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Das in die Insolvenz gerutschte Unternehmen will seinen Betriebsrats-Chef loswerden.

Göppingen - Der vor einem Jahr in die Insolvenz gerutschte Modellbahnhersteller Märklin will seinen Betriebsratsvorsitzenden loswerden, weil dieser jahrelang zu Unrecht Geld von der Firma kassiert haben soll. Der Betroffene selbst weist die Vorwürfe weit von sich. Die IG Metall vermutet hinter dem Vorstoß den Versuch, einen kritischen Mitarbeitervertreter durch die Hintertür abzuservieren.

Hintergrund des Streites ist eine sogenannte Funktionszulage in Höhe von 511,29 Euro. Diese zahlt das Göppinger Unternehmen nach einer jahrzehntealten Regelung seinen freigestellten Betriebsratsmitgliedern monatlich zusätzlich zu ihrem normalen Gehalt aus.

Geht es nach dem Willen von Märklin-Geschäftsführer Kurt Seitzinger, soll diese Zulage den jetzigen Betriebsratsvorsitzenden, Dieter Weißhaar, der die Dreingabe seit 2002 aufs Konto überwiesen bekommt, seinen Job kosten. Wegen "Korruption" will Seitzinger nach Angaben der IG Metall seinem Betriebsrats-Chef nun fristlos kündigen. Das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet, heißt es. Seitzinger selbst wollte sich ebenso wie Märklin-Insolvenzverwalter Michael Pluta zu dem Fall nicht äußern. "Kein Kommentar" zu internen Vorgängen, heißt es aus dem Büro der Ulmer Insolvenzverwaltung.

Für Renate Gmoser, Bevollmächtigte der IG Metall in Göppingen, ist der Vorwurf der Geschäftsleitung an den Haaren herbeigezogen und lediglich ein Versuch, einen unliebsamen Betriebsrat vor die Tür zu setzen. Weißhaar sei der Geschäftsführung schon länger ein Dorn im Auge, sagt Gmoser. Im Verlauf des andauernden Insolvenzverfahrens habe er immer wieder "kritisch nachgefragt" und Einblick in Zahlen verlangt, um die harten Entscheidungen der Sanierer um Insolvenzverwalter Pluta bewerten zu können. "Weißhaar ist clever", sagt Gmoser.

Auch der Betroffene selbst hält die Vorwürfe von Korruption und Käuflichkeit für vorgeschoben. "Das weise ich weit von mir", sagt Weißhaar. Bei seiner Freistellung als Betriebsrat im Jahr 2002 hätte Märklin ihm gegenüber die 500-Euro-Zulage als "allgemeinen Nachteilsausgleich" begründet, der durch seine hauptamtliche Tätigkeit in dem Mitarbeitergremium gerechtfertigt sei.

Tatsächlich sind derartige Funktionszulagen für Mitarbeiter durchaus üblich und im Betriebsverfassungsgesetz auch festgeschrieben. Freigestellten Betriebsräten werden sie gewährt, um einen Ausgleich für entgangene Schichtzulagen oder verpasste Weiterbildungsmaßnahmen und dadurch geringere Aufstiegschancen zu geben.

Um die Sache nicht öffentlich werden zu lassen, hat die Märklin-Geschäftsführung nach Informationen dieser Zeitung zunächst versucht, Weißhaar lediglich zu entmachten. In einem internen Schreiben dringt Pluta-Adlatus Seitzinger gegenüber mehreren Funktionsträgern im Betrieb auf eine "geräuschlose" Bereinigung der "Affäre". Demnach habe er Weißhaar mitgeteilt, diesbezüglich "Vorschläge zu machen". Sprich: als Betriebsrats-Chef abzudanken. Andernfalls sehe er sich gezwungen, den "Vorgang zur Anzeige" zu bringen. Weißhaar sagt, er sei auf das Angebot Seitzingers - unterbreitet am Dienstag vergangener Woche - nicht eingegangen. "Das wäre ein Schuldeingeständnis gewesen."

Daher hat Seitzinger die Gangart jetzt verschärft. Am vergangenen Mittwoch hat er den Märklin-Betriebsrat über eine fristlose Kündigung seines Chefs abstimmen lassen - und damit prompt eine Niederlage erlitten. Die Mitarbeitervertreter hätten sich geschlossen hinter ihn gestellt, sagt Weißhaar. Vom Tisch ist die Sache damit allerdings noch nicht. Durch ein Votum des zuständigen Arbeitgerichts kann Märklin die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ersetzen. Ob Seitzinger diesen Schritt wagt, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Weißhaar allerdings glaubt: "Um mich loszuwerden, machen sie das."