„Es war einmal“... im Museum Welzheim spielen von Sonntag an Märchen die Hauptrolle. Foto: Frank Eppler

„Einfach märchenhaft“ lautet der Titel einer Ausstellung, die am Sonntag in Welzheim eröffnet wird. Sie beweist: Märchen begegnen uns in allen Lebenslagen, sei es auf der Schuhcreme-Dose oder der Kekspackung.

Welzheim - Wer hat denn nun die Hexe in den Ofen geschubst – Hänsel oder Gretel? Für beide Versionen der Geschichte findet man in der Ausstellung „Einfach märchenhaft“, die am Sonntag eröffnet wird, bildliche Beweise – und kann sich seine Lieblingsvariante aussuchen. Beim Rundgang durch das Museum Welzheim ist das berühmte Geschwisterpaar quasi allgegenwärtig: es ziert den Einband von Märchenbüchern und Schallplatten, schmückt Briefmarken, Essbesteck und Spardosen, steht dreidimensional in Elastolin geformt vor dem Hexenhaus oder erinnert in Form eines Ansteckers an schlimme Zeiten, in denen das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes während des Nationalsozialismus kleine Märchenfiguren als Abzeichen an Spender verteilte.

Hugenotten brachten viele Märchen nach Deutschland

Einen ähnlichen Promistatus kann eigentlich nur Rotkäppchen vorweisen, aber sie ist ja schließlich auch eine typisch deutsche Märchenfigur der Gebrüder Grimm – oder? Mitnichten, sagt Roland Birkle, der die Ausstellung für das Museum organisiert und mit eigenen Beständen und Leihgaben von Michael Stock und Helmut Altmann bestückt hat. „Viele Märchen, die man den Grimms zuschreibt, stammen aus dem Französischen und sind mit den Hugenotten nach Deutschland gekommen.“ Bereits um 1700, also gut hundert Jahre bevor Jacob und Wilhelm Grimm 1812 ihren ersten Band der „Kinder- und Hausmärchen“ veröffentlichten, hatte Charles Perrault, ein französischer Schriftsteller und hoher Beamter, längst mit dem Sammeln und Niederschreiben von Volksmärchen begonnen. Im Jahr 1697 brachte er zum Beispiel „Le Petit Chaperon rouge“, das „Rotkäppchen“, heraus – des weiteren „La Belle au bois dormant“, hierzulande besser bekannt als „Dornröschen“.

Doch während Perrault an ein erwachsenes Publikum dachte, hatten die Grimms ein junges Zielpublikum und entschärften die Märchen. Die mögen heutzutage zwar brutal erscheinen, sind aber dennoch weit kindgerechter als die Version Perraults, versichert Roland Birkle: „Da werden Rotkäppchen und die Großmutter vom Wolf gefressen – und das ist dann das Ende.“

Keks-Prinzen und Rotkäppchen-Karikaturen

Auch Ludwig Bechstein sammelte und publizierte Volksmärchen, sein „Deutsches Märchenbuch“ erschien allerdings gut 30 Jahre nach dem ersten Grimm’schen Band. Zwei weitere Autoren haben einen Platz in der Ausstellung: Hans Christian Andersen und Wilhelm Hauff, die ebenfalls Volksmärchen literarisch bearbeiteten. Hauff griff dabei auch auf Motive aus der berühmten Sammlung „Tausendundeine Nacht“ zurück, sein „Kleiner Muck“ und der „Kalif Storch“ spielen im Orient.

Wo Menschen sind, sind Märchen – und ihre Helden tauchen in allen Lebenslagen auf, das zeigt die Ausstellung auf Schritt und Tritt: da ziert ein fescher Prinz die nach ihm benannte Kekspackung, der Froschkönig die Schuhcreme und Rotkäppchen die Sektflasche. Letzteres muss auch für etliche Karikaturen herhalten, auf einer antwortet ein im Brustbereich gut ausgestattetes Rotkäppchen auf des Wolfs Frage: „Was hast du denn im Körbchen?“ leicht verschämt „75 D“. „Es märchelt überall“, sagt Roland Birkle und zeigt auf Zeitungsschlagzeilen wie die von „Putins Sommermärchen“. Schräg gegenüber dürfen Besucher aus einem Brunnen allerlei magische Gegenstände angeln – Aladdins Wunderlampe zum Beispiel oder den Giftapfel.

Ein besonderer Hingucker sind die prachtvoll gestalteten Papiertheater, mit denen das Bürgertum vom 19. Jahrhundert an in der guten Stube Märchen auf die heimische Mini-Bühne brachte. Das von „Hänsel und Gretel“ führt das Theater Nürnberg am 1. und 2. Dezember im Museum auf (Kartenreservierung ab 26. November unter 0 71 83/4 11 35).