Abplatzungen und Risse: Roland Ostertag fordert, dass auch die Bruchstücke der Lusthausruine erhalten werden Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Zunächst sollte sie in Würde verfallen. Nachdem sich aber Stuttgarter Bürger für die Lusthausruine im Schlossgarten eingesetzt haben, ergriff die Landesbaubehörde Maßnahmen zu ihrem Erhalt. Dabei vergessen wurden nach Meinung von Experten die losen Bruchstücke.

Stuttgart - Immer wieder bleiben Spaziergänger stehen, lesen die Infotafeln vor der Lusthausruine. Obwohl die wie ein gefährliches Tier im Zoo hinter Gittern ist, gibt sie dem Mittleren Schlossgarten sein besonderes Flair. Immerhin war die Ruine einst eine Treppe des im 16. Jahrhundert für Herzog Ludwig am Schlossplatz erbauten Neuen Lusthauses. Vor und hinter dem Zaun sind noch einzelne Säulen, Säulenabschlüsse, die so genannten Kapitelle, aufgestellt worden.

„Während die Treppe durch Drainagen vor Feuchtigkeit geschützt ist und der Stein imprägniert wurde, damit ihm Kälte, Hitze und Nässe nichts anhaben können, wurden die Einzelteile entweder gar nicht oder falsch behandelt“, sagt Roland Ostertag. Der Stuttgarter Architekt war Mitgründer des Fördervereins Neues Lusthaus. Die Mitglieder haben rund 30 000 Euro Spenden eingebracht. Das Land Baden-Württemberg hat als Eigentümerin der Ruine auf Druck der Öffentlichkeit 1,5 Millionen Euro in den Schutz vor weiterem Verfall gesteckt – mit dem Ergebnis, dass die Ruine auch künftige Generationen an die glanzvolle Vergangenheit Stuttgarts erinnern wird.

„Ein Problem sind jetzt aber noch die einzelnen Bruchstücke “, sagt Ostertag – und deutet auf Risse und Abplatzungen an den Steinen des einst prächtigen Renaissancebaus, der 1902 durch einen Brand bis auf die Treppe und ein paar lose Teile zerstört worden ist. Diese Reste wurden 1904 im Mittleren Schlossgarten aufgestellt. Den losen Teilen machen außer Wind und Wetter laut Ostertag auch die Gärtner der Wilhelma zu schaffen. „Die passen nicht auf, stoßen beim Mähen der Wiese mit ihren Geräten an die über 400 Jahre alten Steine, so dass Brocken von dem Sandstein abbrechen“, sagt er, hebt einen solchen Brocken auf und demonstriert, wie bröselig der Sandstein ist, in dem er mit der Hand über ein Kapitell streicht: „Da bröselt es richtig weg.“ Wird nichts getan, davon ist Ostertag überzeugt, müssen die losen Teile in etwa zwei Jahren abgeräumt werden „Der Zahn der Zeit nagt schnell“, sagt er.

Ostertag und seine Mitstreiter des mittlerweile aufgelösten Fördervereins zur Rettung der Lusthausruine fordern vom Land deshalb schnelles Handeln: „Ein unabhängiger Gutachter muss her und Vorschläge machen, wie auch diese Reste der Vergangenheit überdauern können.“ Vorschläge hat Ostertag auch selbst beizusteuern: Wichtig ist, dass die Steine nicht mehr direkt auf dem Boden, sondern zum Beispiel auf einer Konstruktion stehen, so dass Wasser nicht mehr hochsteigen und die Feuchtigkeit trocknen kann“, sagt er. Eine Möglichkeit, die Steine vor den Gärtnern zu schützen, sei es, sie hinter das Gitter zu verfrachten. Das sei zwar nicht schön, aber besser, als dass sie ständig demoliert werden“, sagt Ostertag.

Ob die Einzelteile gar nicht oder falsch behandelt worden sind? Die zuständige Landesbaubehörde in Stuttgart reagierte umgehend auf die Nachfrage unserer Zeitung und schickte ihren Fachmann vor Ort. Nach dessen erstem Eindruck sind tatsächlich nicht alle Steine imprägniert. „Bei einigen Säulen gab es jedoch erhaltende Maßnahmen“, stellt der fest . Schäden durch hoch steigende Feuchtigkeit kann er nicht ausmachen. „Wir werden Herrn Ostertags Vermutung aber durch einen Bauphysiker überprüfen lassen“, sagt Amtsleiter Roland Wenk. Die Wilhelma-Gärtner sollen für den historischen Wert der Bruchstücke sensibilisiert werden.