Laschet (links) und Söder: Das vereinbarte Stillschweigen ist das einzige, was in der Union an diesem Tag funktioniert. Foto: dpa/Michael Kappeler

Markus Söder fliegt nach Berlin, die Junge Union spricht sich für ihn aus – doch die Entscheidung um die Kanzlerkandidatur wird erneut vertagt. Die Gräben in der Union vertiefen sich immer weiter.

Berlin - Die Kommunikationskanäle sind fast ausgetrocknet. Nur noch dürre Mitteilungen erreichen die Berliner Hauptstadtjournalisten von ihren Quellen, die sonst kräftig sprudeln. „Nix Neues“, heißt es am Wochenende immer wieder, als die soundsovielte Nachfrage zum Stand der Gespräche zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder gestellt wird. Dabei läuft die selbst gesetzte Frist ab, bis Ende der Woche zu entscheiden, wer von beiden die Union als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl führen und sich um Angela Merkels Nachfolge bewerben soll.

Gerechnet hatten Beobachter eigentlich damit, dass schon am Samstag weißer Rauch hätte aufsteigen sollen. Hintergrund dieser Terminkalkulation war nicht nur das Ultimatum, das Tilman Kuban als Chef der gemeinsamen Nachwuchsorganisation Junge Union gesetzt hatte, die im Bundestagswahlkampf traditionell die meiste Arbeit übernimmt. Eine Rolle spielte auch der Staatsakt für die Coronatoten am Sonntag. Das Gedenken mit einem anhaltenden parteipolitischen Machtkampf zu stören wäre der Parteien mit dem Christentum im Namen unwürdig – so lautete zumindest vor dem Wochenende eine der internen Überlegungen. Am späten Sonntagabend bestätigt die CDU-Zentrale, dass auch dieser Tag der Entscheidung ins Wasser gefallen ist.

Kurz zuvor ist überhaupt erst bekannt geworden, dass Laschet und Söder bisher fernmündlich miteinander in Kontakt standen. Das lässt sich daraus schließen, dass nach halb acht die Landung eines aus Nürnberg kommenden Privatjets in Berlin gemeldet wird – mit Söder an Bord.

Angeblich in guten Gesprächen

Wirklich sicher ist im Verlauf des Wochenendes aber eigentlich nur, dass die Schwesterparteichefs seit Freitagabend mehr oder weniger ununterbrochen miteinander reden. „Laschet und Söder sind in guten Gesprächen“, war da aus der CDU zu hören. So gut können sie selbstredend nicht verlaufen sein, sonst hätten sie viel früher etwas zu verkünden gehabt.

Während Laschet und Söder öffentlich schweigen, reden andere. Und aus all diesen Äußerungen, die am Wochenende über die Nachrichtenagenturen verbreitet werden, wird einmal mehr klar, dass es längst um viel mehr geht als die K-Frage.

Das Verhältnis der Schwesterparteien untereinander leidet. Der Frust ist groß, dass kein verabredetes Prozedere greift wie bei den Grünen. Also schlägt Christian Bäumler vom Arbeitnehmerflügel einen „Deutschlandrat der Union“ vor, der künftig alle Unklarheiten zwischen der großen und kleinen Schwester beseitigen soll. Und wie schon 2018, als sie sich in der Asylpolitik fast zerlegten, werden erste Stimmen laut, die in der Gründung eines CDU-Landesverbands in Bayern „kein Tabu mehr“ sehen, falls CSU-Söder nicht den Wunsch der christdemokratischen Bundesgremien akzeptiert und seine Kandidatur zurückzieht. Es ist kein Spitzenpolitiker, der das sagt, sondern der Europaabgeordnete Dennis Radtke, ein Laschet-Unterstützer aus Nordrhein-Westfalen – aber es spricht Bände.

Mehr Gewicht hat das Wort Annegret Kramp-Karrenbauers. Die Verteidigungsministerin, die entnervt den CDU-Vorsitz abgegeben hat, sieht eine viel grundsätzlichere Gefahr heraufziehen. Wer Beschlüsse gewählter Parteigremien als Entscheidungen im „Hinterzimmer“ bezeichne, wie das aus der CSU zu hören war, der schade „auch den repräsentativen Strukturen, die wir in der Bundesrepublik haben“. Was sie bei einer Veranstaltung der Adenauer-Stiftung sagt, kommt einer unverhohlenen Warnung gleich – vor umfragebeliebten, selbst erklärten Volkstribunen, die Parteistrukturen nur für ihre Zwecke benötigen. Kramp-Karrenbauer befürchtet schon lange, personalisierte Bewegungen wie in Frankreich oder Österreich könnten der CDU als Volkspartei den Garaus machen.

Ähnliche Sorgen treiben auch Andreas Jung um. In der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, der er vorsteht, sehen sich ebenfalls viele nicht an den Parteigremienbeschluss vom Montag gebunden. Die gemeinsame Bundestagsfraktion von CDU und CSU soll das Kandidatenrennen entscheiden, wenn es nach ihnen geht. Jung hat sie angeschrieben. „Bei einer Abstimmung“, heißt es in dem Brief, würde „eine erhebliche Beschädigung drohen – und zwar beider Personen und der Union insgesamt“.

Die Söder-Unterstützer pochen auf Beteiligung

Beidrehen wollen die Söder-Fans in der CDU nicht. Sie glauben fest, dass es nun auf ihren Favoriten hinausläuft. Christian von Stetten etwa verweist auf Reformvorschläge zur Basisbeteiligung bei Personalien, die zwar noch nicht vom Parteitag beschlossen, aber bereits vom Vorstand unterstützt wurden. Man könne nicht, so der Abgeordnete, „diese Zusage beim ersten Praxistest einfach über Bord werfen“.

Die Junge Union kommt am Sonntagabend digital zu einer Sondersitzung zusammen. Viele Landesverbände haben nur mühsam mit Kubans Ultimatum davon abgehalten werden können, sich früher zu äußern. Nun gibt es ein Votum, das klar für Söder ausfällt. Ob es sein Duell mit Laschet entscheidet, bleibt dennoch unklar.

Von den Kontrahenten selbst ist immer noch nichts zu hören. Einzig das zwischen ihnen vereinbarte Stillschweigen funktioniert an diesem Tag in der Union.