Bettdecke anstatt Schlafsack, vor dem Rockkonzert in die Badewanne und abends ein Dinner im Luxuszelt – das wünschen sich manche Festivalbesucher. Foto: dpa

Drei Tage lang Alkohol, Ravioli aus der Dose und keine Dusche? Für einige Menschen ist das die beste Zeit im Jahr – für andere unvorstellbar. Immer mehr Festivalveranstalter reagieren auf die anspruchsvolleren Bedürfnisse.

Stuttgart - Das erste Burg-Herzberg-Festival  1968 hätte er nicht für einen Familienausflug empfohlen, sagt der Geschäftsführer des Festivals, Gunther Lorz. Als sich ein Jahr vor Woodstock die Hippies auf der nordhessischen Burg Herzberg einfanden, seien auch harte Drogen konsumiert worden. Das sehe man auf den Bildern von damals – und außerdem ein völlig verdrecktes Festivalgelände. „Die Hippies hatten damals kein Umweltbewusstsein“, sagt Lorz. Auf aktuellen Fotos sieht man viele Kinder. Unter 14-Jährige haben freien Eintritt, es gibt Kinderbetreuung sowie einen Bereich, in dem die Musik nicht so laut ist. „Das haben wir nicht bewusst angestrebt. Aber wir haben festgestellt, dass Besucher ihre Kinder mitbringen – und dass wir es toll finden“, sagt Lorz. Familien als Festivalbesucher.

Rockfestivals gelten vor allem unter Menschen, die noch nie dort waren, als schmutzig, laut und exzessiv. Tatsächlich ist es nicht allzu lange her, dass es viel zu wenige Duschen und Klos gab. Zelten ist nicht jedermanns Sache und, ja, auf Campingplätzen wird Alkohol getrunken. Die Veranstalter haben darauf reagiert. Sie versuchen mit Familienbereichen, komfortablen Übernachtungsmöglichkeiten oder kreativer Gastronomie „ein neues Publikum anzusprechen, das sonst vielleicht nicht oder nicht mehr gekommen wäre“, sagt Benjamin Hetzer, der beim Veranstalter FKP Scorpio Leiter des Southside Festivals in Neuhausen ob Eck ist.

Komfortcamping mit drahtlosem Internet? Holzhütte? Hotel? – Vieles ist möglich.

Kaum ein professionell organisiertes Festival kommt mehr ohne solche Angebote aus. Von Komfortcamping mit zusätzlichen Sanitäranlagen und drahtlosem Internet über Holzhütten mit Matratze und Stromanschluss bis zur Hotelübernachtung samt Shuttleservice ist vieles möglich. Flächendeckend etabliert ist der Leipziger Anbieter mit dem selbsterklärenden Namen „Mein Zelt steht schon“. Ganz vorn dabei ist das Berliner Secrets-Festival, wo eine Übernachtung im Tipi oder einer Glaskugel mit „frisch bezogenem und duftendem Bett“ (so die Website) 500 bis 1000 Euro kostet. Diese und ähnliche Angebote sind trotz saftiger Preise in aller Regel ausgebucht.

Das nahe Dessau stattfindende Elektro- und Indiefestival Melt ist diesbezüglich einer der Vorreiter in Deutschland – ursprünglich vor allem auf Nachfrage internationaler Besucher aus den Niederlanden oder England. „Dort und auch in den USA werden solche Angebote schon viel länger und größer gedacht“, berichtet Christine Goebel vom Besucherservice. Das Melt baut diesen Bereich Jahr für Jahr aus, denn „die Ansprüche der Besucher steigen“.

Bisher verdienen Veranstalter mit Komfortcamping nur wenig

Zwar übernachtet das Gros der Besucher weiterhin auf dem normalen Zeltplatz und futtert Ravioli. Das Southside hat deshalb Fläche und Infrastruktur vergrößert – keiner muss ungeduscht vor die Bühne. Trotz Aufpreises verdiene man an Komfortcamping, separatem Einlass mit kürzerer Wartezeit oder Shuttlebussen wegen hoher Kosten nur wenig, berichtet der Festivalleiter Hetzer. Doch solche Angebote sprechen breitere Zielgruppen an und binden Besucher auch über das erste Rückenleiden hinaus. Nicht zuletzt deshalb hat das Southside-Festival heute 20 000 Besucher mehr als vor zehn Jahren. Wachstum ist wichtig: Beim Ticketpreis, der Haupteinnahmequelle, könne man „die Preisschraube nicht endlos nachziehen“, sagt Hetzer.

Zumindest das Burg-Herzberg-Festival begebe sich nicht auf die Luxusschiene, versichert Gunther Lorz: „Das Festival ist mitten in der Natur, wir müssen jeden Tropfen Wasser her- und wieder wegbringen.“ Luxuscamping werde es auch künftig nicht geben, duschen könne man wie bisher schon im nahen Freibad. Den Kindern wird’s ohnehin egal sein.