So eine Seilbahn (hier in Berlin) könnte auch in Stuttgart eine Zukunft haben. (Symbolbild) Foto: dpa

Das Ingenieurbüro SSP Consult hat den Auftrag, die Machbarkeit verschiedener Seilbahnführungen in Stuttgart zu prüfen. Ist das für die Experten ein Verkehrsgutachten wie jedes andere? Und was genau wird da eigentlich untersucht?

Filder - Der Diplom-Ingenieur Michael Welsch spricht über den Verkehr im Synergiepark und erklärt, wie eine Seilbahn helfen könnte, das Problem in den Griff zu bekommen.

Herr Welsch, Ihr Büro ist an der Schockenriedstraße mitten im staugeplagten Synergiepark. Wie sind Sie heute Morgen zur Arbeit gekommen?

Ich bin in der ungünstigen Situation, dass ich an der A 8 zwischen Leonberg und Pforzheim wohne. Im Vergleich zum Auto brauche ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln je Richtung eine Stunde länger, um ins Büro zu kommen. Ich müsste mehrfach umsteigen und damit mehr als die dreifache Zeit investieren. Ich hatte das mal testweise versucht, aber es ist alles sehr umständlich. In der Konsequenz bin ich Autopendler, habe mir aber zwischenzeitlich ein Elektroauto angeschafft, um zumindest weitgehend sauber zu fahren.

Und stehen Sie im Stau?

Üblicherweise nicht. Man muss sich natürlich im Vorfeld mit Hilfe der Verkehrsmeldungen informieren, ob und wo es vielleicht gerade stockt und gegebenenfalls Ausweichrouten wählen. Außerdem habe ich den Vorteil, dass ich mir meist meine Arbeitszeit versetzt zu den Stoßzeiten einteilen kann. Ich fahre dadurch in der Regel nach den täglichen Verkehrsspitzenzeiten. Aber auch meine Kolleginnen und Kollegen stehen eher selten im Stau, da viele den ÖPNV oder das Fahrrad nutzen.

Das heißt, dass das Verkehrschaos rund um den Synergiepark gar nicht so schlimm ist, wie immer behauptet?

Das würde ich so pauschal nicht sagen. Unsere Autofahrenden, die über die Nord-Süd-Straße kommen, sind durchaus auch häufiger vom Stau geplagt. Aber Fakt ist, dass viele Menschen von außerhalb oft eine negativere Meinung zur Verkehrssituation haben, als die Situation innerhalb des Gebiets ist. Natürlich gibt es in Spitzenzeiten Engpässe, die dann durch besondere Störungen, wie in der vergangenen Woche mit der neuen Ampelanlage bei der Baumaßnahme am Anschluss Breitwiesenstraße, auch sehr unschöne Auswirkungen haben. Innerhalb des Synergieparks selbst läuft der Verkehr in der Regel aber recht flüssig. Fakt ist aber auch, dass der Synergiepark mit dem Vaihinger Bahnhof, der Stadtbahnlinie U12 und den Busverbindungen aus vielen Richtungen gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden ist. Allerdings ist damit der westliche Teil des Gebiets deutlich besser erschlossen als der östliche Bereich. Mit der neuen Linienführung der Buslinie 80 sollen hier erste Verbesserungen erzielt werden. Da ist aber noch Luft.

Das Konzept der Stadt für einen besseren Verkehrsfluss im Synergiepark beruht kurzfristig vor allem darauf, Parkplätze zu streichen und dafür Busspuren, bessere Radwege und breitere Gehwege zu bauen. So ist es jetzt für die östliche Industriestraße angedacht. Wie finden Sie das?

Da schlagen bei mir zwei Herzen in der Brust. Zum einen passt dieses Konzept zur Linie der Stadt, umweltfreundliche Mobilität zu fördern und auszubauen. Die Schaffung von Angeboten für den Radverkehr und die Bevorrechtigung der Busführung sind ebenso Ansätze wie die neuen Bushaltestellen an der Industriestraße und am Wallgraben. Auf der anderen Seite habe ich aber auch Verständnis für die Bedürfnisse der betroffenen Pendler hier im Gebiet, da einige der kostenlosen Parkplätze an der Straße entfallen werden. Nicht jeder, der hier arbeitet, kann sinnvollerweise sein Auto stehen lassen. Und wenn die Menschen umsteigen sollen, dann sollten weitere Anreize geschaffen werden, damit sie das auch tun können.

Kann eine Seilbahn ein solcher Anreiz sein? Ursprünglich wurde diese Idee ja von vielen belächelt.

Eine Seilbahn als Erweiterung der Verkehrssysteme ist quasi „nicht aus der Luft gegriffen“. Wir haben eine solche Ergänzung bereits vor Jahren zusammen mit Professor Sabow von der Wirtschafts- und Industrievereinigung in der „Verkehrsproblemanalyse für den Synergiepark“ vorgeschlagen, um ein Parkhaus in der Nähe der Autobahn an den Synergiepark anzubinden. Gleichzeitig hat die Fraktion der Grünen mit Frau Deparnay-Grunenberg ebenfalls eine Seilbahn ins Gespräch gebracht. Und dann kam noch die Entwicklung des Eiermann-Campus hinzu und die Aussage des damaligen Investors, dass man eine entsprechende Studie unterstützen würde. Viele haben gleichzeitig in die gleiche Richtung gedacht.

Aber ist so eine Seilbahn nicht wahnsinnig aufwändig?

Es zählt hierbei der Vergleich zu Alternativen, aber wahnsinnig aufwändig ist sie nicht. Eine neue Buslinie ist sicherlich günstiger, bei geringeren Fahrgastkapazitäten. Aber der Bus steht auch im Stau und ist daher keine verlässliche Lösung. Oder es werden separate Busspuren erforderlich, die wiederum im Straßenraum zu Engpässen und weiteren Staus führen können. Wenn es darum geht, eine schienengebundene Lösung, wie eine Stadtbahn oder aber eine Luftseilbahn neu zu bauen, dann ist die Seilbahn üblicherweise deutlich günstiger. Insbesondere bei den topografischen Eigenheiten der Stadt Stuttgart. Außerhalb bebauter Gebiete ist sie zudem umweltverträglicher im Hinblick auf den Flächenverbrauch. Eine Stadtbahntrasse ist immer im wahren Wortsinn einschneidend. Bei der Seilbahn sind es nur die Stationen und die Stützen, die Flächen verbrauchen. Unter einer Seilbahn können das Leben und der Verkehr ihren Lauf nehmen.

Die Stadt hat SSP Consult mit der Machbarkeitsstudie für verschiedene Seilbahnführungen beauftragt. Was genau wird da untersucht?

Es wurden vier Untersuchungstrassen für die Studie vorgeben: eine vom Mercedes Museum, Stadion und Wasen in Bad Cannstatt bis in den Bereich Hauptbahnhof, eine weitere zwischen Degerloch und Hohenheim/Plieningen, eine vom Pragsattel über das Rosensteinquartier zum Ostendplatz und eben die vom Eiermann-Campus zum Vaihinger Bahnhof beziehungsweise über den Synergiepark hin zu einem möglichen Parkhaus an der A 8 und weiter bis zum Flughafen. Aktuell werden die beiden letzteren Trassen betrachtet, anschließend die beiden weiteren.

Welche Punkte werden in so einer Machbarkeitsstudie aufgegriffen?

Es gibt eine Vielzahl an Untersuchungs- und Bewertungsgrößen. Neben Systemvergleichen der Seilbahntechniken geht es zunächst um die Abwägung der Trassenführung. Von wo nach wo sollte die Seilbahn verlaufen, um Ziele für möglichst viele Fahrgäste gut erreichbar zu machen und gleichzeitig die Betroffenheit für Anwohner zu minimieren? Wo könnten die Stützen und wo die Stationen stehen? Sinnvollerweise sollte dabei so wenig wie möglich in Privatgrundstücke eingegriffen werden. Die Trasse sollte nach Möglichkeit weitgehend über öffentlichen Straßen und Flächen verlaufen. Auch die Themen Zuverlässigkeit und Wartung müssen andiskutiert werden. Technisch sind die heutigen Anlagen auf einem sehr hohen Niveau. Bei einer Seilbahn, die Teil des öffentlichen Personennahverkehrs ist, müssen dennoch Ausfallzeiten so gering wie möglich sein. Zudem sind die Anforderungen an die Sicherheit hoch. Auch städtebaulich muss die Seilbahn ins Bild passen.

Ist diese Machbarkeitsstudie für Ihr Büro ein Verkehrsgutachten wie jedes andere?

Nein, das sicher nicht. Aber es ist schon ein Verkehrsgutachten, wie es für uns als Verkehrsingenieure denkbar ist. Auch in einem unserer Kernthemen, der Straßenplanung, geht es darum, passende Linienführungen zu prüfen, die Belange der Betroffenen abzuwägen und rechtliche Aspekte zu klären. Bei der Seilbahn kommen jetzt eben noch die technische Komponente und die entsprechende wirtschaftliche Bewertung hinzu. Dazu binden wir die Unterstützung unserer Planungspartner VWI und Ingérop ein.

Sie selbst könnten einer Seilbahn in Stuttgart viel abgewinnen, oder?

Ich persönlich stehe der Seilbahn als mögliche Mobilitätsergänzung sehr positiv gegenüber. Es lohnt sich auf alle Fälle, zu prüfen, unter welchen Bedingungen sie als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs funktionieren kann. In Deutschland gibt es diese Idee derzeit in vielen großen Städten, so zum Beispiel in München und in Wuppertal.

Und in welcher deutschen Stadt wird als erstes eine Seilbahn als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs fahren?

Ich werde jetzt keine Prognosen abgeben, welche Stadt die Nase vorne haben wird. Wir befinden uns da nicht im Wettbewerb. Nur so viel: In Stuttgart hat die Seilbahn-Idee derzeit keinen schlechten Stand. Die Politik ist weitgehend positiv eingestellt. Wenn eine Seilbahn planerisch, technisch und wirtschaftlich darstellbar ist, kann der nächste Schritt gemacht werden.