Die Lage ist ernst – wenn freiwillig Erkältungstee konsumiert wird. Foto: dpa

Schnupfen, Husten und Fieber – Alarmsignale für jeden Mann. Wenn das große Projekt Sommergrippe angepackt wird, darf es keine Kompromisse geben. Halten Sie die Taschentücher bereit!

Stuttgart - „Die Grippe ist der größte Feind des Mannes.“ Es ist zwar nicht überliefert, dass Cäsar das jemals gesagt hat, gedacht hat er es aber mit Sicherheit. Denn auch wissenschaftlich ist belegt: Was die Grippe angeht, haben Frauen Glück. Östrogene besitzen nämlich offenbar eine antivirale Wirkung, weswegen Männer mehr mit Grippeviren zu kämpfen haben. Unabhängig vom Geschlecht ist eine Grippe bei den aktuellen Temperaturen nicht weiterzuempfehlen. An dieser Stelle folgt daher ein Projektbericht mit einer Containerladung fein portionierter Dramatik. Denn wie jedes gute Projekt hat auch die Männergrippe ihren streng geregelten Ablauf:

Akt 1: Er(n)ste Anzeichen

Tag 1: Ein erstes Schniefen? Spontane Niesanfälle? Kopfschmerzen? Keine Panik, Ruhe bewahren. Auch wenn die Stimmbänder bereits instinktiv einen röchelnden Wolf-Mond-Dialog anstimmen wollen. Eigentlich spricht nichts dagegen, heute noch Überstunden zu machen. Arbeit ist die beste Medizin. Vielleicht im Anschluss noch feiern gehen, so schlimm wird es schon nicht sein.

Tag 2: Die Symptome haben sich intensiviert. Eine ganz schön hartnäckige Erkältung. Vielleicht sollte die Einkaufsabteilung vorsorgen: Sensitiv-Taschentücher, Erkältungstee und Eukalyptus-Bonbons sind bestellt. Homöopathisch erfolgt ein erster Einsatz von Pfefferminzpastillen. Dann gehst du schlafen.

Akt 2: Der Tod

Tag 3: Sterben stört die Morgenroutine erheblich. Insbesondere, wenn sich dein Kopf anfühlt, als hätte er gerade im Alleingang eine Lösung für das Insektensterben gefunden. Es brummt und dröhnt, benebelt drehst du dich noch einmal um. Selbst ein Bear Grylls ist nicht davor gefeit, morgens mit einer geschlossenen Nase konfrontiert vor Wut spontan ins Husten auszubrechen. Halbtot schaltest du einen Teleshopping-Sender ein. Eine aufgestylte Dame namens Serafina Hamilton, vermutlich Ende 60, versucht gerade, eine Hals- und Dekolletécreme zu verkaufen. Du hast zwar kein Interesse, aber gerade ist dir ohnehin nicht nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Programm zumute. Ein Grund mehr, zuhause zu bleiben? Mit deinen Augenringen siehst du aus wie ein Panda. Es war (von Winnie Pooh und anderen Einzelfällen abgesehen) noch nie förderlich für die Karriere, ein süßer Bär zu sein. Also rufst du deinen Chef an, bleibst im Bett und hoffst das Beste.

Tag 4: Im Schrank hast du mit letzter Kraft noch einen Beutel Pfefferminztee gefunden. Mit einem Heißgetränk bewaffnet, fühlst du dich schon gleich viel besser. Leider war es der Schrank deiner Mitbewohnerin, darum muss sich die Compliance-Abteilung wohl später noch kümmern. Jetzt erst einmal wieder ins Bett. Offenbar ist mangels Absatz auch heute die Hals- und Dekolletécreme dein Begleiter. Du murmelst gedankenverloren die Nummer vor dich hin. Später am Tag besuchst du den Arzt deines Vertrauens. Nach einem kurzen prüfenden Blick in deine Augen schreibt er dich erschreckt für den Rest der Woche krank.

Tag 5: Nachdem du morgens nun schon mehrfach gestorben bist, stellt sich ein leichter Gewöhnungseffekt ein. Es folgt ein Blick auf die Sendungsverfolgung: Heute soll dein Care-Paket zugestellt werden. Während du voller halb toter Vorfreude auf das Klingeln des Paketboten wartest, versucht Serafina Hamilton schon den dritten Tag in Folge, dir eine Hals- und Dekolletécreme zu verkaufen. Du tippst die Nummer in dein Handy und beginnst langsam an deiner Existenz zu zweifeln. Vielleicht kommt endlich etwas Abwechslung ins Programm, wenn sie zumindest einen ihrer Schmelztiegel losgeworden ist, denkst du dir. Kurz darauf kommt der Paketbote vorbei. Als frisch gebackener „Influenza“ der PR-Abteilung niest du ihn zur Begrüßung an und unterschreibst für Taschentücher, Tee und Bonbons als Serafina.

Akt 3: Die Wiederauferstehung

Tag 6: Langsam geht es dir etwas besser. Zumindest der Kopf brummt nicht mehr ganz so stark. Auch dein Bewusstsein kehrt allmählich zurück. Von der unerwarteten Entwicklung überwältigt, schniefst du die Melodie von „Always look on the bright side of life“ ins Taschentuch. Euphorisch findest du die Energie, den Sender zu wechseln. „Die härtesten Teilzeitjobs Nordostsibiriens“ ist zwar auch nicht unbedingt lehrreiche Sendung, aber besser mit deinem Selbstbild vereinbar. Außerdem findest du die heisere Stimme aus dem Off aktuell ziemlich sympathisch. Aus dem Küchenfenster siehst du deinen Paketboten, der zwar Geräusche macht wie ein sterbendes Walross, aber zeitgleich beneidenswert motiviert aussieht.

Tag 7: Pünktlich zum Ende der Arbeitswoche kannst du wieder klare Gedanken fassen. Nase und Hals schwelgen zwar noch in Erinnerungen an die überwundene Schlacht, im Großen und Ganzen geht es dir aber gut. Ein kochender Paketbote bringt dir am Abend ein Paket mit Hals- und Dekolletécreme. Du kannst dich nicht daran erinnern, wann und warum du so etwas bestellt haben solltest. Also lässt du das Paket zurückgehen. Er bittet erschöpft um ein Eukalyptusbonbon, bevor er vor deiner Tür zusammenbricht. Die herbeigerufenen Sanitäter können nach verzweifelten Wiederbelebungsversuchen nur noch eine verschleppte Männergrippe feststellen.