Das Land will die Beschränkungen für Euro-4-Diesel, die zur Luftreinhaltung konzipiert wurden, weiter lockern. Wir haben aufgeschrieben, wer von der Kursänderung betroffen ist.
Stuttgart - Manche Fahrer von Diesel der Euronorm 4 können aufatmen: Der Landesverkehrsminister hat am Montag weitere Fälle bekannt gegeben, in denen Einzelausnahmen von den Fahrverboten in Stuttgart möglich sein sollen.
Welche neuen Ausnahmen sind das?
Möglich werden sollen nun Fahrten mit dem Euro-4-Diesel, wenn man nur kurz oder „nur in seltenen Sonderfällen“ in der Umweltzone fahren will. Außerdem dann, wenn die Fahrten der familiären Betreuung von Pflegefällen oder – Stichwort „Mamataxi“ – von Kindern unter acht Jahren dienen. Wichtig zu wissen: Niemand kann solche Fahrten unternehmen und sich auf die neue Zusatzregelung berufen, wenn er keinen Antrag stellte. Zudem muss man nachweisen, dass man kein geeignetes Fahrzeug zur Verfügung hat, etwa ein Elektromobil oder ein Benziner-Kfz. Außerdem muss man den Diesel, mit dem man starten will, schon länger als seit dem 1. Januar 2019 besitzen. Und er muss eine grüne Umweltplakette an der Windschutzscheibe haben.
Was heißt das in der Praxis?
Wer sein unter achtjähriges Kind von und zur Kindertagesstätte, zur Schule oder von und zum Fußballtraining transportieren wolle, könne die ganzjährige Genehmigung beantragen, erklärte Jasmin Bühler, Sprecherin der Stadt. Wer mal mit dem Diesel zum Bäcker in Stuttgart fahren wolle, könne sich nicht auf die neue Möglichkeit berufen. „Da geht es um wirklich seltene Gelegenheiten, etwa um die Fahrt zur 70-Jahr-Geburtstagsfeier des Opas oder um einen Umzug“, sagt Bühler. Auch für Fahrten bei Pflegeeinsätzen für Familienangehörige kann es jetzt Ausnahmegenehmigungen geben. Wer beispielsweise zur Chemotherapie fahren musste oder mit dem Auto zum Schichtdienst fahren wollte, konnte sie bisher schon beantragen.
Wie wird das Ordnungsamt vorgehen?
Anträge seien ausschließlich bei der Stadt möglich, erklärte das Verkehrsministerium. Im Rathaus heißte s, Anträge sollten frühzeitig gestellt werden, wenn man den Anlass für die Fahrten absehe. Wer ohne Genehmigung fährt, muss mit einem Bußgeldverfahren rechnen. Ein kleiner Trost: Wenn jemand noch keine Genehmigung hatte, aber den Antrag gestellt hatte, werde dies „im Bußgeldverfahrenberücksichtigt“.
Wie steht es um die Zumutbarkeit von Autoersatzkäufen?
Da gelten von sofort an neue Einkommensgrenzen, die die Behörden anwenden, wenn sie nach Härtefallanträgen der Frage nachgehen, ob die Ersatzbeschaffung eines anderen Fahrzeugs zumutbar wäre. Für Einzelpersonen ist der Ersatzkauf nun bis zu einem monatlichen Nettoeinkommen von 1415 Euro (bisher: 1130 Euro) als zumutbar eingestuft. Bei einem Zweipersonen-Haushalt sind des 1950 Euro (1560), bei einem Dreipersonen-Haushalt 2275 Euro (1820). Das ist wichtig, wenn jemand einen Härtefall reklamiert und vom Fahrverbot ausgenommen werden will. Die Stadt prüft dann aber trotzdem noch, ob der Fahrtzweck lebenswichtig ist. Dann gibt es Einzelfallentscheidungen.
Wie funktioniert es bei Fahrten zu P+R-Anlagen?
Da ist die Lage immer noch unklar. Die Stuttgarter Nachrichten berichteten, Ministerpräsident Kretschmann habe gesagt, man müsse bei Kontrollen nur angeben, man wolle zu einem P+R-Platz, sein grüner Parteikollege und Verkehrsminister Winfried Hermann halte aber einen Parknachweis für nötig. Diese Regelung gelte, Bußgelder würden aber noch nicht verhängt.
Was sagt man auf der Vollzugsebene?
„So einen Fall gab es noch nicht. Bei der praktischen Umsetzung schwimmen wir auch“, sagte eine Sprecherin der Polizei. Man sei in intensiver Abstimmung mit der Stadt. Im Grunde gehe es aber um Einzelfallbeurteilungen. Die Reaktion hänge auch davon ab, ob der Autofahrer vor dem Einbiegen zu so einer P+R-Anlage sei oder nicht. Regierungssprecher Rudi Hoogvliet sagte: Der Ministerpräsident wolle eine unbürokratische Regelung. Aber Kretschmann sei nicht so zu verstehen, dass jemand beispielsweise in Stammheim sagen könnte, er wolle quer durch Stuttgart zur P+R-Anlage in Degerloch fahren. Die Sprecherin der Stadt erklärte, man warte auf das Ergebnis der Abstimmungen beim Land – und dass das Verkehrsministerium mitteile, ob nur Dauerparkkarten oder auch Einzeltickets als Nachweise möglich sind. Wenn Klarheit herrsche, wolle die Stadt die Regelung zügig umsetzen. Denkbar ist, dass man nach Kontrollen dann auch ein Parkticket nachliefern kann und sich das Bußgeldverfahren dadurch erledigt.
Wie werden die Änderungen verkauft?
Kretschmann äußerte am Montag, man schaffe neue Möglichkeiten, um Härten für Privatpersonen abzumildern, die „über Gebühr belastet“ wären. Verkehrsminister Hermann sagte, Land und Stadt hätten nachgebessert. Zuvor hätten die „sehr großzügigen Ausnahmen zum Beispiel für den Lieferverkehr“ zu berechtigten Fragen geführt, „warum die Regelungen für Privatpersonen recht streng waren“.