen Konflikt innerhalb des Bojovic-Clans oder eine Fortsetzung der brutalen Blutrache-Fehde zweier Drogenclans aus dem benachbarten Montenegro handeln. Bei der blutigen Abrechnung zwischen dem Kavcan- und dem Sklajari-Clan, mit dem Bojovic eng kooperiert, wird immer häufiger Belgrad zum unfreiwilligen Schauplatz der Mafia-Morde.

Von 82 in Serbien begangenen Auftragsmorden wurden sechs aufgeklärt.

Der Mafia-Mord könnte in Belgrad bald als touristische Attraktion angepriesen werden, ätzt der Publizist Tomislav Markovic. Die Sicherheitslage in Serbien sei „gut“, versichert hingegen der allgewaltige Staatschef Aleksandar Vucic. Es müssten jedoch noch „härtere und ernsthaftere“ Maßnahmen getroffen werden, um den Mördern zu zeigen, „dass sie dorthin gehen, woher sie gekommen sind“.

Doch obwohl laut der regierungsnahen Boulevardpresse die Polizei bereits ein Dossier von 7000 Personen mit Kontakten ins kriminelle Milieu angelegt hat, denen strenger auf die Finger geschaut werden solle, nimmt sich die Erfolgsbilanz der Gesetzeshüter im regelmäßig verkündeten Kampf gegen die Mafia eher bescheiden aus: Seit 2012 wurden von 82 in Serbien begangenen Auftragsmorden gerade einmal sechs aufgeklärt.

Kriegsherren machten sich die Dienste der Halbwelt zunutze

Es waren die 90er Jahre der Jugoslawien-Kriege, die der Mafia in dem zerfallenden Vielvölkerreich zur blutigen Entfaltung verhalfen. Nicht nur zur Umgehung des Handelsembargos machen sich waffenhungrige Kriegsherren die Dienste der Halbwelt zu Nutze. Berüchtigte Gangster stiegen auf allen Seiten zu gefeierten Kriegshelden und gefürchteten Milizchefs auf. Ob Waffen-, Zigaretten- oder Drogenschmuggel: Die neu entstandene Staatenwelt erleichterte den mit der Politik und den Geheimdiensten eng verquickten Unterweltgrößen auch in der Nachkriegszeit ihr trübes Treiben.

Außer der Unterwanderung der Sicherheitsdienste durch die Mafia machen Kritiker jedoch auch deren Personal für die Unfähigkeit zum Feldzug gegen die Organisierte Kriminalität aus. In einem Land, in dem man sich Diplome kaufe und das Parteibuch wichtiger als jede Qualifikation sei, könne das Bild eines „ohnmächtigen Staats“ kaum überraschen, sagt der Belgrader Anwalt Bozo Prelevic.