Der Stuttgarter Schlossplatz im Frühjahr 1968 Foto: Landesarchiv/EL 68 IX Nr 2589

Mit unserem neuen Projekt „BW von oben“ zeigen wir Baden-Württemberg aus der Vogelperspektive 1968 und heute. Auf den fast 20 000 Luftbildern aus dem Landesarchiv ist das ganze Land zu sehen – mit einer Ausnahme.

Stuttgart - Das ganze Land Baden-Württemberg steckt in orangen Dosen im Ludwigsburger Arsenal. Der Archivar Andreas Weber vom Staatsarchiv öffnet den klimatisierten Raum, in dem insgesamt 150 Filmrollen auf Polyesterbasis lagern. Sie sind das Ergebnis der ersten vollständigen Befliegung des Landes im Jahr 1968 – ein besonderer Bestand, zu dem Weber eine besondere Beziehung hat.

Der Archivar betreut den Luftbilderbestand und zieht eine Karte aus der Akte heraus. Sie zeigt ganz Baden-Württemberg mit vielen Streifen darauf. Drei Spezialfirmen flogen damals übers Land und nahmen im Auftrag des Landesvermessungsamts mit einer Zeiss-Spezialkamera fast 20 000 Fotos im Format 23 mal 23 Zentimeter auf. Die Bilder überlappen sich, um das Land lückenlos zu erfassen.

Lückenloses Luftbild

Was damals die Grundlage für eine elektronische Straßendatenbank bildete, ist heute ein faszinierendes Zeitzeugnis. Doch die Filmrollen in den orangen Dosen sind unpraktisch in der Handhabung. Deshalb hat das Landesarchiv sie von Andreas Weber und mehreren Kollegen digitalisieren lassen. Zudem wurden die Fotos so bearbeitet, dass ein lückenloses Luftbild entsteht, wie man es aus digitalen Kartendiensten kennt – nur dass eben das Jahr 1968 zu sehen ist. Im Herbst 2020 wurde das entzerrte sogenannte Orthophoto bei einer Pressekonferenz im Hauptstaatsarchiv präsentiert.

Diesen Fotobestand nutzen wir nun für unser Projekt „BW von oben“. Das Landesarchiv überlässt uns dafür die Fotos aus dem Jahr 1968, das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung steuert aktuelle Luftbilder bei. Damit haben wir eine Online-Anwendung entwickelt, mit der unsere User jede Straße und jedes Haus in Baden-Württemberg sehen können – 1968 und heute. Eine Suchfunktion sowie die Anzeige aktueller Straßenverläufe erleichtern die Orientierung. Das Angebot ist ab sofort für Digitalabonnenten auf unserer Website abrufbar.

Für „BW von oben“ schicken wir zudem unsere Reporter los. Sie sichten die Luftbilder und verlassen die Vogelperspektive, um Veränderungen in zahlreichen Beiträgen anschaulich zu schildern. Denn verändert hat sich viel in diesen 54 Jahren: Man hat neue Wohn- und Gewerbegebiete erschlossen, Straßen angelegt oder ausgebaut. Seit 1980 nahm der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche von 10,9 auf 14,6 Prozent zu. Ältere Daten gibt es nicht, aber verglichen mit 1968 ist der Versiegelungsgrad bis heute noch stärker gestiegen.

Exklusiv für Digitalabonnenten: So finden Sie Ihr Haus und Ihre Straße auf den Luftbildern

Nicht zuletzt hat die Flurbereinigung dazu geführt, dass Baden-Württemberg aus der Luft heute ganz anders aussieht als damals. An einigen Stellen ist der Vergleich freilich nicht möglich. Sie sind geschwärzt worden. Vor allem Flughäfen und militärische Infrastruktur ist aus den Filmen ausgekratzt oder -gebrannt worden. Mitten im Kalten Krieg wollte man offenbar nicht riskieren, dass solche Informationen in falsche Hände geraten. „Allerdings wurde nicht wirklich systematisch geschwärzt“, hat Andreas Weber beobachtet, „außerdem weisen die Schwärzungen ja gerade darauf hin, dass an diesen Stellen offenbar etwas Wichtiges ist.“

Einige Orte sind geschwärzt

Weber ist noch mehr aufgefallen: Manche Bildnummern sind doppelt vorhanden. Er fand heraus, dass diese Motive retuschiert wurden. So verschwand etwa der komplette Flughafen Karlsruhe-Baden-Baden, damals genutzt von der kanadischen Luftwaffe, unter vermeintlichen Feldern. Auf der Landesarchiv-Website findet man sowohl das ursprüngliche wie auch das retuschierte Luftbild in hoher Auflösung. Wer genau hinschaut, erkennt die Stelle, an der die Retusche eingefügt wurde.