Trotz S-Bahn-Anschluss stellen sich Herrenbergs Berufspendler in den Dauerstau. Sie sind die Hauptquelle des Verkehrs. Foto: factum/Weise

Trotz manchem Murren hat der Gemeinderat das Modellprojekt für saubere Luft beschlossen. Auch die lokale Debatte des Themas offenbarte so manchen Zielkonflikt.

Herrenberg - Auch diese Dieseldebatte verliert sich im Grundsatz. Der Christdemokrat Hermann Horrer hält für unvertretbar, dass für saubere Luft sieben Parkplätze vor der Volksbank geopfert werden. Der Grüne Jörn Gutbier mahnt, dass staufreie Straßen mehr Autofahrer anlocken. Im Umkehrschluss müssten jene Parkplätze erhalten bleiben und Abgase der Umwelt dienen. Die staufreie Fahrt ist ein Ziel des Modellprojekts zur Luftreinhaltung, weil Automotoren bei konstantem Tempo am wenigsten Abgas ausstoßen. Deshalb sollen Ein- und Ausparkende vor der Volksbank nicht länger den Verkehrsfluss bremsen.

Die Bundesregierung hat Herrenberg zur Modellstadt erkoren, in der Konzepte gegen Stickoxid in der Luft erprobt werden sollen oder, wieder im Umkehrschluss: Konzepte gegen Diesel-Fahrverbote. Zumindest die hiesige Kfz-Innung erwartet, dass die Deutsche Umwelthilfe im nächsten Jahr auch Herrenberg und Böblingen verklagen wird, genauso wie Leonberg, Backnang, Ludwigsburg und Esslingen.

Die Herrenberger Ideensammlung dagegen hat der Gemeinderat trotz manchem Murren beschlossen. Dabei zählten auch zur lokalen Debatte des Themas Zweifel am Standort der Messstationen, die Furcht, dass an einer Stelle verdrängter Verkehr andernorts die Straßen verstopfen werde, und so mancher Zielkonflikt.

Das Regierungspräsidium hat die Bremser ausgebremst

Die Stadt wollte Autofahrern auf den Durchgangsstraßen höchstens 40 Stundenkilometer erlauben und sie bis auf Tempo 20 herunterbremsen, aber das Regierungspräsidium hat die Bremser ausgebremst. Auf dessen Geheiß stehen 30 bis 50 Stundenkilometer im Plan, was der Luftqualität dient. Messfahrten des TÜV haben ergeben, dass je nach Strecke Tempo 40 gegenüber 50 den Schadstoffausstoß bestenfalls nicht erhöht. Bei noch geringeren Geschwindigkeiten produzierten alle Testmodelle mehr Abgas. Dass immer mehr Gemeinden für ihre Durchgangsstraßen Tempo 30 verordnen, dient nicht der Luftqualität, sondern der Lärmminderung.

Zwar sperrt sich auch Herrenbergs CDU keineswegs dem Gesamtplan, aber Horrer glaubt, „dass wir nächstes Jahr die Grenzwerte wahrscheinlich sowieso einhalten, allein wegen der Erneuerung der Fahrzeugflotte“. So lässt sich durchaus argumentieren. Eben erst verbreitete das Statistische Landesamt, dass Diesel im Jahr 2016 noch einmal ein Drittel mehr Stickoxid ausgestoßen haben, als bisher angenommen. Darüber ließe sich streiten, denn die Erkenntnis beruht schlicht auf einer veränderten Rechenmethode, aber die neue amtliche Zahl ist 713 Milligramm pro Kilometer.

Neuste Diesel stoßen nur einen Bruchteil des Erlaubten aus

80 Milligramm im Straßenbetrieb sind der neuste Grenzwert. Tests des ADAC haben ergeben, dass die meisten neuen Modelle ihn mühelos einhalten. Primus war ein BMW, dessen Zweiliter-Diesel nur ein Zehntel des Erlaubten ausstieß. Das Testmodell war ein als Stadtpanzer verschrieener Geländewagen. Ihm gegenüber ist des Großstädters Lieblingsflitzer eine Giftschleuder. Laut Deutscher Umwelthilfe stößt der Benziner eines Smart 100mal mehr Feinstaub aus als ein Durchschnittsdiesel. Beim Feinstaub sind ohnehin nicht die gescholtenen Selbstzünder die Sünder. Die neusten Dieselmotoren sondern sogar weniger Partikel ab als Fahrradbremsen. Ungeachtet dessen unkten alle Fraktionen darüber, dass die Stadt einen zusätzlichen Dieselbus anzuschaffen gedenkt.

Weil der sauberste Kilometer derjenige bleibt, der nicht gefahren wird, will die Stadt ihre Bürger zum Umstieg auf Busse und Bahnen überreden. Fraglich scheint, ob dies gelingt. Herrenbergs Berufspendler stellen sich trotz S-Bahn-Anschluss täglich in den Stau. Sie sind die Hauptquelle des Straßenverkehrs. Nach den Worten des Freien Wählers Thomas Deines bedarf es auch bei Daheimgebliebenen der Überzeugungsarbeit: bei treusorgenden Müttern. Mit einer billigen Monatskarte für Schüler, meint Deines, könne womöglich die grassierende Unsitte geheilt werden, den Nachwuchs im Elterntaxi zu chauffieren.