Nach dem Machtwechsel in Kiew steht der Ukraine jetzt harte politische Arbeit bevor. Ex-Regierungschefin Timoschenko fordert nach ihrer Haftentlassung die Fortsetzung des „Kampfes für die Freiheit“. Die EU mahnt verantwortungsvolles Handeln an.

Nach dem Machtwechsel in Kiew steht der Ukraine jetzt harte politische Arbeit bevor. Ex-Regierungschefin Timoschenko fordert nach ihrer Haftentlassung die Fortsetzung des „Kampfes für die Freiheit“. Die EU mahnt verantwortungsvolles Handeln an.

Kiew  - Nach dem revolutionären Umbruch in der Ukraine steht das Land jetzt vor dem harten politischen Alltag. Zwar wirken noch der Jubel und die Freude nach der Freilassung von Oppositionsführerin Julia Timoschenko nach zweieinhalb Jahren in Haft nach, doch mahnte die EU bereits maßvolles Handeln der neuen Machthaber an. Die Freilassung Timoschenkos sei ein wichtiger Schritt, um das Problem der „selektiven Justiz“ anzugehen. Zugleich betonte die EU- Außenbeauftragte Catherine Ashton am Samstagabend, die Entwicklung in der Ukraine werde aufmerksam verfolgt.

Nötig sei nun verantwortungsvolles Handeln, um die Einheit, die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität der Ukraine zu wahren. „Wir brauchen eine dauerhafte Lösung der politischen Krise“, forderte Ashton. Dazu gehöre eine Verfassungsreform, eine neue Regierung und das Schaffen von Voraussetzungen für demokratische Wahlen. Die EU sei weiter bereit, dem Land bei der Deeskalierung oder bei Reformen zu helfen.

Das Parlament in Kiew ließ ihre im Eiltempo gefassten Beschlüsse noch am späten Samstagabend in einer eigens gedruckten Zeitung veröffentlichen. Damit traten mehrere Gesetze in Kraft, darunter die Verfassung von 2004 sowie der Beschluss zu vorgezogenen Präsidentenwahlen für den 25. Mai. Zuvor war der bisherige Präsident Viktor Janukowitsch von den Abgeordneten angesetzt worden.

In einer emotionalen Rede auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew appellierte die wegen eines Bandscheibenvorfalls im Rollstuhl sitzende frühere Regierungschefin Timoschenko am Abend, den „Kampf für die Freiheit“ der Ukraine bis zu Ende zu führen. Mehr als 100 000 Menschen jubelten ihr zu. Timoschenko hatte erst wenige Stunden zuvor das Gefängniskrankenhaus in Charkow verlassen.

Sie wolle bei der nächsten Präsidentenwahl kandidieren, sagte die wohl beliebteste Politikerin des Landes. Im Februar 2010 hatte sie die Präsidentenwahl gegen Janukowitsch verloren. „Die Diktatur ist gestürzt“, verkündete die 53-Jährige.

Janukowitsch, der nach Angaben des Grenzschutzes das Land verlassen wollte, sprach von einem „Staatsumsturz“ und wertete die Beschlüsse als „gesetzeswidrig“. Zuvor hatte er in einem Fernsehinterview erklärt, er werde nicht zurücktreten und auch nicht das Land verlassen.

Mehrere Staatsfunktionäre setzten sich ins Ausland ab, wie Medien berichteten - oder wurden an der Flucht gehindert. Russland rückte erstmals öffentlich von Janukowitsch ab. Die jüngsten Ereignisse im Nachbarland seien Beweis für den Machtverlust des Staatschefs, meinte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Alexej Puschkow, in Moskau. „Ein trauriges Ende für einen Präsidenten.“

Die Oberste Rada in Kiew wählte den früheren Vizeregierungschef Alexander Turtschinow zum neuen Parlamentspräsidenten. Er ist ein Vertrauter Timoschenkos. Der bisherige Rada-Chef Wladimir Rybak hatte zuvor seinen Rücktritt erklärt. Turtschinow soll bis zur Ernennung einer Übergangsregierung die Kabinettsarbeit steuern. Zum Innenminister wurde der Oppositionelle Arsen Awakow bestimmt.

Bei blutigen Zusammenstößen von Regierungsgegnern mit der Polizei in Kiew waren in den vergangenen Tagen auf beiden Seiten mindestens 82 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden.

Die Demonstrationen gegen Janukowitsch hatten Ende November begonnen, nachdem der Staatschef auf Druck Russlands ein historisches Partnerschaftsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hatte.

Timoschenko war im Oktober 2011 wegen Amtsmissbrauchs trotz internationaler Proteste zu sieben Jahren Straflager verurteilt worden. In dem nach Ansicht internationaler Beobachter politisch motivierten Verfahren wurde ihr ein Abkommen mit Russland über Gaslieferungen zum Nachteil der Ukraine zur Last gelegt.