Für die Gesundheitspolitiker in Bund und Land ist die Luftverschmutzung kein Thema. Foto: dpa

Feinstaub und Stickstoffdioxid als Gesundheitsrisiko? Wer sich bei den zuständigen Gesundheitspolitikern in Bund und Land umhört, bekommt allenfalls vage Aussagen.

Stuttgart - Von Mittwoch bis Samstag treffen sich in Stuttgart Lungenfachärzte aus der ganzen Republik zum Pneumologenkongress, um unter anderem auch über das Thema „Luftqualität und Lunge: Europäische und nationale Perspektiven“ zu debattieren. Der Ort ist gut gewählt: Stuttgart gilt bundesweit als die Landeshauptstadt, in der die Luftbelastung durch Feinstaub und vor allem durch Stickstoffdioxid aus Dieselabgasen mit am höchsten ist. Während das Thema unter Medizinern längst diskutiert wird, scheuen sich die verantwortlichen Gesundheitspolitiker in Bund und Land, klare Positionen zu beziehen, und verweisen auf die Umwelt- und Verkehrspolitiker.

Fragen werden weitergereicht

So hat es jüngst Baden-Württembergs für Gesundheitspolitik zuständiger Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) gehalten. Auf eine Anfrage von Umweltverbänden verwies er zunächst auf den Parteifreund und Verkehrsminister Winfried Hermann, ehe er sich dann doch zu einer abgestimmten Stellungnahme bewegen ließ. Darin hieß es, ein direkter Zusammenhang zwischen lokalen Feinstaubwerten und vermehrten Erkrankungen lasse sich „noch nicht belegen“.

Gleichwohl gebe es „im Einzelfall besondere Gesundheitsrisiken“ für Menschen mit geschädigtem Herz-Lungen-System, Senioren und auch Kinder. Beide Minister verwiesen sodann auf die ab 2018 geplanten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Euronorm 6 als Teil eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs zur Einhaltung der geltenden EU-Grenzwerte. Der Gehalt der Antwort Luchas stellte die Umweltverbände zwar nicht zufrieden. Doch im Vergleich zu der Reaktion des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage dieser Zeitung hat er sich mit seiner Einschätzung weit vorgewagt.

Auf die Frage, ob dem Bundesgesundheitsminister europa- und weltweite Daten über das Risiko der Luftbelastung vor allem durch Stickstoffdioxide vorlägen und wie er die von 2018 an geplanten Fahrverbote vor dem Hintergrund des grundgesetzlich verankerten Rechts der Bürger auf körperliche Unversehrtheit beurteile, ließ Hermann Gröhe (CDU) lediglich verlauten: „Die Verunreinigung der Luft und die damit zusammenhängenden gesundheitlichen Gefährdungen beziehungsweise Erkrankungen wie Atemwegserkrankungen oder Krebs werden thematisch dem umweltbezogenen Gesundheitsschutz zugerechnet. Aufgrund der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Bundesregierung ist hierfür das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zuständig“, verweist Gröhe an die Kollegin Barbara Hendriks (SPD).

Nur die Stadt spricht von „vorzeitigen Todesfällen“

Sehr viel eindeutiger positionieren sich die kommunalen Gesundheitsbehörden. Der für Gesundheitsschutz zuständige Bürgermeister Werner Wölfle teilte mit: „Die Experten des Gesundheitsamtes sehen es als erwiesen an, dass Luftschadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxid zu vorzeitigen Todesfällen führen.“ Zahlreiche medizinische Studien rechtfertigten diese Aussage: „So rechnen auch WHO und die EU mit mehreren 100 000 Menschen jährlich, die vor ihrer geschätzten Lebenserwartung aufgrund der Belastung mit Feinstaub sterben.“ Einschränkend heißt es aber, es lägen dem Gesundheitsamt der Stadt keine Erhebungen über schadstoffverursachte Erkrankungen vor. Der Grund: „Es lässt sich für Ärzte nicht sicher feststellen, ob eine Erkrankung durch Schadstoffe verursacht wurde.“