Die Verkehrsmenge am Neckartor müsste laut Gerichtsvergleich im nächsten Jahr an Feinstaub-Alarmtagen um 20 Prozent sinken. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Im April 2016 hat sich die Landesregierung verpflichtet, die Automenge am Neckartor bei anhaltenden Grenzwertüberschreitungen um 20 Prozent zu reduzieren. Davon rückt sie nun ab.

Stuttgart - Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat am Freitag sein Urteil zum geplanten Luftreinhalteplan für Stuttgart gesprochen und dringt auf umfassende, ganzjährige Diesel-Fahrverbote. Die Landesregierung wird die Umsetzung des Richterspruchs wahrscheinlich durch eine Sprungrevision aufschieben. Damit würde sie beim Thema Fahrverbote für das gesamte Stadtgebiet mindestens ein Jahr Zeit gewinnen.

Allerdings bleiben dem Verkehrsministerium unter der Führung von Minister Winfried Hermann (Grüne) nur noch wenige Monate, um einen vor dem Verwaltungsgericht im April 2016 akzeptierten Vergleich mit klagenden Anwohnern des Neckartors umzusetzen. Auch hier geht es um Fahrverbote. Das Land hatte akzeptiert, dass die Fahrzeugmenge an der Messstation Neckartor ab 2018 an jedem Feinstaub-Alarmtag um 20 Prozent sinken muss, wenn es 2017 noch Überschreitungen der Feinstaub- oder Stickstoffdioxid-Grenzwerte geben sollte. Bereits seit dem 16. März ist die Maximalzahl der Tage für 2017 mit hoher Feinstaubkonzentration überschritten. Das temporäre und auf das Neckartor begrenzte Fahrverbot, das übrigens bei den Antriebsarten im Vergleich nicht differenziert, muss also 2018 kommen.

Ausweichverkehr macht Probleme

Doch kommt es tatsächlich? Die Vertreter des Verkehrsministeriums haben in der Verhandlung zum Luftreinhalteplan den Anwohnern wenig Hoffnung gemacht, den Vergleich zu erfüllen. Man müsse Verlagerungsverkehre prüfen, hatte Abteilungsleiter Christoph Erdmenger gesagt. „Machen Sie das, oder machen Sie es nicht?“, hatte Richter Wolfgang Kern ultimativ gefragt. Antwort: „Wir haben noch keine Kompensation für den Ausweichverkehr gefunden.“

Um den Vergleich zu erfüllen, will das Land an Zufahrten zum Neckartor ein Durchfahrtsverbotsschild mit dem Zusatz „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ aufstellen. Dazu das Schild „Lieferverkehr frei“. Man wolle die Schilder so platzieren, dass die Polizei Fahrzeuge überprüfen könne. Allerdings könne man die Schilder nicht aufstellen, wenn durch den Ausweichverkehr an anderen Straßen neue Überschreitungen aufträten oder erstmals entstünden. Genau das sagen die bisherigen Berechnungen voraus.

Klägeranwalt von Grünen enttäuscht

Der Klägeranwalt Roland Kugler, früher Stadtrat der Grünen, will auf eine endgültige Absage mit einem Antrag auf Zwangsgeld reagieren. Wegen der geringen Summen werde dieses dem Land nicht wehtun, bedauert Kugler. „Warum greift OB Fritz Kuhn die 20 Prozent nicht auf?“, fragt sich der Anwalt. „Minus 20 Prozent ist doch genau sein Wahlversprechen.“ Er finde es erschreckend, dass man den Gesundheitsschutz mit Prozessen gegen eine von Grünen geführte Landesregierung durchsetzen müsse, so Kugler. Der Imageschaden für Kretschmann & Co. sei jedenfalls enorm.