An der Pragstraße werden im Oktober zehn Luftfiltersäulen aufgestellt. Stadt und Land luden Bürger in den Kursaal ein, es kam jedoch niemand.

Bad Cannstatt - Vertreter von Stadt, Land und dem Hersteller Mann+Hummel haben sich am Donnerstagabend im Kleinen Kursaal eingefunden, um Anwohner über die geplante Maßnahme zur Luftreinhaltung in der Pragstraße aufzuklären: Zehn schwarze Filtersäulen – je drei übereinandergestapelte Würfel vom Type „Cubes III“ – sollen dort Feinstaub und Stickstoffdioxid absaugen. Die Delegation musste sich jedoch nicht mit kritischen Anwohnern auseinandersetzen, denn es kamen schlichtweg keine. Ganz umsonst waren die Experten dennoch nicht nach Bad Cannstatt angereist. In dem Saal, der für rund 100 Zuhörer bestuhlt war, fanden sich dann doch noch drei Bezirksbeiräte – Peter Mielert von den Grünen, Siegfried Deuschle (Die Linke) und der Christdemokrat Marc-Oliver Karle – sowie zwei Mahle-Mitarbeiter ein. Für Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler war es dennoch eine Enttäuschung. „Ich kann aber auch verstehen, dass die Leute bei so einem Wetter wo anders hingehen. Dass die Resonanz so niedrig ist, habe ich aber nicht erwartet.“

Acht Stellplätze fallen weg

Zumal das Thema die Anwohner in der Pragstraße durchaus betrifft. Oberhalb der Quellenstraße fallen voraussichtlich ab Oktober zwischen den Hausnummern 88 und 102 acht von 16 Parkplätzen weg. Ein notwendiger Schritt, um die Filter möglichst nah an der Straße und möglichst weit weg, mindestens 5,50 Meter, von den Hauswänden aufstellen zu können. Denn neben den vorbeirauschenden Autos stellen die drei Meter hohen Säulen eine weitere Lärmquelle dar. „Im schlechtsten Fall, wenn sich das Fenster einer Erdgeschosswohnung exakt auf der Höhe eines Würfels befindet, liegt die Belastung im Normalbetrieb tagsüber bei maximal 60 Dezibel, nachts steigt der Wert nicht über 45“, sagte Tobias Warth von Mann+Hummel. Die Anwohner am Neckartor würden näher an den Filtern wohnen. „Dort hat es bislang keine Beschwerden gegeben.“ Bernd-Marcel Löffler rechnet auch in Bad Cannstatt nicht damit. Auf der Pragstraße sei es grundsätzlich sehr laut. Vorbeifahrende Autos würden rund 70 Dezibel verursachen. Da höre man die Filter auch nicht.

„Niemand wünscht sich eine Filtersäule vor dem eigenen Fenster“, sagte Warth. „Aber beim Thema Luftreinhaltung ist man in Stuttgart nicht mehr im Bereich von Wünschen.“ Tim Kemnitzer vom Verkehrsministerium erinnerte in diesem Zusammenhang an die gefällten Gerichtsurteile. Trotz vielfältiger Bemühungen wird an einigen Stellen im Stadtgebiet, unter anderem an der Pragstraße, der Grenzwert für Stickstoffdioxid noch nicht eingehalten. Dementsprechend müssen Maßnahmen zur Luftreinhaltung umgesetzt werden.

Interimsmaßnahme

„Die Filtersäulen sind ein weiterer Mosaikstein, um die Schadstoffwerte an Hotspots zu senken“, sagte der Leiter des städtischen Referats Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität, Michael Münter. Eine Interimsmaßnahme, die nicht alle Probleme lösen könne. Am Neckartor habe man die Stickoxidbelastung mithilfe von 17 Säulen – eine kostet das Land in der Anschaffung ohne Sockel rund 21 500 Euro – um elf Prozent reduzieren können. An der Pragstraße rechnet Warth mit zehn Prozent. „Wir konzentrieren uns auf den Bereich, in dem sich Fußgänger aufhalten.“ Die in den Ventilatoren verbauten Filter haben eine Reichweite von rund 15 Metern. In der Nähe der Säulen ist der Wirkungsgrad bis zu 30 Prozent höher. Oberhalb der Säulen nehme die Effektivität ab. „Aber auch die Belastung.“

Frank Rohde, Leiter der Abteilung Filterelemente und Filtermedien bei Mahle, hörte im Publikum genau zu. Mit der Maßnahme konnte er sich dennoch nicht anfreunden. „Sie ist vollkommen unverhältnismäßig. Es wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“ Die Säulen würden im Nahbereich tadellos funktionieren, wenige Meter entfernt würde jedoch die Wirkung verpuffen. An besonders kritischen Stellen in Stuttgart baue man einen „Staubsauger“ auf, das eigentliche Problem der Luftverschmutzung werde aber nicht gelöst.

Kritik von Bezirksbeiräten

Der Grünen-Bezirksbeirat Peter Mielert wurde noch deutlicher. Statt punktuell Maßnahmen zu ergreifen, um Fahrverbote zu verhindern, fordert er „bewährte und bekannte Mittel“ – weniger Autos und die Reduzierung von Fahrspuren, sie könnten Busspuren oder Radwegen weichen. Sigfried Deuschle betonte, dass seine Fraktion (SÖS-Linke-Plus) nichts von den Filtersäulen hält. „Man muss an die Ursache ran und nicht nur an den Symptomen rumbasteln.“ Auch seine Partei fordert, dass die Menge an Fahrzeugen in der Stadt verringert werde. Seinen Rat, die Autoindustrie doch endlich in die Pflicht zunehmen, wies Münter von sich. „Weder die Stadt, noch das Land können sie zu irgendwas verpflichten.“ Das müsse auf Bundesebene geschehen. „Oberbürgermeister Fritz Kuhn kämpft für die blaue Plakette, stößt aber auf taube Ohren.“ Ähnlich sieht man es auch im Verkehrsministerium. „Wenn die Fahrzeuge bringen, was sie bringen sollten, dann brauchen wir die Filtersäulen in der Pragstraße nicht mehr. Momentan sind wir aber nicht in der Lage, auf die Maßnahme zu verzichten.“ Hoffnung setze man indes in die Fertigstellung des Rosensteintunnels 2021. Nach dem Rückbau der Pragstraße sollten die Filter an dieser Stelle definitiv überflüssig werden.