Horst Seehofer (l.) und Markus Söder im Gespräch Foto: dpa

Der ewige Kronprinz ist am Ziel seiner Träume: Die CSU-Landtagsfraktion hat Söder zu ihrem Kandidaten gekürt. Seehofer darf vorerst bleiben – und vielleicht lockt ihn bald der Posten des Innenministers nach Berlin?

München - Es ist halb zehn an diesem Montagvormittag, vor dem Konferenzsaal der CSU-Fraktion in München, als Horst Seehofer unten im Hof des Landtags in seiner Limousine davonfährt. Ein anderer schreitet währenddessen oben zur Pressekonferenz: Den linken Manschettenknopf hat Markus Söder geöffnet, entweder weil sonst die dicke Uhr nicht unter den Hemdsärmel gepasst hätte, oder weil er in den letzten eineinhalb Stunden voller Ungeduld dauernd aufs Zifferblatt schauen musste. Es ist ja sein Tag heute. Alles ist gelaufen wie gewünscht, wie vor und hinter den Kulissen orchestriert: Markus Söder ist am Ziel.

Ministerpräsident in Bayern wollte er werden, immer schon. „Zum Besten für’s Land“, wie er sagt – auch wenn andere nur persönliches Karrierestreben dahinter sehen. Und nach vielen Jahren zähen, trickreichen Hinhaltekampfs hat Horst Seehofer nun den Weg freigemacht. Nicht eben freiwillig, aber aufgrund der Einsicht, dass nach der desaströs verlorenen Bundestagswahl dem Druck aus der Partei nicht anders zu begegnen war. Und als Seehofer trotzdem weiter auf Zeit spielen wollte, hatte ihm die mächtige CSU-Landtagsfraktion das Heft aus der Hand genommen.

Erst war Söder ausgeladen – jetzt hält er in Passau die Hauptrede

Sie setzte auf eigene Faust eine Abstimmung über den nächsten Wunsch-Ministerpräsidenten an. Seehofer gelang immerhin am Wochenende noch, eine Streitlösung zu verhindern: Innenminister Joachim Herrmann verzichtete vor der Fraktion auf eine Kampfkandidatur gegen Söder, „um der Einheit der Partei willen“; auch Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zog zurück. Und Söder bekam, per Handhebung, die hundert Prozent. „101 Prozent“, wie Journalisten ulkten. Denn 101 Mitglieder hat die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag.

Und Seehofer schenkte dem Rivalen ganz unerwartet – als Konzession an die rebellische Fraktion? – noch etwas obendrauf: Schon im ersten Quartal 2018 will er den Platz in der Staatskanzlei freimachen. Damit kann Söder mit Amtsbonus im Herbst in die Landtagswahl ziehen. Aber vielleicht ist das größte Zugeständnis dieses: Söder darf die Hauptrede beim nächsten Politischen Aschermittwoch halten. Was für ein Unterschied zu diesem Jahr! Da musste Söder noch draußen blieben – während Seehofer alle CSU-Halbhöhenpolitiker im Passauer Bierzelt schaulaufen ließ.

Seehofer macht sich was Söder betrifft keine Illusionen

Seehofer bleibt dennoch: Als Parteichef auf unabsehbare Zeit. „Die Lösung, zu der auch ich gehöre, war einfach die erfolgversprechendste“, sagt er – erfolgversprechend für die Koalitionsverhandlungen in Berlin (Seehofers Part) und für die Landtagswahlen in Bayern (Zugpferd Söder). Aber werden sich die beiden Dauerrivalen auch vertragen? „Heute waren sie definitiv sehr herzlich miteinander“, sagt der leidvoll doppelspitzengeprüfte Theo Waigel nach der Sitzung des Parteivorstands am Mittag.

Seehofer hingegen macht sich keine Illusionen: Eine gute Zusammenarbeit hätten sie sich versprochen, Söder und er, aber „Absichtsbekundungen“ genügten da nicht. „Dagegen, wenn wir das im Alltag hinkriegen, dann wäre das ein wunderschönes Beispiel für die Erneuerung einer Volkspartei.“ Hat er früher nicht gemeint, Söder sei ungeeignet für das Ministerpräsidentenamt, fragt man Seehofer? „Jetzt muss alles Historische zurücktreten, weil wir die Zukunft gestalten wollen“, antwortet er. „Ein Mensch, der alles vergisst, ist arm dran; ein Mensch der überhaupt nichts vergisst, noch ärmer“, philosophiert er.

Will Seehofer Minister in Berlin werden?

Söder äußert sich gar nicht zur künftigen Zusammenarbeit mit Seehofer. Er lobt diesen nur – in der Art eines Nachrufs – für seine „sehr, sehr erfolgreiche Politik für Bayern“ und für die „starke“ Entscheidung, wieder als Parteichef anzutreten. Die Partei aus ihrem historisch tiefsten Loch wieder heraufzuholen, sei eine „Gemeinschaftsaufgabe“, ein „Mannschaftsspiel.“ In den aktuellen Umfragen steht die CSU bei 37 Prozent, noch tiefer als bei der Bundestagswahl. Das ist der Tag, an dem Söder und Seehofer den Neuanfang ausrufen. Sie tun es in getrennten Pressekonferenzen.

„Mit Mut und Demut“ will Söder nun an sein Lebensziel herangehen, „mit Fleiß und Einsatz“. Dass er enorm arbeitswillig ist, hat Söder in seinen Jahren als Finanzminister bewiesen. Pausenlos war er im Land unterwegs, bis in den letzten Winkel, Förderbescheide streuend für Breitbandausbau und andere Wohltaten. Scheckbuchpolitik pur, kein großes Problem in Bayern: Geld hat man ja. Auch der Landtagsfraktion konnte Söder eine Menge versprechen: Schließlich darf er als Ministerpräsident die ganze Landesregierung neu zusammensetzen; da löst sich demnächst ein Beförderungsstau auf.

Und die anderen? Will Seehofer Minister in Berlin werden? „Was sich ergibt, muss man sehen“, antwortet er: „Es muss sich auch gar nichts ergeben. Nach 37 Jahren Berufspolitiker bin ich ein sehr, sehr freier Mensch.“ Und Innenminister Joachim Herrmann? Spitzenkandidat war er bei der Bundestagswahl, kein Mandat hat er bekommen, und mit dem Ministerpräsidentenamt wird’s jetzt auch nichts. Auf jeden Fall hat er jetzt die Hängepartie entschieden: Er bleibt in Bayern, „als bester Innenminister von ganz Deutschland“, wie ihn dieselbe Fraktion preist, die seinen Kontrahenten Söder zum Ministerpräsidenten ausgerufen hat. Das heißt aber auch: wenn Herrmann nicht als Bundesinnenminister nach Berlin strebt, wird dort durchaus der Platz für ein „Alphatier“ der CSU frei. Also für Seehofer. Irgendwie kriegt dann doch alles seine Ordnung.