Gescheiterte Entführung auf einer Schultoilette in Nürtingen: Die Anklägerin fordert vor dem Landgericht Stuttgart über fünf Jahre Gefängnis Foto: dpa

Im Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht um die gescheiterte Entführung einer 15-Jährigen aus einem Nürtinger Gymnasium, hat die Staatsanwältin fünf Jahre und drei Monate Gefängnis gefordert. Das Motiv des Angeklagten bleibt rätselhaft.

Stuttgart/Nürtingen - Fünf Jahre und drei Monate Gefängnis – so lautet der Strafantrag von Staatsanwältin Julia Matheis gegen den Mann, der am 5. Mai 2015 ein 15-jähriges Mädchen auf der Toilette eines Gymnasiums mit Klebeband gefesselt hatte. Die geplante Entführung der Schülerin war damals gescheitert. Der Angeklagte habe sich des Menschenraubs schuldig gemacht, so die Anklägerin, und: „Die wesentliche Frage, was er mit dem Mädchen machen wollte, haben wir nicht klären können.“

Der 27-jährige Deutsch-Schweizer hat bis zuletzt eisern geschwiegen, was sein Tatmotiv und sein Tatziel angeht. Wollte er die Schülerin sexuell missbrauchen, gar töten? Außer ihm weiß es niemand. „Auch ich stehe vor einem großen Rätsel“, sagt Verteidiger Stefan Holoch. Ganz so wie der psychiatrische Gutachter Peter Winckler, der mit dem Angeklagten mehrere Gespräche geführt hat. Auch er ist ohne Antwort geblieben. „Sobald es bei um die Tat ging, hat er den Rollladen runtergelassen.“

„Angeklagter ist voll schuldfähig“

Gutachter Winckler bescheinigt dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit. Der Mann, der diese „unheimliche und bizarre Tat“ begangen haben soll, so Winckler, weise zwar eine narzisstische, schizoide und disoziale Persönlichkeitsstörung auf, sprich er sei selbstverliebt, leide an Beziehungsarmut und gestörtem Sozialverhalten. Das genüge indes nicht für eine Einschränkung der Schuldfähigkeit. Psychopathologisch sei der 27-Jährige unauffällig. Allerdings sei er alkoholabhängig, sagt Winckler.

In der Wohnung des Mannes in Neuffen im Kreis Esslingen hatte die Polizei Tausende Bilddateien und etliche Videos sichergestellt, auf denen wüste Gewaltdarstellungen, Fessel- und Knebelsex zu sehen waren – Hardcore-Pornos, verstümmelte Leichen, abgehackte Köpfe. „Sehr verstörend“, so Cornelie Eßlinger-Graf, Vorsitzende Richterin der 4. Strafkammer. Es gebe aber nicht genügend Hinweise darauf, dass der mehrfach vorbestrafte Angeklagte an einer krankhaften sexuellen Störung leide, stellt der Gutachter klar. Trotzdem vermute er, dass die geplante Entführung der Schülerin einen sexuellen Hintergrund gehabt habe.

Die Schülerin war ein Zufallsopfer

Der Angeklagte hatte dem Mädchen mittags auf der Damentoilette des Gymnasiums in Nürtingen aufgelauert, es mit Klebeband gefesselt und versucht, es in einer Reisetasche aus der Schule zu tragen. Er scheiterte. Die Schülerin war ein Zufallsopfer.

Der berufslose Mann, der mehrere abgebrochene Studiengänge und Ausbildungen hinter sich hat, bestreitet, einen konkreten Plan gehabt zu haben. „Nach dem Aufstehen kam der Input, irgendeinen Scheiß zu machen“, sagte er bei der Polizei. Er sei „psychisch am Arsch“ und habe sein Leben vor die Wand fahren wollen. Am Abend nach der Tat hatte er sich in Stuttgart der Polizei gestellt. „Freiwillig, ohne Fahndungsdruck“ betont Verteidiger Holoch, der auf die im Vergleich zum Menschenraub geringer bestrafte Freiheitsberaubung plädiert. Holoch hält eine Gesamtstrafe von drei Jahren für ausreichend.

Gesamtstrafe deshalb, weil dem Angeklagten, der zu allem Übel Bewährungsbrecher ist, noch eine Körperverletzung in seiner damaligen Wohngemeinschaft und Widerstand gegenüber Polizisten sowie Beleidigung vorgeworfen wird. Er hat alles gestanden. Die 4. Strafkammer will das Urteil am kommenden Montag verkünden.