Von Anne AbeleinVertauschte Rollen: Bei der inszenierten Lesung am Montagabend saß

Von Anne Abelein

Vertauschte Rollen: Bei der inszenierten Lesung am Montagabend saß das Publikum auf der Bühne des Renitenz-Theaters, und die Schauspieler agierten zwischen den Sitzreihen, wo sonst die kleinen Tischchen stehen. Im Rahmen der Reihe Autorenarena präsentierten die Schauspieler Gedichte der deutsch-bulgarischen Schriftstellerin Tzveta Sofronieva, der Chamisso-Förderpreis-Trägerin aus dem Jahr 2009.

Die Umquartierung war mehr als nur ein verblüffender Effekt. Sie thematisierte Ausgrenzung und Zugehörigkeit, und die Sitzreihen fungierten als Begrenzung des Korridors einer Einwanderungsbehörde. Dort saßen die Immigranten (Hartmut Scheyhing, Claudia Dölker, Manuel Struffolino, Christine Prayon und Sebastian Weingarten) starr und isoliert - mit dem größtmöglichen Abstand voneinander. Angespannt oder gelangweilt blätterten die Heimatlosen in ihren Papieren, um dann mit Sofronievas Versen die Stille zu durchbrechen. Ihre Gedichte drehen sich um Identitätsfragen, nationale wie geschlechtliche, um die Sprache, um Mythen, um Europa und um die Liebe. Die Akteure lasen bedachtsam und ließen den Worten Raum. Unter ihnen war auch ein Pärchen. Doch zwischen den beiden herrschte keine traute Einigkeit. Sie gerieten in einem Gedicht in einen Streit und erstarrten immer wieder statuarisch.

Im Anschluss an die Lesung moderierte Lerke von Saalfeld ein Gespräch zwischen Sofronieva, den Schauspielern sowie dem Regisseur Achmed Gad Elkarim, der erstmals Lyrik inszeniert hatte. Die Autorin reagierte auf die Inszenierung überrascht und bewegt: "Mein ganzes Leben habe ich in solchen Räumen verbracht." Ihr fiel auf, dass die Akteure besonders die politischen und "schweren Seiten" ihrer Gedichte herausgearbeitet hatten. Und wo fühlt sich Sofronieva nun zu Hause? - In Berlin, weil sich dort der Westen und der Osten begegnen.