Lukas Kling (li.): Stabilisator mit viel Erfahrung im zentralen Mittelfeld der Stuttgarter Kickers. Foto: Baumann

Lukas Kling war an der Fairplay-Aktion der Stuttgarter Kickers maßgeblich beteiligt. Der Mittelfeldspieler erzielte das absichtliche Eigentor. Der 30-Jährige erzählt über die Reaktionen, die ihn erreichten, und die Entwicklung bei den Blauen.

Stuttgart - Die Oberliga-Fußballer der Stuttgarter Kickers machen beim 4:1 gegen den FC Nöttingen deutschlandweit Schlagzeilen, weil sie aus Fairplay-Gründen ein absichtliches Eigentor erzielten. Mittelspieler Lukas Kling konnte sich damit in die Torschützenliste eintragen – allerdings auf der falschen Seite. Am kommenden Samstag (15.30 Uhr) im Spiel beim SSV Reutlingen will er das ändern.

Herr Kling, haben Sie viele Glückwünsche für Ihr erstes Saisontor bekommen?

(lacht) Ziemlich viele sogar. Ehemalige Mitspieler, von denen ich schon ewig nichts mehr gehört habe, haben sich gemeldet. Die Allermeisten haben mich natürlich für unsere Fairplay-Aktion beglückwünscht. Engere Freunde haben ein bisschen gefrotzelt, nach dem Motto, jetzt hast du auch mal ein Tor erzielt.

Wie hat sich die Situation rund um das absichtliche Eigentor aus Ihrer Sicht dargestellt?

Ich habe das ganze erst mitbekommen, als nach unserem Tor durch Cristian Giles die Nöttinger protestiert haben. Ich habe den Schiedsrichter dann auch gefragt, wie er die Szene gesehen hat. Ich habe mich dann noch mal kurz mit dem Trainer und unserem Kapitän Mijo Tunjic beratschlagt. Schnell war klar, dass wir aus Fairplay-Gründen eben ein absichtliches Eigentor fabrizieren.

Und Sie haben es ausgeführt.

Ja, wir hatten kurz überlegt, einen Nöttinger Spieler frei auf unser Tor durchlaufen zu lassen, aber wir haben entschieden, wir machen es selbst. Da ich fast immer derjenige bin, der nach dem Anstoß in zentraler Position den Ball erhält, habe ich es übernommen.

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Nicht alle Kickers-Spieler waren damit aber einverstanden.

Das ist ja auch verständlich. Die Szene war nicht eindeutig – und ist es heute noch nicht. Selbst für Nöttinger Spieler nicht. Wir haben zudem nicht 4:0 oder 5:0 geführt, sondern haben den Gegner durch das Eigentor auf 1:2 herankommen lassen. Und es stand sehr viel auf dem Spiel. Wir spielen als Stuttgarter Kickers das dritte Jahr in der Oberliga und haben ein Spitzenspiel, da schenkt keiner freiwillig gerne ein Tor her.

Auch beim Zweitligaspiel Eintracht Braunschweig gegen VfL Bochum gab es am Wochenende eine Fairplay-Aktion. Sind die Fußballer in Corona-Zeiten stärker sensibilisiert?

Das ist schwer zu sagen, möglicherweise ja. Ungewöhnlich sind solche Aktionen vielleicht schon. Aber auch in England gab es eine vergleichbare Aktion in der Saison 2018/19 durch Leeds-Trainer Marcelo Bielsa, und da geht es um Millionen.

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Ihre Mannschaft gewann am Ende gegen den FC Nöttingen mit 4:1 – auch weil das Team in der zweiten Halbzeit zulegen konnte.

Wir sind körperlich sehr gut drauf. Unsere Passgenauigkeit war zuletzt nicht das Gelbe vom Ei, aber wir gleichen das aus, indem jeder einen Schritt mehr macht.

Das desolate 0:2 beim 1. Göppinger SV vor drei Wochen…

…hat viel bewirkt. Da haben wir von vorne bis hinten grottenschlecht gekickt. Wir haben das mit dem Trainerteam und im Mannschaftsrat gemeinsam aufgearbeitet. Das Spiel hatte einen Hallo-Wach-Effekt.

Was war die Kernbotschaft?

Ganz einfach: Dass wir den Kampf bedingungslos annehmen müssen, wenn es einmal nicht so gut läuft.

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Wie wichtig ist eine gewisse Kontinuität in der Aufstellung?

Auch wichtig. Zu Beginn haben wir mehr rotiert wegen der vielen Englischen Wochen. Einen gewissen Stamm, der das Team führt, braucht man, der ist wichtig.

Sind Sie eigentlich noch im Jugendbereich der Kickers aktiv?

Wegen der vielen Englischen Wochen hatte ich es etwas vernachlässigt, aber ich bin bei der U14 und U16 im erweiterten Trainerteam mit dabei. Ich besitze die Trainer-A-Lizenz, mein Ziel ist es nach meiner Karriere dem Fußball verbunden zu bleiben. Vielleicht bewerbe ich mich irgendwann einmal um die Teilnahme am DFB-Fußball-Lehrer-Lehrgang.

Sie sind das dritte Jahr bei den Kickers. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Das erste Jahr unter Trainer Tobias Flitsch endete sehr, sehr bitter mit dem verpassten Aufstieg in der Relegation. Das war auch für mich persönlich einer der schwärzesten Tage meiner Laufbahn. Vergangene Saison waren wir vor der Winterpause top, verlieren dann im neuen Jahr beim SV Sandhausen II. Vielleicht wäre diese Niederlage – ähnlich wie das Spiel in Göppingen – ein Aufwecker gewesen. Doch dann kam Corona. Jetzt sind wir gut in Form. Doch auch in der dritten Kickers-Saison in der Oberliga geben alle Teams gegen uns 120 Prozent. Ich kenne das doch noch selbst aus meiner Zeit beim FV Illertissen: Gegen 1860 München oder Jahn Regensburg – da haust du alles rein. Aber keine Frage: Wir haben unsere Ansprüche und lassen uns auch daran messen.

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Und am Samstag in Reutlingen erzielen Sie Ihr erstes Saisontor auf der richtigen Seite?

Das wäre top, ich hoffe, dass ich in Reutlingen auf der richtigen Seite treffe. Vergangenes Jahr habe ich an der Kreuzeiche ein Tor erzielt , leider ging’s nur 2:2 aus. Aber fürs Toreschießen haben wir ja eigentlich unseren Mijo, mit dieser unfassbaren Quote ist er ein echtes Phänomen. Ich muss nur immer wieder schauen, dass er nicht abhebt (lacht).