Im Rathaus werden am Mittwoch Getränke ausgeschenkt – das gibt es noch, aber Fremdveranstalter sollen die Gläser mitbringen und daheim spülen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Tolle Tage im Rathaus! An Fasching darf man dort guten Gewissens mit Gläsern anstoßen. Ansonsten sollte man es sich verkneifen, denn der Gesamtpersonalrat verhindert, dass Geschirr von Veranstaltungen in der Kantine gespült wird. Grund: ein Machtkampf um Stellen.

Stuttgart - Im Rathaus der Landeshauptstadt sind viele fassungslos: Bei Veranstaltungen muss der folgende Umtrunk oder Ständerling künftig wahrscheinlich ausfallen. Grund: Es ist nicht mehr sichergestellt, dass Gläser, Teller und Besteck gespült werden können. Alternativ muss das Geschirr mitgebracht und später außer Haus gesäubert werden.

In der Rathauskantine im vierten Obergeschoss steht zwar eine veritable Spülstraße, mit der man den Abwasch leicht bewältigen könnte, doch der Gesamtpersonalrat der Stadt unter der Regie von Markus Freitag hat da einen Riegel vorgeschoben. Der Grund: Er will verhindern, dass Mitarbeiter der Kantine innerhalb der üblichen Betriebszeiten zu Zusatzarbeit herangezogen werden. Die Personaldecke sei zu dünn. Außerhalb der üblichen Arbeitszeiten, etwa am späten Nachmittag oder am Abend, seien die Spülleistungen auf freiwilliger Basis als bezahlte Überstunden denkbar.

Aber es kommt noch dicker: Nicht einmal andere Mitarbeiter im Rathaus dürfen an die Spülmaschine ran. Nach Informationen unserer Zeitung wäre die Chefin der Protokollabteilung im Rathaus, Bärbel Mohrmann, bereit gewesen, Servicepersonal aus ihrem Bereich oder andere geeignete Kräfte zu stellen. Man benötige nur Zugang zur Spülstraße. Vergeblich. Deswegen könnten nun bestimmte Veranstaltungen nicht mehr in der gewohnten Form und mit dem gewohnten Service stattfinden, so bedauerlich das auch sei, soll Mohrmann signalisiert haben.

Inzwischen gibt es auch schon die Ansage, dass externe Gastgeber ihr Geschirr ins Rathaus mitbringen und im schmutzigen Zustand wieder mitnehmen müssen. Dabei müsste die Spülstraße manchmal nur eine halbe Stunde beansprucht werden, um Gläser zu säubern, manchmal vielleicht eine oder zwei Stunden.

Für den Rosenmontag, wenn das Festkomitee der Karnevalisten zum Empfang im Rathaus bittet und wenn dort Kinderfasching ist, hat Markus Freitag eine Sondergenehmigung erteilt. Für den üblichen Umtrunk von Funktionären vor dem Faschingsumzug am Dienstag auch – aber dann greift wieder die Spülsperre des Personalrats.

Bis Ende Juli stehen noch rund 20 Veranstaltungen im Kalender, für die Spüldienste nötig wären. Darunter sind der Frühjahrsempfang der Grünen, Ausstellungseröffnungen, Ehrungen von Blutspendern und Sportmeistern oder Empfänge im Zusammenhang mit dem Evangelischen Kirchentag im Sommer. Wie das nun ablaufen soll, ist unbekannt. Von der Protokollchefin war keine Auskunft zu bekommen.

Erste Opfer gibt es schon. Fraktion und Kreisverband der CDU kamen bei ihrem Neujahrsempfang vor kurzem zwar noch ungeschoren davon. Aber auch nur deshalb, weil die Veranstaltung komplett beim Gastronomiebetrieb Ratskeller beauftragt worden war. Und der hat im Keller selbst Küche und Spülgeräte. Die SPD traf es bei ihrem Empfang schon härter. Mitarbeiter des Protokolls und des Sitzungsdienstes spülten in der kleinen Spülküche der Cafeteria im dritten OG, die nicht zur Kantine zählt, Gläser, damit der Ausschank nicht zum Erliegen kam. Das Geschirr habe man beim Caterer mitbestellt, sagt Fraktionschef Martin Körner.

Die Kosten der Veranstaltung seien zwei- oder dreimal so hoch wie früher, als die Fraktion noch Geschirr und Speisen aus der Rathauskantine bezogen hatte. Sozialdemokrat Körner will das aber nicht als Vorwurf verstehen. Er könne nachvollziehen, dass der Personalrat das Kantinenpersonal nicht über Gebühr belasten wolle. Körners Eindruck ist, dass der Personalrat alle Mehrleistungen abblockt, für die die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gebraucht wird – bis sich die Personalausstattung verbessert.

Andere Beobachter bringen es auf den Nenner, dass der Personalrat auf diese Weise die Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung vor einigen Jahren zurückdrehen wolle. Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) sehe keinen Stellenmangel, heißt es. Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden zusammenrasseln. Schon bei der Frage, wie das Essensangebot für Mitarbeiter verbessert werden müsste und wie sich das auf den Preis auswirken darf, hatten sie sich ineinander verbissen. Später auch bei der Umsetzung des neuen Landesgesetzes über die Personalvertretung.

Was das Spülen angeht, schien die Situation schon einmal bereinigt gewesen zu sein. Ende Januar hatten sich Verwaltung und Personalrat über ein konstruktives Gespräch gefreut. Man peilte an, die Spülküche vom Rest der Kantine baulich zu trennen und für Spülleistungen bei den Veranstaltern pro Gedeck 2,50 Euro einzutreiben, was der Kantine zugutegekommen wäre. Personalratschef Freitag konnte damals nicht dabei sein.

Eine Woche später legte er Einspruch ein. Warum? Diese Frage blieb am Mittwochnachmittag unbeantwortet. Freitag steckte in Besprechungen und rief bis Redaktionsschluss nicht zurück. Bekannt ist aber, woher seine starke Rolle in dem Streit rührt. Die Kantine hat den Status einer Wohlfahrtseinrichtung. Damit unterliegt sie nicht nur der üblichen Mitbestimmung. Alle Maßnahmen bedürfen ausdrücklich der Zustimmung des Gesamtpersonalrats.

Einziger Lichtblick bei dem Ringen: An diesem Donnerstag wollen Wölfle und Freitag noch mal versuchen, das Problem zu lösen. Ausgang ungewiss.